Strom und Wärmee-regio will Klimaneutralität im Kreis Euskirchen in zwei Etappen erreichen

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Im Sonnenuntergang sind einige Strommasten und Leitungen zu sehen. Die Sonne hat die Wolken rosa gefärbt.

Bis 2035 will die e-regio den kompletten Ökostrom, der für den Kreis Euskirchen benötigt wird, in der Region produzieren.

Bis 2035 sollen alle e-regio-Kunden mit im Kreis Euskirchen erzeugtem Ökostrom versorgt werden, bis 2040 auch mit klimaneutraler Wärme. 

Das Kuchenheimer Energie-Unternehmen e-regio hat ein Ziel: Bis zum Jahr 2035 sollen alle Kundinnen und Kunden mit im Kreis Euskirchen erzeugtem Ökostrom aus Wind, Sonne und Biomasse versorgt werden. „Das ist machbar“, sagt Stefan Dott, Geschäftsführer der e-regio. Stand heute seien dafür 400 Gigawattstunden (GWh) nötig. „Die Hälfte des benötigten Ökostroms erzeugen wir bereits jetzt vor Ort“, so der Geschäftsführer im Gespräch mit dieser Zeitung.

Es gebe bereits Tage, an denen seitens der e-regio mehr Strom aus erneuerbaren Energien produziert als kreisweit verbraucht werde. „Das sind Tage, an denen der Wind weht, die Sonne scheint und beispielsweise am Wochenende nicht so viel Strom verbraucht wird. Wir sind also auf einem guten Weg“, so Dott.

130 Millionen Kilowattstunden produziert e-regio schon im Kreis Euskirchen

Allein durch die Wind- und Solarparks des Unternehmens im Kreis Euskirchen werden nach Angaben von Ilona Schäfer, Pressesprecherin der e-regio, aktuell rund 130 Millionen Kilowattstunden erzeugt – sieben Millionen davon entfallen auf Solarparks. „Insgesamt erzeugen wir mit allen unseren Anlagen mehr als 200 Millionen Kilowattstunden – ein Windpark liegt in Ormont/Stadtkyll und damit in Rheinland-Pfalz“, sagt Dott.

Wir machen uns unabhängig von unsicheren Energieimporten und knapper werdender fossiler Energie.
Stefan Dott, Geschäftsführer

Bis 2040 will das Unternehmen zudem die Region mit 100 Prozent klimaneutraler Wärme versorgen. „Wir machen uns unabhängig von unsicheren Energieimporten und knapper werdender fossiler Energie. Deren Preis wird auch aufgrund der CO2-Abgabe künftig stetig steigen“, so Dott.

Machbar sind nach Angaben des Geschäftsführers beide intern gesteckten Ziele. Aber sind sie auch realistisch? „Auf Tagungen, Kongressen oder Workshops höre ich nicht mehr die Frage, ob das technisch überhaupt möglich ist“, berichtet Dott: „Es geht schon lange nicht mehr um das Ob, sondern um das Wie.“ Für ihn stehe es außer Frage, dass der Kreis Euskirchen in absehbarer Zeit klimaneutral werde. „Was wir früher in zehn Jahren gemacht haben, machen wir heute in zwei bis drei Jahren“, so Dott.

Die Engpässe bei Material und Handwerkern bremsen zuweilen

Natürlich gebe es für den Ausbau der Erneuerbaren Energien Grenzen. So benötige ein Genehmigungsverfahren noch immer seine Zeit, was auch völlig in Ordnung sei. Und es gebe Engpässe bei Materialien oder Handwerkern. Aber man sei schon deutlich schneller geworden. Entsprechend sei man dem Ziel, klimaneutral zu werden, ein Stück näher gekommen und wolle den Weg weitergehen – alles mit dem großen Ziel: Klimaneutralität.

„Wir haben viel größeres Potenzial, das zu erreichen, als Köln, weil wir mehr Flächen für Erneuerbare Energien haben“, so Dott: „Wir haben bereits einiges in die Wege geleitet, aber wir haben auch noch viele Möglichkeiten, noch mehr zu tun.“ Ein weiterer Vorteil sei, dass man die Energiewende gemeinsam betrachten könne – Stichwort: kommunale Wärmeplanung.

