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Mehr als 50 Kinder aufgenommenFirmenicher blicken auf Leben als Erzieher zurück

Lesezeit 4 Minuten

Tiere gehören seit jeher zum Familienalltag auf dem Hof von Herbert und Gabi Lorbach, hier mit Susanne Beckschwarte (r.).

  1. Seit 1991 haben Gabi und Herbert Lorbach Kinder auf ihrer Hofanlage in Firmenich betreut.
  2. In ihrer Familienintensivgruppe fanden seitdem 54 Kinder ein Zuhause auf Zeit.
  3. Für manche ehemalige Bewohner sind die Lorbachs auch heute noch „Mama“ und „Papa“.

Firmenich/Urft – Wenn Gabi und Herbert Lorbach ihr Leben Revue passieren lassen wollen, dann brauchen sie nicht weit zu gehen. Ein Blick auf ihre Gartenterrasse genügt. Dort liegen 42 Steine mit Namen von nun erwachsen gewordenen Menschen, die als Kinder bei ihnen gelebt haben. 42 von insgesamt 54 Kindern, die in der Hofanlage in Firmenich ab 1991 einen Platz in der Familienintensivgruppe gehabt haben.

„Die Steine haben wir, als wir das Ehepaar Lorbach in die Rente verabschiedet haben, als Gruß der Menschen ausgelegt, die hier als Kinder gelebt haben“, erläutert Susanne Beckschwarte, Leiterin des Hermann-Josef-Hauses in Urft. Gerd Schöneborn, einer ihrer Vorgänger, hatte mit dem Ehepaar Lorbach die Gruppe unter dem Schirm des damaligen Katholischen Erziehungsvereins der Rheinprovinz ins Leben gerufen.

42 Steine mit Namen von ehemaligen Pflegekindern säumen die Terrasse im Garten der Lorbachs.

Familienleben auf Zeit

„Ich hatte die Idee, als ich im Rahmen meiner Ausbildung als Erzieher mein Anerkennungsjahr in der Familiengruppe in Steinfeld bei dem Ehepaar Joisten machte“, erinnert sich Herbert Lorbach an die Anfänge. Damals sei klar gewesen: „Das können wir auch.“ Das Grundkonzept einer Familienintensivgruppe besteht aus einem Erzieher-Ehepaar, das in seinem eigenen Haus Kinder betreut – unter der Aufsicht des Landesjugendamtes und des Trägervereins. Auch die leiblichen Kinder des Ehepaares Lorbach, damals acht und 13 Jahre alt, mussten zustimmen. Bis im vergangenen Jahr arbeitete eine der Töchter, mittlerweile auch ausgebildete Erzieherin, in der Gruppe mit, genauso wie über viele Jahre die Mutter von Gabi Lorbach. „Die Idee war, den Kindern ein Leben in der Familie auf Zeit zu geben“, beschreibt Herbert Lorbach den Ansatz.

Wichtiger Teil der Jugendbetreuung

Träger der Tätigkeit des Ehepaares Lorbach war der Katholische Erziehungsverein der Rheinprovinz, der auch Träger des Hermann-Josef-Hauses in Urft ist. 2019 wurde der Verein umgewandelt und heißt nun KEV Betriebsführungsgesellschaft mbH, wobei KEV für Katholischer Erziehungsverein steht.

Familienintensivgruppen sind ein wichtiger Teil der Jugendbetreuung. „Es gibt wenige, die sich darauf einlassen“, bedauert Susanne Beckschwarte. Nur in Marmagen gebe es zurzeit noch eine derartige Gruppe.

Junge Erzieherinnen und Erzieher würden sich lieber für ein unabhängigere Lebensgestaltung entscheiden. Denn das eigene Leben, so bestätigen die Lorbachs, sei durchaus eingeschränkt.

Freunde und Bekannte hätten ihr Engagement stets mitgetragen und in Kauf genommen, dass bei gemeinsamen Terminen mit etwas Unvorhersehbaren zu rechnen war . „Es ist eine Berufung“, so Herbert Lorbach. Bereut hätten er und seine Frau ihr Engagement nie. „Es war immer wieder schön, jemanden aufwachsen zu sehen“, sagt Gabi Lorbach. (sev)

Mit zwei Pflegekindern begannen die Lorbachs ihre Tätigkeit, später waren es bis zu sechs. „Der erste Junge ist zwölf Jahre bei uns geblieben und lebt jetzt hier im Ort“, sagt Gabi. Doch so erfolgreich sei es nicht immer gewesen. „Man denkt immer, eine Familie sei perfekt für kleine Kinder“, so Beckschwarte. „Doch für manche ist es zu viel“, ergänzt Herbert Lorbach. So hätten einige Kinder die Gruppe wieder verlassen müssen, weil diese für sie nicht das richtige Umfeld gewesen sei. „Das mussten wir in den ersten zwei Jahren mit psychologischer Unterstützung lernen“, erinnert sich Gabi Lorbach. Das Prinzip „Lasst die Kindlein zu uns kommen“ funktioniere eben nicht, die Wirklichkeit sehe anders aus.

Immer ein Experiment

Manche Kinder hätten auch Probleme gemacht, seien abgehauen oder hätten Zerstörungen hinterlassen. „Es ist eben keine Regelbetreuung, es ist eine Intensivbetreuung“, betont Susanne Beckschwarte. Damit sei es auch immer ein Experiment, das aber nicht tragbar sei, wenn die Situation eskaliert.

Doch für viele der Kinder und Jugendlichen, die zu den Lorbachs kamen, sei die Familie der richtige Ort gewesen. „Mama“ und „Papa“ seien sie auch heute noch für manch einen ihrer Ehemaligen. Durch das gemeinsame Kochen und Backen, allerlei Projekte und nicht zuletzt die Urlaubsfahrten nach Spanien, Ungarn oder Langeoog erlebten die Pflegekinder das Leben im Familienverbund.

Flüchtlingskinder aufgenommen

2015 kamen mit der Flüchtlingswelle unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in das Haus in Firmenich. Normalität sei immer oberstes Gebot gewesen, erzählt Herbert Lorbach. Die Kinder hätten ihren festen Plan gehabt, was zu tun ist. Auch im Dorf seien sie gut integriert gewesen, etwa bei der Feuerwehr oder im Musikverein, fügt seine Frau hinzu.

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Eine Besonderheit der Familie Lorbach sei der Einsatz tiergestützter Pädagogik gewesen, berichtet Susanne Beckschwarte. „Die beiden haben das gemacht, da wusste noch keiner, dass das so heißt“, scherzt sie. So hätten immer Hunde, Ponys, Schafe oder Ziegen, Enten, Gänse und Hühner auf dem Hof in Firmenich gelebt. „Wir haben festgestellt, dass das gut für die Kinder ist“, so der Familienvater und Erzieher.

„Tiere schaffen einen ganz anderen Zugang zu Gefühlen“, weiß Beckschwarte. Auch im Hermann-Josef-Haus in Urft werde erfolgreich mit Tieren gearbeitet. „Die Kinder gehen dann weg von ihren Belastungen“ , so die Heimleiterin.