14 Tätowierer haben in Kommern einige Kunden glücklich gemacht, auch wenn ihre Dienste mehr als 100 Euro pro Stunde kosteten.
Bürgerhalle KommernEine Ranke für den Hund – Tattoo-Convention lockt Neulinge wie Fans
Die Bürgerhalle Kommern hat sich an diesem Wochenende in eine „Tattoo Convention“ verwandelt. 14 Tätowierer aus der Region, NRW und Norddeutschland sind gekommen und bieten ihre Dienste an. Die Kunden zahlen dafür mehr als 100 Euro die Stunde.
Bis auf Rap-Musik herrscht leise Geschäftigkeit in der Bürgerhalle. Geräuscharm und sauber soll es sein – Letzteres fordert das Gesundheitsamt: Tätowierer müssen bei der Arbeit Handschuhe tragen, die Liegen in den Kojen sind mit Schutzfolien abgedeckt, die Arbeit soll hygienisch sauber sein, „Tat-Guns“, „Liner“ und „Shader“ am besten steril. Dennoch heißen die Kunden in der Szene gerne „Opfer“. 14 Tattoo-Studios warten in Kommern auf sie. Nach Einschätzungen des Veranstalters sind wie bei vergleichbaren „Conventions“ einige Hundert Besucher gekommen, ein Drittel davon opferbereit.
Mechernicherin will die Liebe für ihre Hunde verewigen
Tätowiererin Andrea Nagy, die ihr Tattoo-Studio in der Zikkurat in Firmenich betreibt, nennt es „eine Grenze überschreiten“: Wer sich ein Tattoo stechen lasse, der „entdecke so viele neue Möglichkeiten, sich auszudrücken“, so die Frau an der „Tat-Gun“.
Kim aus Mechernich, die Andrea gerade vertrauensvoll das rechte Handgelenk überlässt, damit diese unter dem OP-ähnlich hellen Licht millimetergenau arbeiten kann, ist jedenfalls glücklich. „Ich lasse mir eine kleine Ranke stechen, mit zwei Herzblüten für meinen verstorbenen und meinen derzeitigen Hund“, sagt sie.
Die Zeichensprache solle nicht jeder und jede verstehen, so Kim. Sie ist für „Convention“-Veranstalter Christoph Umblia aus Firmenich eine Art Novize: Die „Ranke“ gehört zur Kategorie „Small“, doch damit fange es ja immer an, sagt er. Am Ende des Tages werden er und eine Jury einen „Contest“ veranstalten: die „Opfer“ bekommen ihr „Andenken“ und die Tätowierende erhalten eine Medaille. Bewertet werden das schönste „Small“-Tattoo, das „Best of Crazy“, der gelungenste Stich in „Black and Grey“ und in „Colour“.
Das interessiert dann auch die szenetypischen „Jäger und Sammler“, wie Umblia sie nennt: Tattoo-Fans, deren Maximum die Ganzkörpertätowierung ist. Sie besuchen die „Conventions“, weil sie eine Arbeit von einem der hochgehandelten Stars der Szene haben wollen und dafür bei einem Stundensatz von zwischen 100 und 150 Euro gerne tief in die Taschen greifen.
Zlatan Jungbluth aus Euskirchen wird in der Szene gehypt
Zlatan Jungbluth aus Euskirchen ist so einer, der gerade gehypt wird. Er gehe so exakt „wie ein Drucker“ an die Arbeit, beschreibt Zlatan das, was er gerade auch am Bein von Lukas begonnen hat. Eine „Scream“-Maske soll es werden. Die Vorlage hat der „Tat-Gunner“ auf Lukas' anderem Bein mit Tape befestigt.
Das gewünschte Tattoo soll sich in eine kleine Reihe von Horror- und Science-Fiction-Filmmotiven fügen. „Star Wars“, „Pennywise“ aus der Verfilmung von Stephen Kings „Es“ – Lukas gefallen Motive seiner Lieblingsfilme. Während Zlatan die Maske auf seinem Unterschenkel immer mehr „schreien“ lässt, streamt er auf dem Smartphone einen Horrorfilm.
Das werde ein „realistisches Tattoo, kaum Linien, viele Schattierungen“, erklärt Zlatan das Projekt, wahlweise ginge es auch „traditionell, mit starken Linien und satten Farben“.
Deutschlandweit gibt es um die 6000 selbstständigen Tätowierer
Matrosen auf See, die in unseren Breiten als die Ahnherren der Tattoos gelten, hatten Vergleichbares auf den Oberarmen: Anker, Seejungfrauen, Herz mit dem Namen der Liebsten. Das wäre dem 29-jährigen Lukas, der alterstechnisch ziemlich genau die Mitte der größten Zielgruppe der Tattoo-Fans (die 25- bis 34-Jährigen) markiert, vermutlich einfach zu banal.
Mehrere Tausend Euro habe er schon für die besondere Gestaltung seines Körpers zum Bild- und Symbolträger ausgegeben, berichtet er. Seine Frau habe er gefragt, ob sie was dagegen habe. Hatte sie nicht. So ist er eins der „Opfer“ von geschätzt bundesweit um die 6000 selbstständigen Tätowierern, die ihm oder Kim die Wünsche erfüllen. Jeder achte Deutsche soll angeblich schon eine große oder kleine Bildmarke in die Haut gestochen bekommen haben.
Mechernicherin will ganzen Körper tätowieren lassen
Dazu zählt auch Vanessa aus Mechernich, die entspannt auf der Liege gegenüber Tätowierer Patrick bei der Arbeit an einer „Medusa“-Schlange auf ihrem Oberschenkel zusieht. Der Mechernicher Tätowierer wird die Arbeit in „Black and Grey“-Technik mit vielen Schattierungen und starken Konturen stechen. An die sechs Stunden, schätzt Vanessa, werde es wohl dauern.
Auf einem ihrer Oberschenkel hat sie sich schon eine „Herz-Gehirn-Marionette“ verewigen lassen, auf dem anderen Liedzeilen der Deutsch-Rapperin Jennifer Rostock aus ihrem Song „Hengstin“, den sie offenbar US-Megastar Meghan Thee Stallion gewidmet hat: „Reiß dich vom Riemen/Es ist nie zu spät/ Denn ein Weg entsteht erst/ wenn man ihn geht“.
Vanessa hat sich auf den Weg zur Volltätowierung gemacht. Tabuzonen auf ihrem Körper gebe es nicht: „Wenn sonst nichts mehr frei ist, sind die Brüste dran“.