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WindparkDie Bürgermeister von Schleiden und Kall kritisieren Bürgerinitiative Wackerberg

Lesezeit 8 Minuten
Das Drohnenfoto zeigt sieben Windkraftanlagen in der Landschaft bei Kall.

Ein Windpark, hier ein Areal bei Dottel, könnte auch auf dem nicht weit entfernten Wackerberg entstehen.

Bürger wehren sich mit einer Petition gegen Windkraftanlagen im Olefer Kirchenwald. Die Bürgermeister von Schleiden und Kall halten das für „Panikmache“.

In einer gemeinsamen Erklärung zu einem möglichen Windpark auf dem Wackerberg fordern die Bürgermeister von Kall und Schleiden, Hermann-Josef Esser und Ingo Pfennings, eine „faktenbasierte Diskussion statt Panikmache“. Die beiden Verwaltungschefs warnen vor „Fehlinformationen, die seit einigen Wochen in Kall und Schleiden verbreitet werden und auch in den Räten auf Unverständnis gestoßen“ seien.

Adressat der Kritik ist vor allem die Bürgerinitiative „Windpark Wackerberg“, die Front gegen das Vorhaben mache und der Kirchengemeinde Olef als einem der Eigentümer der Flächen vorwerfe, die Natur für Pachteinnahmen zu opfern.

Das Waldgebiet auf dem Wackerberg ist 13 Hektar groß

Das Waldgebiet auf dem Wackerberg zwischen Kall, Schleiden und Gemünd ist rund 1300 Hektar groß. Im Rahmen der Regionalplanung hat die Bezirksregierung Köln im Teilplan „Erneuerbare Energien“ auf dem Wackerberg eine rund 150 Hektar große Fläche als Windkraftpotenzialgebiet vorgesehen. Das Areal liegt auf einem Höhenrücken östlich von Olef und westlich von Kall.

„Der Wald auf dem Wackerberg ist kein Märchenwald. Wir haben hier einen Wirtschaftswald überwiegend aus Nadelholz, bedroht durch Stürme, Trockenheit und den Borkenkäfer“, betont Esser mit Blick auf den Vorwurf, ein Windpark auf dem Wackerberg zerstöre die Natur. Der Wald sei durch den Klimawandel ohnehin gefährdet.

Porträtfoto von Hermann-Josef Esser

Fordert eine sachliche Diskussion: Kalls Bürgermeister Hermann-Josef Esser.

Windräder könnten auf den Brachen oder dort, „wo jetzt überwiegend die Fichte steht“, errichtet werden. „Wo Bäume schon fehlen oder für Baumaßnahmen weichen müssten, würde der Wald mit klimaresistenteren Arten durchmischt, finanziert durch den Windpark. Langfristig wird damit ein Beitrag zum Waldumbau geleistet und der Wald in seiner Resilienz mit seinen Funktionen wie Wasserspeicherung, Artenvielfalt und auch Erholung gestärkt“, meint der Kaller Verwaltungschef.

Die Stadt Schleiden ist mit der Planung für den Wackerberg nicht einverstanden

Pfennings betont aber, dass Schleiden mit der Planung nicht einverstanden sei. Die Stadt stelle bereits überproportional viel Fläche für Windenergie zur Verfügung, besonders da große Flächen des Stadtgebietes durch den Nationalpark Eifel für andere Nutzungen ausgeschlossen seien und daher nicht in die Berechnung einfließen dürften.

Porträtfoto von Ingo Pfennings

Kritisiert die Attacken auf die Kirchengemeinde Olef: Ingo Pfennings, Bürgermeister der Stadt Schleiden.

Aber für Pfennings ist auch klar: „Wenn es trotz der Einwände und unserer Ablehnung bei der Flächenausweisung bleibt, müssen wir als Kommune handeln und Einfluss auf die Planung und die Gestaltung nehmen.“ Wenn man als Kommune schon bei einer Ausweisung von Flächen nicht mitentscheiden dürfe, müsse man umso mehr bei der Ausgestaltung des Vorhabens Einfluss nehmen. Deshalb lote er mit seinem Kaller Bürgermeisterkollegen sowie den Flächeneigentümern und potenziellen Betreibern eines Windparks alle Optionen aus.

„Wenn der Wackerberg für Windkraft genutzt werden soll, werden wir die Planung und die Gewinne nicht irgendwelchen überregionalen oder internationalen Projektierern überlassen, die sich überall im Land schon auf die Regionalplanflächen stürzen. Wir nehmen das Heft selbst in die Hand, geben die Rahmenbedingungen vor und planen gemeinsam mit regionalen Partnern, damit auch die Ortschaften und die Menschen hier profitieren“, hob Pfennings hervor.

