392 Interessierte schlossen sich den vier Gruppen der Silvesterwanderung durch das Bergwerksgelände der Grube Günnersdorf in Mechernich an.
SilvesterwanderungenIn Mechernich stand einst der höchste Schlot der Welt
Das Strahlen wollte gar nicht mehr aus dem Gesicht von Günter Nießen, dem Vorsitzenden des Fördervereins des Mechernicher Bergbaumuseums, weichen. 392 Teilnehmer hatten die vier Gruppen, die sich bei der Silvesterwanderung auf den Weg durch das ehemalige Bergwerksgelände der Grube Günnersdorf in Mechernich machten.
Damit stellte die Veranstaltung, die nach einer mehrjährigen Pause erstmals wieder stattfand, einen Rekord auf. Den Vogel schoss dabei die Gruppe ab, die sich als letzte auf den Weg machte: Hier gab es allein 165 Teilnehmer.
Nach der Flut hatten Berg- und Ordnungsamt die Wege gesperrt
Zwei Jahre Corona hatten es dem Museumsverein unmöglich gemacht, die traditionelle Wanderung zu veranstalten. Als im vergangenen Jahr dann wieder die Möglichkeit bestand, größere Menschenmengen zusammenkommen zu lassen, war allerdings das ehemalige Bergwerksgelände nicht zugänglich, weil das Bergamt und das Ordnungsamt der Stadt Mechernich nach der Flut die Wege gesperrt hatten.
Doch nun sollte alles wieder so sein wie vorher. Wie viele Menschen allerdings das Angebot annehmen würden, sich von einem sachkundigen Führer durch das ehemalige Bergwerksgelände führen zu lassen, war ungewiss. So waren anders als in den Vorjahren, als sechs Termine zur Auswahl standen, in diesem Jahr nur vier Termine vorgesehen gewesen.
Zwei Streckenlängen wurden dabei angeboten: Die Wanderer konnten sich entweder auf eine fünf oder eine elf Kilometer lange Wanderstrecke begeben. Als Wanderführer waren Ralf Ernst, Rolf Sieger, Toni Reitz und Willi Stoboy unterwegs.
„Die Wege sind sehr aufgeweicht“, sagte Stoboy, der noch am Vortag die Probe aufs Exempel gemacht hatte und die Strecken abgegangen war. Das sei nichts für die Träger von Halbschuhen, warnte er die Gäste vor dem Abmarsch. Doch davon ließ sich niemand abhalten, genauso wenig wie von dem strammen Wind oder dem Nieselregen am Silvestertag. An der Grillhütte hinter dem Museum wartete am Ende eine Stärkung auf die Zurückgekehrten.
„Ich habe schon oft über die Wanderung gelesen, bin aber erst vor drei Jahren von Freunden einmal mitgenommen worden“, sagte Johannes Schlösser. Er lerne dabei etwas über die Geschichte der eigenen Heimat, denn eigentlich lebe er nur eine Straße vom Bergwerk entfernt, und er sei außerdem oft mit dem Fahrrad im Bergwerksgelände unterwegs.
Mit ihm gingen Petra Klöckner und Holger Bittner auf Tour, die beide noch nie bei der Wanderung dabei waren. „Ich habe sie mit Kölsch und Bratwurst gelockt“, sagte Schlösser. „Wir feiern heute Abend gemeinsam, und das hier ist die Alibibewegung“, ergänzte Bittner scherzhaft.
Eine gute Entwicklung habe das Bergbaumuseum für das vergangene Jahr verzeichnet, teilte Nießen mit. Nicht nur, dass mit den Silvestergästen 7300 Besucher im Museum und seinen Einrichtungen gewesen seien. Auch sei es gelungen, drei neue Grubenführer zu gewinnen und fertig auszubilden. „Wir müssen uns verjüngen“, gab er die Devise aus. Viel Unterstützung bekomme das Museum dabei von der Stadt Mechernich.
Die Teilnehmer wanderten auch zu den Überresten des Langen Emil. Der Lange Emil war ein 134,6 Meter hoher Schornstein der Magdalenenhütte, der 1884/1885 erbaut wurde und zum Zeitpunkt der Fertigstellung der höchste Schlot der Welt war. Seinen Namen erhielt er von Emil Kreuser, einem Hauptaktionär und groß gewachsenen Mann. Der Schornstein wurde im Ersten Weltkrieg auf 127 Meter Höhe gekürzt und war von 1910 bis 1926 funktionslos.
Am 14. März 1951 wurde seine Spitze bei einem Erdbeben beschädigt. Er blieb bis zur Stilllegung der Magdalenenhütte am 31. Dezember 1957 in Betrieb. Am 28. Oktober 1961 wurde der Kamin gesprengt, nachdem ein Versuch am Vortag gescheitert war.
Lange Tradition der Silvesterwanderungen in Mechernich
Mit der alljährlichen Silvesterwanderung über den Mechernicher Bleiberg wird an die letzte Schicht der Grube Günnersdorf am 31. Dezember 1957 erinnert. Viele der Betriebsstätten wurden seitdem aus Sicherheitsgründen abgeräumt, doch zwischen Baltesbendener Weiher und dem Tagebaugebiet bei Kallmuth gibt es auch heutzutage noch viel zu entdecken.
Ins Leben gerufen wurde die Silvesterwanderung von Ernst Schoddel aus Strempt, der sich vor vier Jahrzehnten mit einer Gruppe von Interessierten vom Mechernicher Rathaus aus auf den Weg machte. Veranstaltet wird die Wanderung heute vom Förderverein Bergbaumuseum Mechernich, der 1992 gegründet worden ist. Er betreibt das Museum, das neben den oberirdischen Ausstellungsräumen an der Bleibergstraße auch die in den 1990er-Jahren wieder zugänglich gemachten Stollengänge unter Tage umfasst. (sev)