Die Polizistinnen Julia Braun und Anke Weber setzen ein selbst geschriebenes Puppentheater zur Präventionsarbeit in Kindergärten ein.
PräventionSo sorgen Polizistinnen im Kreis Euskirchen bei Kindern für Sicherheit
Wenn in Julia Braun das Müllmonster erwacht, dann mutiert sie zum Bierkutscher. Nicht äußerlich wohlgemerkt, da bleibt sie die freundliche Frau, als die sie das Familienzentrum in Nettersheim betreten hat. Doch die Stimme ist wirklich bemerkenswert. Tief, rau, eben voll das Müllmonster, keine Frage. So stört es das Publikum auch überhaupt nicht, dass sie in Polizeiuniform als Puppenspielerin aktiv ist.
Denn das ist gerade in einer anderen Welt. Begeistert verfolgen die vier- bis sechsjährigen Kinder das kleine Theaterstück, mit dem Braun und ihre Kollegin Anke Weber von der Verkehrsunfallprävention der Kreispolizei nach Nettersheim gekommen sind. Knapp eine Dreiviertelstunde spielen die Polizistinnen das selbst geschriebene Stück um einen verschwundenen Zebrastreifen und das Geheimnis, wie eine Straße gefahrlos überquert werden kann.
Euskirchener Polizistinnen vermitteln mit Handpuppen die Verkehrsregeln
Eigentlich freuen sich nämlich die Erstklässlerinnen Sky und Trixie, dass auf dem Weg zu ihrer Schule endlich der lang ersehnte Zebrastreifen ist. Doch Sky hat leider vergessen, wie es über die Straße geht. Wie gut, dass Trixie eigentlich aus Berlin kommt und schon ganz fit im Verkehr unterwegs ist. Doch das Müllmonster stört sich an den sauberen, weißen Streifen und macht sie einfach wieder grau. Da muss schon die Polizei anrücken und dafür sorgen, dass das Monster aus dem Tiefschlaf in seiner Mülltonne erwacht und wieder alles in Ordnung bringt.
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So ganz nebenbei bringen die beiden Polizistinnen im Laufe der Handlung den Kindern die grundlegenden Verkehrsregeln bei. Immer wieder muss eine der Puppen über die Straße in der Mitte der kleinen Bühne gehen, jedes Mal werden die Grundregeln wiederholt. „Zaubersprüche“ nennen sie es. „Am Stoppstein ist halt, damit es nicht knallt“, macht klar, dass am Bordstein angehalten werden muss, um den Verkehr zu beobachten. Dann heißt es: „Zwei Mal sehen, dann erst gehen.“ Und schließlich: „Nicht rennen, nicht pennen.“ Fünfmal sprechen die Polizistinnen mit den Kindern während der Dreiviertelstunde diese Merksätze durch.
Doch noch viel mehr Themen haben Weber und Braun in das Stück gepackt. Die Elterntaxis bis zur Kitatür gehören dazu, wie man sich die Notrufnummer der Polizei merken kann – aber auch der Müll in der Landschaft, mit dem das Müllmonster die Umgebung seiner Mülltonne „dekoriert“ hat. Oder wie wichtig es ist, den Eltern zu sagen, wenn man etwas später nach Hause kommt.
Nicht zuletzt betreiben die Polizistinnen Sympathiewerbung für ihren Beruf. Erklärungen sind notwendig, denn sie kommen mit der polizeiüblichen Ausstattung in den Kindergarten, verzichten nur auf die Schutzweste. „Am Anfang erklären wir den Kindern unsere Ausrüstung, auch die Pistole und die Handfesseln“, erläutert Weber. Dabei dürften die Kinder auch einmal ihre Arme in die geschlossenen Handschellen stecken und feststellen, dass die für Kinder viel zu groß sind und sie die Hände problemlos wieder rausziehen können. „Wir sagen, dass die Handschellen nur für die Älteren sind. Das schafft Vertrauen. Für die Kinder sind wir Freund und Helfer“, sagt Weber.
In 45 Aufführungen sehen 2000 Vorschulkinder das Theaterstück
In der dritten Saison touren sie durch die Kindergärten im Kreis. Rund 45 Aufführungen sind nötig, bis die rund 2000 Vorschulkinder alle in den Genuss des Programms gekommen sind. Dazu kommt der Praxisunterricht, wenn mit einem Polizisten im Verkehr das Gelernte angewendet wird.
