AboAbonnieren

Lust aufs FeiernDamensitzung in Mechernich: Weitaus mehr Besucherinnen als im Vorjahr

Lesezeit 4 Minuten
Die fünf Musiker spielen auf der Bühne in Mechernich - wie gewohnt mit ihren Markenzeichen Kappe und Hosenträger.

Die Klüngelköpp hatten den Saal bei der Damensitzung stimmungstechnisch schnell im Griff.

Die Stimmung im Land ist mies, doch die jecken Wiever von Mechernich feiern umso mehr. Das zeigte die Damensitzung sehr eindrucksvoll.

Bei der Damensitzung der Prinzengarde Mechernich bestätigte sich eine alte Weisheit: Ist die Stimmung im Land schlecht, ist sie im Karneval umso besser. Das lässt sich sogar in Zahlen ablesen: Feierten im vergangenen Jahr 780 jecke Frauen auf der Damensitzung, waren es am Samstag 940.

Entsprechend gut gelaunt war Michael Hammer, neuer Vorsitzender der ausrichtenden Prinzengarde Mechernich, deren Bigband wie gewohnt für die Saalmusik sorgte, während Carsten Köhnen und Stefan Thur durchs Programm in der Mechernicher Mehrzweckhalle führten.

Hammer hat ein feines Gespür für die Gemütslage der Jecken rund um die Bleiberg-Stadt: „Wir merken, dass die Leute wieder feiern wollen. Die wollen raus, und das hier ist einfach die Hauptveranstaltung im Mechernicher Karneval.“

Zwei als Hippies verkleidete Frauen heben ein Tuch, das einen Bulli darstellen soll, und schauen aus den in Fensterform ausgeschnittenen Löchern.

„Groovy“ heißt offenbar der VW-Bulli dieser beiden Hippie-Mädchen.

Wie zur Bestätigung wurde schon der Auftakt im Saal lautstark bejubelt. Da zog das aktuelle Mechernicher Dreigestirn mit Prinz Joachim I. (Vossel), Bauer Werner (Echtner) und Jungfrau Johanna (Johann Klöcker), begleitet von den Vorsitzenden der drei örtlichen Karnevalsvereine samt Gefolge, auf die Bühne.

Mechernich: 940 Frauen feiern bei Damensitzung

Prinz und Jungfrau zeigten unter anderem eine eher gemütliche Choreografie im pompösen Ornat zu „Time of my Life“ von Bill Medley und Jennifer Warnes, die allerdings mit der „schwebenden Jungfrau“, getragen von Aktiven der Entourage, erst in den ersten Reihen des jecken Publikums endete.

Das war der gelungene Beginn eines gut gemischten Programms, im Wesentlichen zusammengestellt von der Kölner Agentur Alaaf. Mit dabei bekannte Redner wie „Willi und Ernst“ (Dirk Zimmer und Markus Kirschbaum aus Koblenz), Achnes Kasulke (Annette Eßer aus Kaldenkirchen) und zunächst Lieselotte Lotterlappen, eine glamouröse Travestie von Joachim Jung aus Limburg.

Klüngelköpp und Kempest Finest sorgten in Mechernich für Stimmung

Jung zeigte im Prinzip sein schon in der vergangenen Session auch in Mechernich vorgestelltes Programm. Es ist voller Zoten und Zweideutigkeiten – beim weiblichen Publikum aber kam das an. Gefeixe und Gejohle zu platten Wahrheiten über Menschliches, Sexualität und was so dazu gehört, spielen die Hauptrolle.

Ab und an aber streute Jung kleine Wahrheiten ein. Auf seine Frage ans Publikum, wer einen Mann habe, „der schnarcht, wenn er zu viel Alkohol getrunken hat“, erhoben immerhin rund fünf Prozent der 940 Frauen die Hand.

Im Glitzerlook präsentieren sich fünf Damen auf der Sitzung.

Vier „Disco-Kugeln“ aus Mechernich glitzerten in der Mehrzweckhalle.

Dann hielt es Lieselotte Lotterlappen nicht länger im spacken pinken Rock, und sie ließ wirbeln und kreisen, was die künstliche Hüfte und die opulente Pseudo-Oberweite hergaben: Ein Tänzchen zu „Leev Marie“ (Paveier), „Sweet Caroline“ (Neil Diamond) und „Dat es Heimat“ (Räuber).

Wir merken, dass die Leute wieder feiern wollen. Die wollen raus, und das hier ist einfach die Hauptveranstaltung im Mechernicher Karneval.
Michael Hammer, Prinzengarde Mechernich

Zum Jubel des Publikums endete die Show mit einem Trompetensolo. Dann verbeugte sich Lieselotte Lotterlappen, griff sich das abgestellte pinke Handtäschchen und machte die Bühne frei. Da hatte die Stimmung unter den 940 jecken Frauen schon ihren ersten Höhepunkt erreicht. Besser konnten es danach die Klüngelköpp als erste Kölsch-Rock-Band nicht vorfinden.

Auch 18 „Vogelscheuchen“ aus Watzerath bei Prüm klatschten begeistert mit. Man freue sich einfach auf alles, was da komme. In Mechernich hatte man sich zunächst bei einem späten Frühstück gestärkt, und jetzt stand das Pittermännchen auf dem Tisch bereit.

Nici Kempermann singt und gestikuliert.

In Aktion: Nici Kempermann, Frontfrau von Kempest Finest.

Die gute Laune war ja schon lange da. Dass 940 jecke Frauen fast exakt die doppelte Einwohnerzahl ihres Heimatdorfes ausmachen, wurde als Beispiel für im Alltag unnützes Karnevalswissen bezeichnet. Zwischen 18 und 72 Jahren alt war die „Vogelscheuchen“-Clique. Man habe schließlich einen Bildungsauftrag, auch die nächste Generation ans Feiern auf der Prinzengarde-Sitzung heranzuführen.

Die Frage nach den Favoriten der beiden „Teufelinnen“ Claudia und Helga aus Sinzenich ein paar Tische weiter war schnell benannt: „Brings!“ Warum die beiden nach Mechernich gekommen seien? „Das gehört für eine Session einfach dazu“, so Helga.

Wieso Köln? In Mechernich ist Karneval genauso schön

Ähnlich sahen es Nadine und ihre Freundinnen, „Disco-Kugeln“ im Glitzerkostüm: „Ich habe in Köln gelebt, da muss ich im Karneval nicht mehr hin, hier ist es genauso schön. Und wir treffen viele Frauen wieder, die wir kennen“, so Nadine.

Ob Teufelinnen, Vogelscheuchen, oder Glitzerkostümträgerinnen: Alle freuten sich auf einen langen Nachmittag mit den Räubern, Kuhl un de Gäng, Kempest Finest und der im Wesentlichen aus Männern bestehenden Tanzgruppe Rezag Husaren, bekannt für ihre temporeiche wie akrobatische Choreografie.

Das Konzept der Prinzengarde Mechernich war am Ende wieder einmal aufgegangen. Für den neuen PG-Vorsitzenden Michael Hammer war das ein guter Start in seine erste Session als Träger der Prinzengarde-Ehrenkette, die nur dem Vorsitzenden gebührt. Dass sie einer Bürgermeister- oder Schützenkönigskette stark ähnelt, auch das muss man nicht unbedingt wissen.