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WirtschaftHandwerk: Darum müssen Kunden im Kreis Euskirchen länger warten und mehr bezahlen

Lesezeit 7 Minuten
Ein Kfz-Mechaniker begutachtet einen Schaden an einem Auto.

Wenn es nicht gerade ein Notfall ist, werden die Wartezeiten in den Handwerksbetrieben länger.

Die Konjunkturumfrage der Handwerkskammer wartet mit schlechten Zahlen für den Kreis Euskirchen auf. Es gibt aber auch einzelne Lichtblicke.

Michael Genger ist zufrieden. „Ich kann mich nicht beklagen, ich habe gut zu tun“, sagt der Installateur und Heizungsbauer aus dem Zülpicher Ortsteil Lövenich. Auch von den chaotischen Zuständen rund um das missglückte Heizungsgesetz hätten sich Branche und Kunden ganz gut erholt. Dass ihm in nächster Zeit langweilig werde, befürchte er nicht, so Genger: „Das Auftragsbuch ist gut gefüllt.“

Georg Stoffels wundert das nicht. „Etwa ein Drittel aller Heizungen in Deutschland sind älter als 20 Jahre“, sagt der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Aachen (HWK) und zieht eine Umfrage heran.     Da gehe noch was in der Zukunft. Überhaupt: Die Betriebe, die mit Klima zu tun haben, hellen das Bild der regionalen Wirtschaft auf, also Dachdecker, Elektroniker oder Installateure und Heizungsbauer.

Die wirtschaftliche Lage der Betriebe im Kreis Euskirchen ist leider schlechter als in anderen Regionen unseres Kammerbezirks.
Georg Stoffels, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Aachen

„Diese Gewerke profitieren weiterhin stark von der energetischen Sanierung der Gebäude in Deutschland und dem damit verbundenen Boom zur Erneuerung alter Heizungen“, so Stoffels bei der Vorstellung der Konjunktur-Herbstumfrage am Mittwoch. Auch den Tiefbauunternehmen geht es ganz gut: Dringend notwendige Milliardeninvestitionen in Straßen, Schienen und Brücken sorgen für eine gute Auftragslage.

Doch längst nicht alle Handwerker im Kreis Euskirchen schätzen die Lage und die Zukunftsaussichten so positiv ein wie Installateur Genger. Nachdem die Industrie- und Handelskammer Aachen vor wenigen Tagen basierend auf ihrer Befragung im Kreis Euskirchen unterdurchschnittliche Werte veröffentlichte, bieten die Zahlen der HWK ein ähnliches Bild. „Die wirtschaftliche Lage der Betriebe im Kreis Euskirchen ist leider schlechter als in anderen Regionen unseres Kammerbezirks“, fasst Georg Stoffels zusammen: „Überdurchschnittlich viele Betriebe, nämlich 43 Prozent, berichten von gesunkenen Umsätzen.“

Die Hoffnung auf Besserung ist im Kreis Euskirchen relativ gering

Schlechte Geschäftslage 76 Prozent der Handwerksbetriebe im Kreis schätzen ihre aktuelle Lage und ihre Aussichten für die kommenden Monate als gut oder zufriedenstellend ein — das bedeutet: Schlusslicht in der Region. Im Frühjahr waren es ebenfalls 76 Prozent, vor einem Jahr aber noch 82 Prozent. Das heißt im Umkehrschluss: Bei vielen Betrieben hat sich die Lage verschlechtert. Im gesamten Kammerbezirk schätzen 81 Prozent der Befragten die Lage als gut oder befriedigend sein. Spitzenreiter ist der Kreis Heinsberg mit 83 Prozent.

Kleiner Lichtblick Auch beim Blick in die Zukunft ist der Optimismus im Kreis Euskirchen kammerweit am geringsten ausgeprägt: 70 Prozent (Kammer 73 Prozent), so wenige wie sonst in keiner anderen HWK-Gebietskörperschaft, gehen von einer gleichbleibenden oder besseren Geschäftslage in den kommenden sechs Monaten aus, was angesichts der aktuellen Lageeinschätzung ohnehin ein bescheidener Ansatz ist.