Kommunen und e-regio arbeiten bei der Wärmeplanung zusammen

Zwei der elf Kommunen im Kreis Euskirchen haben die Aufträge für die Wärmeplanung noch nicht vergeben. Die übrigen neun lassen sie von der e-regio vornehmen. Das sind Blankenheim, Dahlem, Euskirchen, Schleiden, Hellenthal, Kall, Mechernich, Nettersheim und Zülpich.

Ob die e-regio auch für Bad Münstereifel und Weilerswist die Aufgaben übernehmen wird, hängt vom Zuschlag ab. Das Unternehmen ist nach eigenen Angaben bereit. Dott: „So ein Thema macht, genau wie der Hochwasserschutz, nicht an einer Kommunengrenze halt. Gemeinsam kann man da deutlich mehr erreichen.“

Doch was heißt es für die Menschen im Kreis Euskirchen, dass sich die meisten Kommunen intensiv mit der Dekarbonisierung – dem Umstieg von fossilen Brennstoffen auf kohlenstofffreie und erneuerbare Energiequellen – beschäftigen? „Wenn die Heizung noch funktioniert oder sich die defekte Heizung reparieren lässt, können die Bürger auf den Wärmeplan ihrer Kommune warten“, sagt e-regio-Geschäftsführer Markus Böhm: „Ob Nah- oder Fernwärme, Geothermie oder Wärmepumpe – es wird viele Möglichkeiten geben, um nicht mehr mit fossilen Brennstoffen heizen zu müssen.“

Die Verantwortlichen im Kreis Euskirchen setzen auf Energiemix

Dott und Böhm sind sich sicher, dass es auf den Energiemix ankommen wird. Es werde Neubaugebiete geben, in denen Erdwärme das Mittel der Wahl sei. Die Geothermie sei aber nicht überall möglich. Dann komme beispielsweise Photovoltaik zum Zug.

Die Visualisierung zeigt, wie das Baugebiet Seeterrassen in Zülpich aussehen soll.

Beim Baugebiet Seeterrassen in Zülpich setzt man auf ein Nahwärmenetz mit Bioethan. Erdwärme ist aufgrund der Nähe zum See dort nicht geeignet.

In den geplanten Neubaugebieten in Arloff-Kirspenich und den Seeterrassen in Zülpich ist die e-regio eine Kooperation mit dem Euskirchener Unternehmen F&S concept eingegangen, das die Neubaugebiete entwickelt. In Arloff-Kirspenich soll ein Nahwärmenetz entstehen, das auf Erdwärme als Energiequelle zurückgreift. Die Fläche für die Gewinnung der Erdwärme wird zusätzlich mit einer Photovoltaikanlage bebaut. So kann Strom für bis zu 230 Haushalte erzeugt werden.

Beim Projekt „Seeterrassen“ sei aufgrund der Nähe zum See Erdwärme nicht geeignet, so Dott. Dort ist die Energieversorgung mit einem Nahwärmenetz geplant. Es soll von einer zentralen, mit Biomethan betriebenen Wärmeerzeugungsanlage, unter Einsatz von Blockheizkraftwerken, versorgt werden.

In Euskirchen wird ein Pilotprojekt zur Fernwärmeversorgung geplant

Oder eben Fernwärme: Eine Möglichkeit der Energieversorgung, die in Euskirchen seitens des Unternehmens zu einer Art Pilotprojekt geworden ist. Statt kostenintensiv jedes einzelne Gebäude zu heizen, setzen die verschiedenen Kooperationspartner mit der e-regio beim neuen Quartier „Werk & Wiese“, das der Projektentwickler „Die Wohnkompanie NRW“ auf dem Areal der Westdeutschen Steinzeugwerke entwickelt, auf klimaoptimierte, vernetzte Versorgung des gesamten Areals.

„Das ist nachhaltiger und spart Kosten sowie Platz in den einzelnen Gebäuden. Dafür werden vorhandene erneuerbare Energiequellen vor Ort genutzt – beispielsweise regionales Biomethan“, so Böhm.