Wenn der Wackerberg für Windkraft genutzt werden soll, werden wir die Planung und die Gewinne nicht irgendwelchen überregionalen oder internationalen Projektierern überlassen.
Ingo Pfennings, Bürgermeister von Schleiden

Ein Windpark auf dem Wackerberg werde nur mit Kommunal- und Bürgerbeteiligung, Wertschöpfung vor Ort sowie umfassenden Schutz- und Ausgleichsmaßnahmen für Mensch und Natur realisiert, sind sich die Verwaltungschefs einig. Deshalb habe sich die Gemeinde Kall in ihrer Stellungnahme zum Teilplan, die einstimmig durch den Gemeinderat beschlossen wurde, positiv für den Windpark, aber gegen die Ausweisung von sogenannten Beschleunigungsgebieten ausgesprochen.

In solchen Gebieten werden Anlagen auch ohne wichtige Artenschutz- und Umweltprüfungen genehmigt. Aus Sicht der Kaller Verwaltung und Politik müsse aber besonders in Waldgebieten die Flora und Fauna bestmöglich geschützt werden.

Eine 13-köpfige Gruppe hat sich mit dem Transparent „Kein Windpark im Kirchenwald“ und Plakaten am Eingang zum Kloster postiert.

Vor Kloster Steinfeld, in dem zu diesem Zeitpunkt die Deutsche Bischofskonferenz tagte, demonstrierten die Interessengemeinschaft gegen einen Windpark im Olefer Kirchenwald.

Die Einnahmen aus Wind- und Solarparks durch Pachteinnahmen, Beteiligung an Windparkgesellschaften, eine Vergütung für jede erzeugte Kilowattstunde Strom und die Gewerbesteuer seien für die Haushalte von Schleiden und Kall schon aktuell wichtig.

Kirchengemeinde Olef könnte die Pachteinnahmen gut brauchen

Die Kirchengemeinde Olef, die einen vergleichsweise kleinen Waldanteil an der Potenzialfläche besitzt, könnte mit Pachteinnahmen beispielsweise den klimaangepassten Umbau ihres von Fichten geprägten Kirchenwaldes sowie den Erhalt der Kirche und des Pfarrheims in Olef finanzieren.

„Für mich ist überhaupt nicht verständlich, warum die Kirche als Institution und besonders der ehrenamtliche Kirchenvorstand sowie der örtliche Pfarrer zur Zielscheibe geworden sind. „Das Geld kommt den Bürgerinnen und Bürgern direkt zugute, weil beispielsweise Spiel- und Sportplätze, Kulturveranstaltungen oder Umweltschutzprojekte damit finanziert werden können. Auch Vereine und Institutionen generieren Mittel, etwa durch die Bürgerstiftung Schleiden“, erklären Pfennings und Esser. Von einem Windpark auf dem Wackerberg würden die kommunalen Haushalte auch wieder profitieren.

Der Kirchengemeinde Olef gehört nur ein kleiner Bereich des Areals

Der Kirchenwald allein ist nicht ausschlaggebend, ob ein Windpark auf der Fläche entsteht oder nicht – vermutlich ist er für die Frage sogar irrelevant“, macht Pfennings deutlich. „Bei allem Verständnis über den Unmut, den die Vorstellung eines Windparks auf dem Wackerberg bei vielen Menschen – auch bei mir – auslöst, so geht man nicht miteinander um“ bekräftigt Pfennings sein Unverständnis. Die mit Abstand größten Waldbesitzer seien die Gemeinde Kall und die Arenberg-Schleiden GmbH.

Das bestätigt auf Anfrage auch die e-regio. „Der Kirchengemeinde gehören knapp 15 Prozent, der Gemeinde Kall 30 und der Arenberg-Schleiden GmbH mehr als 55 Prozent der ausgewiesenen Fläche“, teilt Pressesprecherin Ilona Schäfer mit. Man sei aktuell mit den Kommunen und Grundstückseigentümern in Gesprächen.

Wenn Flutszenarien wegen einer vermeintlichen ‚Flächenversiegelung‘ durch Windparks heraufbeschworen werden, ist das unseriös und unanständig, da gezielt mit den Ängsten und tief sitzenden Erlebnissen der Mitbürgerinnen und Mitbürger gespielt wird.
Hermann-Josef Esser, Bürgermeister von Kall

„Bei allem Verständnis für die Interessen von Anliegern möchten wir eine sachliche und an Fakten orientierte Diskussion. Insbesondere wenn Flutszenarien wegen einer vermeintlichen ‚Flächenversiegelung‘ durch Windparks heraufbeschworen werden, ist das unseriös und unanständig, da gezielt mit den Ängsten und tief sitzenden Erlebnissen der Mitbürgerinnen und Mitbürger gespielt wird“, kritisiert Esser.

Ein Windrad benötige schätzungsweise so viel versiegelte Fläche wie etwa acht Einfamilienhäuser, produziere aber rechnerisch Strom für 3000 Haushalte. Bezogen auf die gesamte Waldfläche auf dem Wackerberg, würden weniger als 0,1 Prozent des Gebietes von einer dauerhaften Versiegelung betroffen sein. „Hier werden absurde Gründe vorgeschoben, um Einzelinteressen zu verfolgen“, vermutet Esser.

