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Sicherheit im ZochSchreiben aus Düsseldorf brachte Jecke im Kreis Euskirchen in Wallung

Lesezeit 6 Minuten
Tollitäten aus Frauenberg feiern auf einem Wagen bei Rosenmontagszug in Euskirchen.

Damit unbeschwert gefeiert werden kann, soll die Sicherheit der Wagen genauer geprüft werden.

Künftig schauen die Prüfer bei den Zoch-Anhängern wohl genauer hin. So reagieren Karnevalsfunktionäre und Organisatoren im Kreis Euskirchen.

Dass in diesen Tagen die Aufregung bei den Karnevalisten zunimmt, ist nicht außergewöhnlich. Doch es ist nicht nur der nahende Elfte im Elften, der den Puls der Jecken in Wallung bringt. Ein Schreiben aus dem NRW-Verkehrsministerium sorgte kürzlich ebenfalls für Stimmung, aber nicht durchweg für gute.

Im Zweifel müssen für die betreffenden Anhänger neue Betriebserlaubnisse erteilt werden.
Aus dem Schreiben aus dem Verkhersministerium

Seit Ende September macht das zweiseitige Schreiben die Runde. Darin wird den Bezirksregierungen mitgeteilt, wie die Sicherheit der Wagen in den Zügen geprüft werden soll. Die Verantwortlichen in den Verbänden und Vereinen reagieren darauf – getreu dem Motto „Jeder ist Jeck ist anders“ – höchst unterschiedlich. Einige sahen schon ein Bürokratiemonster und weitere Kosten auf sich zukommen. In einer ersten Reaktion schrieb der Regionalverband Rhein-Sieg-Eifel im Bund Deutscher Karneval von immer höher werdende Hürden.

Fest steht derzeit: Die Prüfer dürften bei der Abnahme künftig etwas genauer hinsehen, wenn es um die Sicherheit und Betriebserlaubnisse der Wagen und Anhänger für die Zöch geht. „In der Vergangenheit sind fehlende oder nicht ganz nachvollziehbare Dokumente einzelner Fahrzeuge in der umfassenden Gesamtbehandlung einer Veranstaltung ‚untergegangen‘“, formuliert es der Ministerialmitarbeiter vornehm in dem Schreiben an die Regierungspräsidien.

In einer ersten Reaktion zeigten sich einige Karnevalisten geschockt

In vielen Fällen werden ältere Anhänger, die ursprünglich für Land- oder Forstwirtschaft gebaut wurden, fürs Brauchtum genutzt, heißt es darin. Das sei grundsätzlich kein Problem. „Jedoch sind Fälle bekannt, in denen aufgrund des Alters und der vielen technischen Umbauten die ursprünglich erteilte Betriebserlaubnis als ‚normaler Anhänger‘ nicht mehr nachvollziehbar ist oder diese nie erteilt wurde.“

Schließlich geht es um die Personen- und Verkehrssicherheit sowie den Schutz der Betreiber, heißt es weiter: Darum sollen alle Fahrzeuge beziehungsweise Überprüfungen einzeln und nachvollziehbar dokumentiert werden. Und: „Im Zweifel müssen für die betreffenden Anhänger neue Betriebserlaubnisse erteilt werden.“

Ein bunt-leuchtendes Lichterschiff entert den Lichterzug in Eiserfey.

Erst die Sicherheit, dann das Vergnügen: Für die Organisatoren des Lichterzugs in Eiserfey ist das die Maxime.

Was aber genau heißt das jetzt für die Zoch-Organisatoren? Das fragten sich auch die Funktionäre vor Ort. An der Spitze der Präsident des Regionalverbandes Düren im Bund Deutscher Karneval (BDK), Ronald Reuter. Gerüchte über schärfere Regelungen geisterten schon länger durchs Land: „Wir wollten natürlich wissen, worum es geht“, erzählt Reuter.