Dass Weber und Braun in ihrem Beruf mit Handpuppen unterwegs sind, haben sie nicht auf der Polizeischule gelernt. Eigentlich kommen beide aus dem ganz normalen Streifendienst. Vor sieben Jahren wurde Weber gefragt, ob sie nicht in der Unfallprävention arbeiten wolle, da sie ohnehin seit einiger Zeit den Schulkindern in Zülpich das richtige Verhalten im Straßenverkehr beibrachte. Zwei Jahre später lockte sie ihre Kollegin Braun zu der Abteilung. Vier Beamte sind derzeit in der Unfallprävention tätig.
Braun war es, die vor rund zwei Jahren einen Workshop in Puppenspiel im Rahmen der Fortbildung in der Präventionsarbeit absolvierte. Dozent war Bodo Schulte, der nicht nur Bert in der Sesamstraße spielte, sondern auch die Puppe von Käpt'n Blaubär in Bewegung brachte. Bei ihm lernte sie nicht nur das Spiel, sondern auch den Bau der „Klappmaulpuppen“, wie sie genannt werden.
Das Müllmonster und die Kulissen haben die Polizistinnen selbst erstellt
Jeder Workshopteilnehmer habe ein Stück entwickeln müssen. Als sie mal mit Corona zu Hause bleiben musste, sei ihr die Idee gekommen, sagt Braun. „Ick konnte mit dem Quatsch erst einmal nichts anfangen“, beschreibt Weber mit Berliner Schnauze ihre spontane Reaktion.
Trotzdem fuhr sie mit in ein WDR-Studio, als es darum ging, die richtigen Puppen zu finden. Hier entdeckte Braun Oskar aus der Mülltonne. Und sofort sei die tiefe Monsterstimme da gewesen. „Ich kann das stundenlang machen“, sagt Braun lachend. Doch der Original-Oskar durfte nicht verwendet werden, da die Rechte aus Amerika dafür nicht freigegeben wurden. Also war wieder Handarbeit angesagt: Das Müllmonster entstand während mehrerer Überstunden aus Fell und einem Handschuh. „Es ist rosa und grün geworden, weil ich kein anderes Fell bekommen habe“, gesteht Braun schmunzelnd.
Auch die Kulissen und die Straße mit dem Zebrastreifen haben die Polizistinnen von Hand gefertigt. „Unsere Chefin hat gesagt, sie habe gar nicht gewusst, dass Bügeleisen auch zur Polizeiausrüstung gehören“, scherzt Weber.
Im März feiert das neue Stück für Grundschulkinder Premiere
Sie kann bei dem Puppenspiel ihre Herkunft nicht verhehlen, der Berliner Dialekt verleiht der Puppe Trixie einen besonderen Charme. „Ick darf berlinern“, freut sie sich. Was den netten Nebeneffekt hat, dass es für die Platt sprechenden Kinder aus der Eifel vertraut klingen dürfte, wenn sie rät: „Erst mal kieken!“
Das mit dem Berliner Dialekt habe sich bei den ersten Proben mit den Handpuppen so ergeben, berichtet Weber. Wie überhaupt die Puppe auf der Hand eine besondere Wirkung entfalten kann, wie Braun bestätigt. „Als wir in diesem Jahr das Stück durchgegangen sind, war es zuerst schwierig, die Monsterstimme zu treffen“, so Braun. Doch dann sei sie in den Keller gegangen, habe das Müllmonster geholt, auf die Hand gesetzt, und sofort habe es geklappt.
„Das ist total schön für die Kinder“, sagte Jennifer Juli, Einrichtungsleiterin der Kita Engelgau. Die Erzieherinnen trainieren im Alltag, wenn sie mit den Kindern unterwegs sind, zwar auch immer die Verkehrsregeln: „Aber das hier ist ein Highlight, die Kinder fiebern darauf hin.“
Für März ist die Uraufführung eines neuen Stückes geplant. Diesmal stammt es aus der Feder von Weber, die wie ihre Kollegin eine krankheitsbedingte Auszeit für die Entwicklung nutzte. „Zeh war jebrochen, Kopf und Mund jingen noch“, konstatiert sie. Diesmal sind die Kinder in der Grundschule die Zielgruppe, Thema sind vor allem die Regeln beim Fahrradfahren. Aber auch Helme, Kindersitze im Auto und wieder Elterntaxis sind das Thema. „An die Eltern kommen wir nur über die Kinder ran“, verrät Weber mit einem Augenzwinkern.