Ungewöhnliche LösungOpfer der Hochwasser-Katastrophe finden Bleibe im Wohnwagen
Mechernich-Obergartzem – Etwa drei Meter trennen den Wohnwagen von der Haustür der Finnenthals. Mobiles Wohnen im eigenen Garten – daran versucht sich eine 70-Jährige aus Obergartzem seit einigen Wochen. In die Ferne reisen will Anneliese Finnenthal aber nicht mit dem Camper. „Ich esse zehn Mon Chérie drauf, wenn ich endlich wieder in mein Haus kann“, verkündet sie.
Dass Finnenthal nun auf wenigen Quadratmetern vor der eigenen Haustür wohnt, ist der Flutkatastrophe geschuldet. Auch ihr Haus traf das Hochwasser Mitte Juli. „Um 18 Uhr habe ich noch den Hund rausgelassen, da stand das Wasser schon vor der Tür“, berichtet die Seniorin. Kurze Zeit später habe ihre Schwiegertochter versucht, sie aus dem Urlaub anzurufen.
Sauerstoffgerät gesichert
„Da haben wir aber schon niemanden mehr über Festnetz erreicht“, ergänzt Kristina Finnenthal, die Ehefrau von Anneliese Finnenthals Sohn Sascha. Der Anruf habe ursprünglich in keiner Verbindung mit der Flut gestanden, sagt sie weiter: „Wir wollten uns nur kurz aus dem Urlaub melden und erzählen, dass wir gleich lecker essen gehen.“ Als niemand abnahm, hat Finnenthal es über das Handy ihrer Schwiegermutter versucht, wie sie erzählt. „Da nahm dann ganz aufgelöst die Schwester meines Mannes ab und erzählte uns, was passiert war“, sagt sie weiter.
Wohnen im Container
Auch in Roitzheim lassen sich die Anwohner kreative Lösungen für ihre temporäre Bleibe einfallen: Karin und Willi Schmitz leben aktuell in einem Überseecontainer.
„Unser Haus steht direkt gegenüber“, sagt Karin Schmitz. „Mein Sohn ist mit der Familie bei den Schwiegereltern untergekommen, meine Tochter wohnt jetzt übergangsweise in einer Wohnung. Aber wir konnten nicht mit“, so Schmitz. Also habe ihr Sohn ihrem Mann und ihr den Container besorgt.
„Wir sind sogar ganz froh drum. Dann sind wir nah an der Baustelle“, sagt die 55-Jährige weiter. Voraussichtlich in der ersten Dezemberwoche kann das Ehepaar wieder in sein Haus ziehen. Auch zwei Hunde, zwei Hühner und eine Katze kehren dann mit den beiden zurück auf die andere Straßenseite. (enp)
Ab dem Zeitpunkt musste alles ganz schnell gehen, denn Anneliese Finnenthal leidet an der Lungenkrankheit COPD. Nachdem ihre Tochter sie „in einen Rollstuhl gepackt und weggerollt“ hatte, musste Finnenthals Sauerstoffgerät in Sicherheit gebracht werden. „Etwa eine dreiviertel Stunde, nachdem wir von der Katastrophe erfahren haben, hat meine Schwester mit ihrem Mann die Rettungsversuche allerdings aufgegeben. Sie hat dann angerufen und gesagt, dass das Wasser bereits durch die Fügen in der Küche kommt“, berichtet Sascha Finnenthal von dem Abend. Immerhin habe man im Nachhinein festgestellt, dass die Geräte unbeschädigt seien. „Meine Schwester und ihr Mann haben die wohl aufgebockt“, erzählt er.
Gesamtes Erdgeschoss muss saniert werden
Nachdem der erste Schreck überwunden und Sascha und Kristina Finnenthal ihren Urlaub abgebrochen hatten, stand die Familie allerdings vor einem Trümmerhaufen: Das gesamte Erdgeschoss muss saniert werden. Sohn Sven Finnenthal konnte weiter im ersten Stock wohnen, doch die Mutter der drei Geschwister musste übergangsweise ausziehen. „Meine Mutter hat sich geweigert, ins Hotel zu gehen“, sagt Sascha Finnenthal. Zudem sei es aufgrund der Flut auch nicht einfach gewesen, überhaupt eine Bleibe zu finden.
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„Dann kam uns die Idee mit dem Wohnwagen. Ich habe die Firma Travel Camper auf Ebay-Kleinanzeigen gefunden“, so Sascha Finnenthal. Gurkirat Chohan und Michell Marks, Inhaber des Overather Campingverleihs, hätten sich sofort bereit erklärt, der Familie einen Wagen zur Verfügung zu stellen. „Das ist ein Angebot, das wir aktuell für Flutbetroffene haben“, sagt Chohan. Nicht zum ersten Mal lassen sich die beiden Inhaber kreative Lösungen für besondere Umstände einfallen: Zuvor hatten sie Wagen vor Gastronomiebetrieben abgestellt und stundenweise vermietet. Dort konnten Kunden dann coronakonform ihre zubereiteten Speisen essen.
Die Kosten für den Wagen übernehme die Versicherung, wie Sascha Finnenthal sagt. An ihre temporäre Unterkunft gewöhnt hat sich seine Mutter allerdings noch nicht so recht. „Es ist sehr beengt. Und alles, was hier drinnen ist, gehört mir nicht“, sagt die 70-Jährige. Mit etwas Glück könne sie aber schon bald wieder in ihr altes Heim ziehen, so ihr Sohn: „Eventuell kann sie in einer Woche wieder rüber. Allerdings sollten die Arbeiten erst nur zwei Wochen dauern. Jetzt sind es schon fünf.“ Vor allem durch den Zusammenhalt der Familie sei die Situation aber tragbar. „Durch die Flut ist vieles zerstört. Die Leute kommen nicht mehr gerne in den Ort, weil viel gesperrt und kaputt ist“, sagt Anneliese Finnenthal. „Zum Glück fahre ich nicht mehr selbst. Ich lasse mich lieber von meinen Kindern fahren. Wie eine alte Dame“, ergänzt sie mit einem Lächeln.