Daher setzte sich der Vorstand mit dem TÜV in Verbindung – Kontakte, die ihm nun nach dem viel diskutieren Schreiben aus Düsseldorf zugute kamen. So war der TÜV bei der jüngsten Jahreshauptversammlung des Regionalverbands mit Vertretern der rund 140 Vereine namhaft vertreten. Das hat Reuter zufolge für Klarheit und Entspannung gesorgt.

Euskirchener Karnevalspräsident sieht keinen Anlass zur Sorge

„Ich sehe der Sache sehr gelassen entgegen“, sagt der Präsident: „Es hat sich nach unserem jetzigen Kenntnisstand nichts Weltbewegendes geändert.“ Es werde nichts zusätzlich geprüft, was bisher nicht auch geprüft werden muss: „Da wurde einiges falsch verstanden.“

Da wäre zum einen die Betriebserlaubnis für die Wagen. Die werde einmal erteilt und erlösche erst dann, „wenn er baulich so verändert wurde, dass es kein Wagen mehr ist“, so Reuter. Die Betriebserlaubnis sei erforderlich, sobald ein Fahrzeug mehr als sechs Kilometer in der Stunde auf die Piste bringen kann, also für fast alle Zoch-Wagen.

„Das schafft ja selbst ein Rasenmäher-Trecker“, sagt Reuter. Für Wagen, für die — aus welchem Grund auch immer – noch keine Betriebserlaubnis vorliege, müsse nun eine eingeholt werden.

TÜV Rheinland sorgt bei Jecken im Kreis Euskirchen für Klarheit

Auch das erforderliche Brauchtumsgutachten sei nichts Neues. Gerüchten, dass es 400 Euro pro Wagen kosten soll, habe der TÜV widersprochen. Im Gespräch seien 120 Euro. Dabei wird etwa geprüft, ob das Gefährt nicht zu hoch ist, um unter Brücken herfahren zu können, oder zu breit, um durch die Straßen zu kommen, ohne Jecke am Rande und im Zoch zu gefährden. Und ob der Wagen so belastbar ist, dass er hüpfende Narren, Kamelle und Kulissen tragen kann.

Nicht zuletzt müssten die Bremsen geprüft werden. Das allerdings ist für die Vereine mit einem gewissen Aufwand verbunden: „Der TÜV hat uns mitgeteilt, dass der Prüfer sich unter den Wagen legen können muss“, sagt Reuter: „Die großen Kölner Vereine haben vor ihren Hallen einen großen Platz, sodass die TÜV-Mitarbeiter dort vor Ort prüfen können.“ Damit kann aber nicht jeder Dorfverein aufwarten. Nicht selten stehen die Fahrzeuge in einer Scheune. In solchen Fällen müssten die Wagen an einem geeigneten Ort, etwa bei einer Prüfstelle, vorgezeigt werden.

Alles in allem bestehe aber kein Grund, den Frohsinn zu verlieren, so Reuter. In Videokonferenzen, an denen alle rund 2000 Vereine aus dem Westen und Norden des BDK-Gebietes teilnehmen können, werde der BDK Sektion Nord-West nochmals über das Thema informieren.

Auch die Versicherungen wollen Sicherheitsdokumente sehen

Stefan Guhlke lässt sich die Vorfreude auf die Session jedenfalls nicht vermiesen. „Ich habe in dem Schreiben nichts gefunden, was dazu Anlass bietet“, stellt der Präsident des Festausschusses Euskirchener Karneval fest: „Die genannten Dokumente haben wir im Zug immer bei uns.“ Auch die Versicherung lege auf geprüfte Wagen Wert.

Heinz Heimersheim, Vorsitzender der KG Feytaler Jecken, die den über die Region hinaus bekannten Lichterzug in Eiserfey veranstaltet, bleibt ebenfalls entspannt. Wichtig sei, dass weiterhin für spezielle Anhänger eine auf Brauchtumszwecke beschränkte Betriebserlaubnis erteilt werden könne. Und das gehe aus dem Schreiben ja hervor.