Bürgermeister von Kall und Schleiden warnen vor Falschinformationen

Beim Bau eines Windparks werde schon aus Wirtschaftlichkeitsgründen soweit wie möglich auf bestehende Wege zurückgegriffen. Für die Dauer des Betriebs gehe die Pflicht zur Instandhaltung der Wege von den Kommunen auf den Windparkbetreiber über. Dieser müsse die Wege auf seine Kosten in Ordnung halten und im Winter auch räumen. Die Forstwege auf dem Wackerberg seien bereits gut ausgebaut, so dass nur wenig zusätzliche Wege zu den Anlagen nötig seien.

Ob ein Windpark auf dem Wackerberg überhaupt Realität werde, hänge von vielen Faktoren ab. Sollte es zu konkreten Planungen kommen, würden die Bürger frühzeitig einbezogen. Beide Bürgermeister raten dazu, sich bis dahin nicht von Falschinformationen beeinflussen zu lassen und die Motivation hinter Verlautbarungen zu hinterfragen.

Manfred Kanzler übergibt im Kloster Steinfeld die Petition an Beate Gilles.

Manfred Kanzler erläuterte Beate Gilles, Generalsekretärin der Deutschen Bischofskonferenz, das Anliegen der Interessengemeinschaft.

Manfred Kanzler, der mit seiner Frau im Haus Wackerberg lebt, hat die Bürgerinitiative gegründet und mehr als 1000 Unterschriften gesammelt, die er bei der Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Steinfeld überreicht hatte. Ziel ist, dass die Kirchengemeinde Olef für ihren Waldbesitz auf dem Wackerberg auf jegliche Verpachtung verzichtet.

Schon vor rund zehn Jahren habe es Pläne der Gemeinde für einen Windpark gegeben, so Kanzler. Das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW verzeichne in dem Gebiet acht Naturschutzgebiete und geschützte Biotope. Deshalb sei das Projekt seinerzeit still zu Grabe getragen worden. Inzwischen gehe es aber nicht nur um Fledermäuse, Rotmilane und Schwarzstörche. „Die Flut hat eindrucksvoll gezeigt, dass die Bäche und Flüsse nach Starkregenereignissen die Wassermassen nicht mehr ableiten können“, so Kanzler. Der Wald spiele auch beim Hochwasserschutz eine essenzielle Rolle.

Die Versiegelung des Waldbodens durch Betonsockel für Windräder und die Bodenverdichtung durch breite Zufahrtswege verhindere die Wasseraufnahme. Kanzler meint, dass bei einer Umsetzung der Windkraftpläne die Bewohner der Ortschaften rund um den Wackerberg noch größeren Gefahren ausgesetzt seien als im Juli 2021.


Bürgermeister kontern mit einem „Faktencheck“

Ihrer Erklärung haben die beiden Bürgermeister einen „Faktencheck“ hinzugefügt. Demnach benötigt jedes Windrad ein rund 1000 Quadratmeter großes Betonfundament. Zusätzlich werden für Wartungsarbeiten eine Kranstellfläche und eine Zuwegung gebraucht. Die dafür benötigten rund 2500 Quadratmeter werden durch verdichteten Schotter aber nur teilversiegelt. Regenwasser kann weiter normal versickern. Bei beispielsweise zehn Windenergieanlagen ergibt sich so eine dauerhaft vollversiegelte Fläche von einem Hektar. Dies macht weniger als 0,1 Prozent der Waldfläche auf dem Wackerberg aus.

Im Rahmen der Planung werden die Auswirkungen auf den Menschen, die Natur und die Landschaft im Rahmen des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsprozesses geprüft. Unvermeidbare Eingriffe werden kompensiert. Grundsätzlich werden als Standorte für Windräder intensiv forstwirtschaftlich genutzte Waldflächen wie Fichten- und Kiefernmonokulturen sowie durch Borkenkäferfraß und Sturm entstandene Waldschadensflächen genutzt. Wo Bäume weichen müssten, erfolge dies innerhalb der ohnehin geplanten Einschlagmengen, so die Bürgermeister.

Windenergieanlagen erzeugen laut Berechnungen des Umweltbundesamts je nach Modell und Alter schon innerhalb von zweieinhalb bis elf Monaten Betrieb die Energiemenge, die zu ihrer Herstellung erforderlich war. Weil sie im Schnitt etwa 25 Jahre laufen, erzeugen sie mindestens 40-mal mehr Energie, als für ihre Herstellung, Nutzung und Entsorgung nötig war. Erste Berechnungen für einen Windpark auf dem Wackerberg zeigen, dass eingerechnet aller ökologischen Eingriffe und dem Herstellungs- und Bauprozess pro Jahr rund 90.000 Tonnen CO₂ eingespart werden können. Die CO₂-Emissionen liegen bei 9 Gramm pro kWh.