Wir haben vor drei Jahren alle erlebt, was Klimawandel bedeutet. Wenn wir jetzt nicht gegensteuern, haben kommende Generationen ein großes Problem.
Stefan Dott, Geschäftsführer

Für Dott kann das Wort „Klimawandel“ gar nicht hoch genug aufgehängt werden: „Wir haben vor drei Jahren alle erlebt, was Klimawandel bedeutet. Wenn wir jetzt nicht gegensteuern, haben kommende Generationen ein großes Problem.“ Der Weg sei anstrengend, aber er mache auch Spaß, sagt der ehemalige Leistungssportler.

Natürlich könne die Energiewende nicht von heute auf morgen passieren. So blauäugig dürfe man nicht sein, so Dott: „Wir sind ein Industrieland. Da müssen wir mit allen Komponenten aufgeräumt umgehen.“ Es sei aber nicht nur wichtig, sich Ziele zu stecken, sondern sie auch anzugehen.

Gespräche zu Wind- und Solarparks werden derzeit geführt

Zu Windrädern im Allgemeinen und im Speziellen im Wald hat Dott eine klare Meinung: „Es ist wichtig, die Interessen abzuwägen. Ich kann nicht jedes Einzelziel, beispielsweise Windräder in einem Waldgebiet zu verhindern, dem großen Ganzen, und damit den Klimawandel zu verhindern, überordnen. Es gibt Ziele, die überlagern andere. Sonst kommen wir nicht weiter.“ Doch weiterkommen will die e-regio. „Aktuell befinden wir uns in Gesprächen zu mehreren Windparks“, so Dott. Zudem will das Unternehmen die Solarparks entlang der Infrastrukturtrassen ausbauen.

Der jüngste Windpark ist vor zwei Jahren zwischen Rohr und Reetz ans Netz gegangen. Die vier Anlagen sind bis zu 230 Meter hoch und sorgen nach Angaben des Unternehmens für mehr als 46 Millionen Kilowattstunden Ökostrom.

Scheitern könne die Energiewende daran, dass die Menschen nicht mitgenommen oder Gesetze schlecht kommuniziert werden. Oder aber an Ressourcen. „Wenn wir das gesamte Energienetz umbauen wollen, brauchen wir auch Handwerker, Monteure und Materialien“, so der Geschäftsführer der e-regio.

Bei dem Unternehmen arbeiten aktuell etwa 450 Mitarbeiter. Bei den Zielen dürfte die Zahl wohl eher steigen. Der Grund: Die Energiewende im Allgemeinen, das Thema Wasserstoff eventuell auch im Speziellen. Denn auch Wasserstoff als Energiequelle hat das Unternehmen ebenso auf dem Schirm. So sei nicht auszuschließen, dass durch heutige Gasleitungen in einigen Jahren Wasserstoff fließe. „Der Wasserstoff gehört zum Energiemix“, so Dott.


Große Einsparungen an Kohlendioxid

Das Unternehmen e-regio hat nach eigenen Angaben die Menge an Strom, die aus Wind- und Sonnenenergie erzeugt wird, von 13,6 Millionen Kilowattstunden im Jahr 2014 auf 203,9 Millionen Kilowattstunden im vergangenen Jahr gesteigert.

Allein im Kreis Euskirchen sind laut Ilona Schäfer, Pressesprecherin der e-regio, durch die Wind- und Solarparks des Unternehmens im Jahr 2023 rund 130 Millionen Kilowattstunden erzeugt worden. Bei einem Verbrauch von rund 3500 kWh pro Jahr, was einem Drei-Personen-Haushalt entspricht, lassen sich mit dem Strom aus erneuerbaren Energien etwa 60.000 Haushalte versorgen.

Dem Unternehmen zufolge lassen sich durch den selbst erzeugten, regionalen Strom jährlich etwa 150.000 Tonnen Kohlenstoffdioxid (CO2) einsparen. Das wiederum entspreche mehr als 24.650 Erdumrundungen mit dem Auto. 


Kooperation mit Regionalmarke Eifel

Die e-regio geht eine neue Kooperation ein. Das Unternehmen ist neuer Energiepartner der Regionalmarke Eifel. „Es kommt nicht oft vor, dass Unternehmen auf unsere Marke aktiv zukommen und sich unserem eifelweiten Qualitätsnetzwerk anschließen wollen. Hier danken wir den Verantwortlichen von e-regio für die Entschlossenheit und das Vertrauen in die Regionalmarke“, sagt Markus Pfeifer, Geschäftsführer der Regionalmarke. 

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