Wir können ja froh sein, dass es noch immer Leute gibt, die so verrückt sind, das alles auf sich zu nehmen.
Heinz Heimersheim, Vorsitzender der KG Feytaler Jecken

„Das Erteilen einer Betriebserlaubnis für ‚normale Anhänger‘ ist im Hinblick auf das Brauchtum problematisch“, heißt es dort. Viele An- und Aufbauten, etwa Stehplätze, seien nur zu tolerieren, weil es sich um einen speziellen Einsatzzweck handelt. Im Rahmen der Erteilung einer Betriebserlaubnis für Anhänger wären zahlreiche Arten von Aufbauten zunächst unzulässig. Sie aber von den An- und Aufbauten zu befreien, nur um eine Betriebserlaubnis („normaler Anhänger“) zu erteilen, wäre in vielen Fällen ein hoher Aufwand oder aufgrund dauerhafter Umbauten nicht möglich.

Ministerium stimmt Betriebserlaubnis nur für Brauchtumszwecke zu

Der TÜV Rheinland habe daher im Ministerium angefragt, ob diesen sehr speziellen Anhängern, die in der Praxis nur fürs Brauchtum eingesetzt werden, eine auf Brauchtumszwecke beschränkte Betriebserlaubnis erteilt werden könne. „Dem wurde seitens des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen zugestimmt“, ist dem Schreiben zu entnehmen.

„Das ist für uns wichtig“, atmet Heimerzheim auf. Die Sicherheit gehe natürlich vor, sagt der KG-Vorsitzende. Dennoch sollte Augenmaß bewahrt werden, um engagierte Karnevalisten finanziell und zeitlich nicht zu überfordern: „Wir können ja froh sein, dass es noch immer Leute gibt, die so verrückt sind, das alles auf sich zu nehmen.“

Beim Regionalverband Rhein-Sieg-Eifel ist inzwischen auch etwas Ruhe eingekehrt. „Nach dem Erlass war die Verwirrung groß“, sagt Präsident Horst Meurer. Eine Videokonferenz mit Vertretern des Ministeriums und des TÜV habe aber Klarheit gebracht. Nach Unfällen, bei denen Menschen zu Schaden kamen, wurde also lediglich auf Einhaltung von Regeln verwiesen, die bereits seit 1989 gälten. „Bislang wurden die aber sehr großzügig ausgelegt“, berichtet Horst Meurer.


Das steht im Schreiben aus dem NRW-Verkehrsministerium

Das viel diskutierte Schreiben aus dem NRW-Verkehrsministerium vom 26. September trägt die Überschrift „Einzelbetriebserlaubnis für Anhänger, die im Rahmen von Brauchtumsveranstaltungen eingesetzt werden“.

Es wird darin darauf hingewiesen, dass für Fahrzeuge, die schneller als sechs Kilometer pro Stunde fahren können, eine Betriebserlaubnis erteilt sein muss – und das treffe auf nahezu alle Fahrzeuge zu. Ein entsprechender Nachweis (etwa Kopie der Allgemeinen Betriebserlaubnis, Betriebserlaubnis im Einzelfall) müsse ausgestellt sein: „Damit werden die grundlegenden Anforderungen zur Gewährleistung der Sicherheit im Straßenverkehr durchgesetzt.“

Die Erteilung einer Betriebserlaubnis mit einer Beschränkung auf die Zwecke des örtlichen Brauchtums genüge sowohl den formalen Anforderungen der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften als auch den Bedürfnissen der Fahrzeughalter.

„Die allermeisten Fälle werden damit erfasst und unbürokratisch erledigt“, heißt es in dem Schreiben. Nur technisch ungenügenden Fahrzeugen, die auch sonst sehr kritisch zu betrachten wären, könne keine beschränkte Betriebserlaubnis erteilt werden. Werde für ein Brauchtumsanhänger eine beschränkte Betriebserlaubnis erteilt, schließe dies eine sicherheitstechnische Untersuchung ein.