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BauerndemoPolitiker sprachen bei Kundgebung in Euskirchen – für einen gab es Pfiffe

Lesezeit 5 Minuten
Das Bild zeigt einen Ausschnitt aus der Menge.

400 Landwirte und Vertreter anderer Berufsgruppen nahmen an der Kundgebung in Euskirchen teil.

Die Bauern-Vertreter im Kreis Euskirchen freuten sich über den Auftakt der Proteste – und richteten klare Worte an die Politiker auf dem Podium.

Am Ende der Veranstaltung blickt Thomas Gräf in den Himmel. „Der liebe Gott muss ein Landwirt sein, sonst hätten wir nicht so gutes Wetter“, freut sich der Elsiger Landwirt. Das Führungsmitglied von „Land sichert Versorgung NRW“ ist einer der Organisatoren der Kundgebung am Montagmittag in Euskirchen.

Es ist der vorläufige Abschluss der Protestveranstaltungen der Landwirte im Kreis. 400 Menschen stehen nach Schätzung der Polizei auf dem Parkplatz am Erftstadion. Größtenteils Bäuerinnen und Bauern, aber auch Vertreter anderer Berufsgruppen, die sich solidarisch mit den Landwirten zeigen und denen die Politik der Bundesregierung ebenfalls bitter aufstößt.

Unser Protest heute ist ein weiterer Aufschrei gegen all die unverhältnismäßigen Belastungen aus der ideologiegetriebenen Küche von Scholz, Habeck und Lindner.
Helmut Dahmen, Vorsitzender der Kreisbauernschaft

Dahinter geparkt: Traktoren und Schlepper, versehen mit Plakaten. „Gesetze und Regeln ohne Verstand. Erst stirbt der Bauer, dann das Land“, ist auf einem zu lesen. Belegte Brötchen und Getränke werden gereicht. „Landwirtschaft ist ein wunderschöner Beruf“, ruft Gräf ins Mikro, „wenn uns nur die Politik nicht ständig gegen das Bein pinkeln würde.“

Ja, es fallen klare Worte in den gut 90 Minuten der Kundgebung. Doch es ist friedlich. „Die Ampel muss weg“, skandieren die Demonstranten immer wieder. Aber als ein Wagen mit einer Ampel am Galgen vorbeifährt, findet Kreisbauern-Chef Helmut Dahmen klare Worte der Distanzierung.

Das Bild zeigt die Bauern-Vertreter und Politiker auf der Bühne.

Markus Herbrand (FDP) spricht und erntet Pfiffe. Helmut Dahmen, Thomas Gräf sowie die CDU-Politiker Detlef Seif, Ralf Nolten und Klaus Voussem hören zu.

Auf der Bühne stehen die Bundestagsabgeordneten Detlef Seif (CDU) und Markus Herbrand (FDP). Auch die Landtagsabgeordneten Klaus Voussem und Dr. Ralf Nolten (beide CDU) sind da. Dahmen übergibt ihnen eine Resolution. Kern der Botschaft: Nehmen Sie die in den Blick, die heute hier zusammengekommen sind!

Dagmar Andres, SPD-Bundestagsabgeordnete aus dem hiesigen Wahlkreis, bekommt keine Resolution. Sie ist nicht gekommen. Trotz Einladung, wie Kreisbauern-Vorsitzender Helmut Dahmen im Gespräch mit dieser Zeitung betont.

Einigen Sozialdemokraten unter den Kreisbauern sei die Abwesenheit ihrer Genossin bitter aufgestoßen, fügt er hinzu. MdB Rüdiger Lucassen (AfD) habe man hingegen nicht eingeladen, so Dahmen. Von der AfD distanziere man sich als Kreisbauernschaft.

Kreisbauernschaft Euskirchen distanziert sich von der AfD

Die Politiker, die da sind, hören, was Dahmen ihnen und den Teilnehmern der Demo zu sagen hat – laut und deutlich. Die Politik der Bundesregierung sei „ein Generalangriff auf die Landwirtschaft“, ruft der Mechernicher. Großen Beifall gibt es dafür. „Unser Protest heute“, so Dahmen, „ist ein weiterer Aufschrei gegen all die unverhältnismäßigen Belastungen aus der ideologiegetriebenen Küche von Scholz, Habeck und Lindner.“

Kerosin für Flugzeuge bleibe unbesteuert, während die Erzeugung heimischer Lebensmittel durch Abschaffung der Agrardieselhilfe in ihrer Wettbewerbsfähigkeit massiv beeinträchtigt werde, stellt der Kreisbauern-Chef fest – und fasst es griffig zusammen: „Billig fliegen – teuer pflügen! Das soll verantwortliche Politik sein?“ Auf diese rhetorisch gemeinte Frage reagieren die Demonstranten abermals mit dem Ruf „Die Ampel muss weg“.