Immerhin: Im Frühjahr blickten nur 61 Prozent der Chefinnen und Chefs im Kreis frohen Mutes in das folgende Halbjahr, vor einem Jahr waren es 66 Prozent. „Die Zahlen sind zwar etwas besser als im Vergleich zum Frühjahr 2024“, so die HWK: „Aufgrund des vielfach aber sehr negativen Ausblicks der Handwerksbetriebe kann noch nicht von einer Stabilisierung auf niedrigem Niveau gesprochen werden.“

Krise im Hochbau wirkt sich dramatisch auf Gesamtlage aus

Die Gründe „Der Neubau ist tot“, sagt Stoffels. Speziell die im Hochbau und im Ausbau von Gebäuden tätigen Unternehmen verzeichnen laut Kammer sinkende Auftragsvolumen und rückläufige Umsätze. Wenn aber der Bau kränkelt, trifft das auch viele andere Betriebe. „Durch die negativen Vorzeichen vor allem in weiten Teilen des Bauhaupt- und Ausbaugewerbes verharrt die Gesamtstimmung des Handwerks auf dem Niveau des Frühjahrs und verschlechterte sich gegenüber dem Herbst 2023“, so die HWK. Für den Kreis Euskirchen gelte das verstärkt, denn hier gebe es überdurchschnittlich viele Bauunternehmen, die zudem relativ klein seien.

Auch wenn die Kreditinstitute im Kreis kürzlich im Gespräch mit dieser Zeitung von einem wieder erstarkten Beratungsbedarf bei Baudarlehen berichteten – auf die Stimmung bei den Betrieben kann sich das noch nicht ausgewirkt haben. Zumal noch vieles unklar ist: Sinken die Zinsen weiter? Wie viele hoffen darauf und warten nur noch auf den richtigen Moment? Und was macht die Politik? Stoffels hätte da einen Tipp: den „Entbürokratisierungsturbo“ einschalten. Glücklicherweise, so die HWK, halte sich die Zahl der Entlassungen im Rahmen. Kurzarbeit und Schlecht-Wetter-Geld nutzten die Betriebe aber.

Fachkräftemangel: Betriebe halten an ihren Mitarbeitern fest

Beschäftigte Überhaupt: Die Firmen halten weitgehend ihre Beschäftigten. Vier von fünf Handwerksbetrieben im Kreis haben ihre Mitarbeiterzahl im vergangenen Halbjahr gehalten oder gesteigert, im Frühjahr meldeten das noch 75 Prozent. Ebenfalls ein Hoffnungsschimmer: 82 Prozent gehen davon aus, dass die Zahl der Mitarbeitenden gleich bleibt oder steigen wird, im Frühjahr gaben das noch 78 Prozent an.

Der Hauptgrund ist Stoffels zufolge das Ausscheiden der Babyboomer aus dem Berufsleben: „Die Unternehmen wissen in Zeiten des demografischen Wandels und des Fachkräftemangels um den Wert ihrer hoch qualifizierten Mitarbeitenden.“ 15 Prozent der Betriebe kammerweit vergrößerten im vergangenen halben Jahr ihre Belegschaft (Frühjahr: 9), und 65 Prozent (Frühjahr: 71) hielten sie konstant.

In den letzten fünf Jahren sind die Preise erschreckend gestiegen.
Wilfried Schmidt, Geschäftsführer des Autohauses Lückerath

Die guten Berufsaussichten überzeugten auch wieder mehr junge Menschen für den Schritt in das Handwerk. Zum Ausbildungsjahr 2024/25 begannen laut Kammer so viele Schülerinnen und Schüler wie seit zehn Jahren nicht mehr eine Lehre in einem der 130 Ausbildungsberufe im Kammerbezirk Aachen.

Steigende Preise Wer einen Handwerker braucht, muss wohl tiefer in die Tasche greifen. Im Schnitt liegen die Stundenlöhne laut Stoffels zwischen 50 und 80 Euro. „Knapp die Hälfte der Befragten geht von steigenden Verkaufspreisen aus, nur zehn Prozent erwarten einen Rückgang“, teilt die Handwerkskammer mit. Im Nahrungsmittelgewerbe steigen die Preise, weil die Grundnahrungsmittel teurer geworden sind, im Kfz-Bereich trifft das auf die Ersatzteile zu.

