AboAbonnieren

EnergiewendeDarum ist der Wasserstoff im Kreis Euskirchen noch nicht massentauglich

Lesezeit 4 Minuten
Ein Schild mit der Aufschrift Wasserstoff ist auf einer Anlage zur Wasserstofferzeugung zu sehen.

Wasserstoff soll fossile Brennstoffe als Energiequelle ablösen, doch noch sind viele Hürden zu nehmen.

Das Iversheimer Unternehmen Peter Greven setzt auf dem Weg zur Klimaneutralität auch auf PV-Anlagen. Für Wasserstoff fehlt noch das Netz.

Ist Wasserstoff die Energiequelle der Zukunft? „Es läuft eher auf einen Mix hinaus, zumal kurz- und mittelfristig die Versorgung von kleineren oder auch mittelständischen Unternehmen mit Wasserstoff nicht vorgesehen ist“, sagte David Franzen, der Projektingenieur für Grüne Gase beim Unternehmen Neumann & Esser ist.

Das wiederum hat für die Industrie- und Handelskammern in NRW eine Studie mit dem Titel „Engpassfaktor Wasserstoff“ erarbeitet. In der Studie werden unter anderem die Anforderungen unter die Lupe genommen, die erfüllt sein müssen, um Wasserstoff zu einem Erfolgsfaktor bei der Energiewende zu machen.

Peter Greven: Energieverbrauch von 200.000 Menschen

Die Ausarbeitung wurde nun bei einem Runden Tisch zum Thema Wasserstoff im Kreis Euskirchen beim Iversheimer Unternehmen Peter Greven vorgestellt. Das Unternehmen, das weltweit tätig ist, hat allein in Iversheim einen jährlichen Energieverbrauch, der dem von etwa 200.000 Menschen entspricht. Klar, dass sich ein solcher Global Player mit der Energiewende beschäftigt. Auch mit Wasserstoff, wie Carsten Rader, Mitglied der Geschäftsführung, den etwa 30 Interessierten berichtete.

Kurz- und mittelfristig seien aber eher Freiflächen-Photovoltaik (PV)-Anlagen eine Möglichkeit, klimaneutraler zu werden. Das große Ziel, komplett klimaneutral zu agieren, will das Unternehmen bis 2035 realisiert haben. Laut Rader ist eine PV-Fläche auf dem Areal geplant, die 1,41 Megawatt-Peak erreichen soll. Eine weitere ist zwischen dem Werk und Eschweiler angestrebt und wird bereits geplant. Eine Baugenehmigung gibt es dafür noch nicht – dafür aber grünes Licht von der Bad Münstereifeler Politik.

Das Bild zeigt die Vertreter der Firma Peter Greven und der Euskirchener Politik sowie der Wirtschaftsförderung auf dem Firmengelände in Iversheim.

Bei Peter Greven in Iversheim tauschten sich die Experten mit Interessierten zum Thema Wasserstoff aus.

Ziel sei es, so Rader, bis zu 50 Prozent des benötigten Stroms auf dem Gelände zu produzieren und zu speichern – ohne Speicherkapazitäten sollen es etwa 30 Prozent werden. Man habe geprüft, ob die Parkplätze auf dem Firmengelände nicht überdacht und mit PV-Anlagen ausgestattet werden könnten. „Das ist ein großer baulicher Aufwand, der sich nicht wirtschaftlich darstellen lässt“, erklärte Rader.

„Wir werden auch nicht anfangen, auf dem Firmengelände Windräder zu bauen“, ergänzte Firmenchef Peter Greven. Damit regierte der Firmenchef auf eine Anregung vom Runden Tisch, ob Windkraftanlagen nicht eine zusätzliche Alternative sein könnten: „Ich sehe gegenüber Freiflächen-PV-Anlagen schon eine kritische Haltung aufkommen. Deshalb beschäftigten wir uns erst gar nicht mit Windrädern.“

Die Versorgung mit Wasserstoff ist in der Fläche noch ein Problem

Wie Franzen berichtete, gibt es in NRW 730.000 kleine und mittelständische Unternehmen (KMU). Das mache 99,3 Prozent aller Unternehmen des Landes aus. „Der Wasserstoff muss in die Breite kommen und genau daran hapert es“, so der Experte. Die Unternehmen RWE und OEG wollen nach eigenen Angaben in den nächsten sechs Jahren ein Wasserstoffnetz in Deutschland aufbauen, das mehr als 2000 Kilometer Pipeline umfasst.

Eine dieser Pipelines soll – so geht es zumindest aus dem jüngsten Plan zum Trassenverlauf hervor – durch Weilerswist verlaufen und damit den Kreis Euskirchen inkludieren. Doch in der Breite sei der Wasserstoff damit noch lange nicht, erklärte Franzen.

Und kostengünstiger als Erdgas sei er auch nicht – im Gegenteil. Franzen zufolge koste aktuell ein Kilo Wasserstoff etwa sechs Euro. „Der etablierte Erdgasmarkt ist da deutlich günstiger“, sagte der Ingenieur.

Experte: Engagierte Unternehmen werden ausgebremst

Der Aufbau des Kern-und Verteilnetzes sowie die Logistik für mögliche Letzte-Meile-Transporte mithilfe von Lkw seien frühestens 2032 abgeschlossen. Engagierte Unternehmen im Kreis Euskirchen würden dadurch ausgebremst. „Sie können sich zu Mehrkosten durch eine dezentrale Elektrolyse selbst mit Wasserstoff versorgen, benötigen dafür aber auch einen Zugang zu günstigem Strom. In allen Fällen ist mit Mehrkosten gegenüber dem Erdgasbezug zu rechnen“, so Franzen.

Um einen Verbleib insbesondere der energieintensiven Unternehmen in den ländlichen Räumen NRWs langfristig zu gewährleisten, müssten diese Mehrkosten ausgeglichen werden. „Die Klimaschutzverträge sind ein Instrument, um diese Mehrkosten aufzufangen. Diese Förderung muss aber auch für den Mittelstand ohne zu starke bürokratische Hürden zugänglich gemacht werden“, sagte der Experte auch mit Blick auf den Kreis Euskirchen.

Zudem müssten die Kosten und die Zeitpläne für den Ausbau der nationalen Wasserstoffinfrastruktur transparent sein. Netzentgelte, Kosten für Zwischenhändler, Übergabepunkte vom Kern- ins Verteilnetz sowie Steuern und weitere Abgaben müssen den Unternehmen zugänglich sein. Franzen: „Unternehmen müssen jetzt in die Lage versetzt werden, Pläne für die Verringerung der CO₂-Emissionen zu entwickeln und entsprechend notwendige Investitionen zu bewerten. Unter der aktuellen Unsicherheit ist das nicht möglich und potenzielle Klimaschutzmaßnahmen werden weiter in die Zukunft verschoben.“


Förderung des Kreises Euskirchen

Das Zuschussprogramm für eine nachhaltige Wirtschaft im Kreis Euskirchen ist von 2500 auf 7500 Euro erhöht worden. Möglich gemacht hat das die Wirtschaftsförderung. Die Förderung kann von Unternehmen für Strategien der Transformation, bei der Verbesserung der CO₂-Bilanz oder zur Unterstützung bei der Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten genutzt werden.