Die wissen da doch gar nicht, was wir hier leisten, die denken doch, wir wären die Vorstadtgärtner.
Thomas Gräf, Organisator, nimmt die Großstädter aufs Korn

Dann traut sich einer aus einer Ampelfraktion, nämlich Markus Herbrand (FDP), in die Höhle des Löwen. Anfangs gibt es vereinzelte Pfiffe, die mit Dauer seiner Rede jedoch zunehmen. Etwa als der FDP-Politiker zu erklären versucht: „Ich bin auch gewählter Politiker, um hier auf die enorm hohen Herausforderungen hinzuweisen, in denen dieses Land nicht erst seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine steckt.“

Auch dieser Satz des Gemünders kommt nicht gut an: „Die Haushaltslage lässt es auf absehbarer Zeit nicht mehr zu, Probleme einfach mit Geld zuzuschütten.“ Zumutungen seien nicht zu vermeiden, sagt Herbrand. Er konzediert aber, dass auch aus seiner Sicht die Landwirte übermäßig von den Sparmaßnahmen betroffen seien.

Dass die Regierung in der vergangenen Woche erklärte, die Kfz-Steuerbefreiung für landwirtschaftliche Fahrzeuge nun doch zu belassen, sei ein richtiger Schritt, so Herbrand. Ist weiteres Entgegenkommen der Regierung noch denkbar? „Wir werden darüber reden müssen“, antwortet der Gemünder am Rande der Demo auf die Frage dieser Zeitung. „Es gibt in der FDP-Fraktion durchaus Stimmen, die das möchten.“

Markus Herbrand (FDP) aus Gemünd hat schweren Stand bei Bauern

Die Eindrücke, die er an diesem Montag im Wahlkreis gewonnen habe, wolle er gleich nach der Kundgebung auch in der Bundestagsfraktion ansprechen – per Videokonferenz.

Ob da aber die Koalitionspartner mitmachen? Detlef Seif sieht vor allem die Grünen als Hemmschuh für eine bauernfreundlichere Politik.   „Ich finde es toll, wenn die Landwirtschaft sich so organisiert und auf ihre Anliegen aufmerksam macht“, sagt der CDU-Bundestagsabgeordnete aus Weilerswist.

Seif verweist in seiner Rede darauf, dass die Landwirte nicht im Stile eines Arbeitnehmers eine 37,5-Stunden-Woche haben, sondern ständig in Rufbereitschaft seien. Daher sei die Landwirtschaft seiner Meinung nach deutlich unterfinanziert: „Da kommen Sie auf einen Stundenlohn, da stehen einem die Tränen in den Augen“, ruft der Christdemokrat den Landwirten zu und erntet Applaus.

Dr. Ralf Nolten (CDU), landwirtschaftspolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion in Düsseldorf und Agrarwissenschaftler, ergreift ebenfalls das Wort. „Die Kürzungen sind nicht hinnehmbar“, ruft er. Vor allem bemängelt er, dass es an Wertschätzung für die Landwirte mangele. Die Pläne der Ampel-Regierung in Berlin bezeichnet Nolten als „Stückwerk“. Es gehe dabei allein ums Geldeinsammeln.

Grüße von Friedrich Merz sorgen in Euskirchen nicht für Begeisterung

Sein Kollege Klaus Voussem hält sich kurz, bekommt aber mit den meisten Beifall, als er sagt: „Ich habe in meinem politischen Leben gelernt, dass Bauern und Jäger die wahren Grünen sind.“

Dass die im Bund oppositionellen Christdemokraten es derzeit leichter haben, zu den Bauern zu sprechen, liegt auf der Hand. Doch die Bauern wissen damit umzugehen. Als Seif etwa den Versammelten „viele Grüße unseres CDU-Bundesvorsitzenden Friedrich Merz“ ausrichtet, hält sich deren Begeisterung eher in Grenzen.

„Wir werden Sie nicht an ihren Worten, sondern an ihren Taten messen“, stellt Thomas Gräf dann auch gleich mal in Richtung der CDU-Riege auf dem Podium klar. Also für die Zeit nach der Ampel.

Denn die aus seiner Sicht landwirtschaftsfeindliche Politik habe nicht erst mit der Ampel begonnen, sagt der Elsiger, der für weitere friedliche Aktionen, vor allem in den größeren Städten, plädiert: „Die wissen da doch gar nicht, was wir hier leisten, die denken doch, wir wären die Vorstadtgärtner.“

Die Menschen, die hier demonstrierten, so Gräf, „sind heute Morgen um vier Uhr aufgestanden und haben, bevor sie demonstriert haben, ihre Tiere versorgt. Das sind Leute, die wollen keine Vier-Tage-Woche oder 32-Stunden-Woche. Sie stehen Weihnachten, Ostern und selbst nach ihrer schlimmsten Sauforgie morgens im Stall.“ Das müsse auch mal gewürdigt werden. Dies, so Dahmen und Gräf, sei auch nur der Auftakt für die Landwirte, ein sehr guter Auftakt. „Es war einfach wunderbar“, so Thomas Gräf.