Steigende Preise für Ersatzteile machen Reparaturen teurer

„Das passiert schleichend“, sagt Wilfried Schmidt, Geschäftsführer des Autohauses Lückerath in Euskirchen: „Aber in den letzten fünf Jahren sind die Preise erschreckend gestiegen.“ Viel dagegen tun könne man nicht: „Die meisten Teile werden in China hergestellt.“ Preisvergleiche hätten dort wenig Sinn, weil sich alles schnell angleiche, so Schmidt.

Laut Kammer treiben auch die stetig steigenden Lohnnebenkosten die Handwerksinflation in die Höhe, da das Handwerk im Gegensatz zur Industrie einen sehr hohen Personalkostenanteil habe. „Das wird in vielen politischen Diskussionen zu oft vergessen“, kritisiert Stoffels mit Blick auf die aktuellen Debatten zur Erhöhung des Renten-, Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrags.

Zuweilen müssen Kunden drei Monate auf Handwerker warten

Wartezeiten für Kunden Wenn bei einem Kunden die Heizung ausfällt, ist Michael Genger natürlich bestrebt, schnell zu helfen. „Bei anderen Bauvorhaben dauert es aber schon mal drei Monate“, sagt der Lövenicher. Das entspricht den Erkenntnissen der HWK für den gesamten Kammerbezirk: „Bei Installateuren sind es knapp drei Monate, bis die neue Wärmepumpe oder die Gasetagenheizung verbaut werden kann.“

Auch die Kfz-Werkstätten hätten immer Slots, um Kunden im Notfall das Auto wieder auf die Straße zu bringen, sagt Stoffels: „Es muss niemand wochenlang mit dem Fahrrad fahren.“ Das bestätigt wiederum Wilfried Schmidt vom Autohaus Lückerath. Aber bei planbaren Reparaturen oder bei Reifenwechseln lägen die Wartezeiten inzwischen bei drei bis vier Wochen.

Denn trotz der Krise im Wohnungsneubau, so die Handwerkskammer, seien die Betriebe weiterhin sehr gut ausgelastet. Im Bauhauptgewerbe betrage die durchschnittliche Wartezeit auf die Realisierung eines Projekts knapp 15 Wochen, wobei es zwischen den Gewerken größere Unterschiede gebe. „Einen Zimmerer können Kunden im Schnitt nach knapp elf Wochen bekommen, während man auf einen Dachdeckertermin noch gut fünf Wochen länger warten muss“, teilt die HWK mit.

Ähnlich nachgefragt seien Elektrotechniker, deren Auftragsbücher zumeist für die folgenden 15 Wochen voll seien. „Darin zeigt sich die hohe Nachfrage nach PV-Anlagen, Balkonkraftwerken oder Wallboxen“, so Stoffels.


Das ist die Handwerkskammer Aachen

Anfang Oktober 2024 waren im Bereich der Handwerkskammer Aachen (HWK) insgesamt 17 459 Betriebe in der Handwerksrolle eingetragen. Die meisten Handwerksbetriebe davon sind in der Städteregion Aachen (6899), gefolgt von den Kreisen Heinsberg mit 3811 und Düren mit 3569 Unternehmen.

Nicht viel weniger Handwerksbetriebe gebe es im Kreis Euskirchen (3180), heißt es in einer Mitteilung der Kammer. Als regionale Dachorganisation vertritt die Handwerkskammer Aachen die Interessen der Handwerksbetriebe mit insgesamt knapp 85 000 Angestellten und etwa 5400 Auszubildenden.

„Mit einem Umsatz von rund zehn Milliarden Euro steuert das Handwerk jeden fünften Euro zum Bruttoinlandsprodukt in der Region bei und ist damit ein Garant für konstante Steuereinnahmen“, teilt die Handwerkskammer Aachen mit.