Seit jecken elfmal elf Jahren bestehen die Löstige Bröder aus Kall, die von Prinzessin Uschi I. (Saßmann) durch die Session geführt werden.
Löstige BröderDas närrische Zepter schenkte sich Prinzessin Uschi I. in Kall zum Geburtstag
Mit einem fulminanten Aufschlag starteten die „Löstige Bröder“ aus Kall in ihre Jubiläumssession. Elfmal elf Jahre, also 121 Jahre, weist der Kaller Traditionsverein inzwischen auf. Dazu ließen es die Bröder richtig krachen.
Allerdings war der Rahmen nicht ganz so groß, wie der Vorstand es gerne gehabt hätte. Denn da die Kaller Bürgerhalle immer noch nicht bespielbar ist, mussten die Kaller Karnevalisten ein weiteres Mal die Gastfreundschaft der Schevener Kollegen in Anspruch nehmen und in den Saal „Op de Kier“ einladen. Dieser allerdings bietet zwar Ambiente, allerdings sind die Platzverhältnisse beschränkt.
Rund 300 Zuschauer hätten Platz gefunden, so die Vorsitzende der Bröder, Simone Saßmann. „Deshalb konnten wir als Gastvereine nicht alle befreundeten Gesellschaften einladen, sondern mussten uns auf die Kaller Vereine beschränken“, bedauerte sie. Doch die Hoffnung auf die Wiedereröffnung der Bürgerhalle besteht weiter. Dort soll im Sommer ein Jubiläumsfest starten.
Geheimnis über neue Tollität wurde erst im Saal in Scheven gelüftet
Auch so gab es eine anständige Kulisse. Besonders laut wurde es, als das Geheimnis gelüftet wurde, wer im Jubiläumsjahr als Tollität die Herrschaft über die Kaller Jecken haben würde. „Unterstützt sie genauso, wie ihr mich unterstützt habt“, hatte der scheidende Vorjahresprinz Michael Schulz noch gebeten.
Ein Aufschrei war zu hören, als Sitzungspräsident Patrick Züll den Namen in den Saal rief: Prinzessin Uschi Saßmann, Mutter der aktuellen Vorsitzenden und jecke 33 Jahre im Verein. Zwei Tage vor der Proklamation hatte sie noch ihren 70. Geburtstag gefeiert. „Ich bin die älteste Prinzessin, die die Bröder jemals hatten“, rief sie. Sie sei am 11. November im Tanzbrunnen gewesen und habe überlegt, was sie sich selbst zum Geburtstag schenken könne, berichtete sie.
Schnell sei ihr klar gewesen: „Ich mache es!“ Auf der Bühne kam sie kaum aus dem Strahlen heraus, besonders, als Vorgänger Schulz, der sie in diesem Jahr als Prinzenführer unterstützen wird, ihr das Zepter überreichte. „Ich hoffe, ich halte das durch“, sagte sie bescheiden. Sie feiere gern, aber nicht mehr so oft, ließ sie durchblicken. Doch das Publikum machte deutlich, dass es wild entschlossen ist, Uschi I. lautstark durch die Session zu tragen.
Vielfältiges Programm begeisterte das jecke Kaller Publikum
Eine bunte Mischung aus Musik, Tanz und Büttenreden hatte der Verein für sein Publikum an diesem Abend aufgefahren. Nicht fehlen durften dabei die vielen Tanzgruppen, die unter dem Dach der „Löstige Bröder“ aktiv sind. Als Eisbrecher kamen Merle Schumacher und Eva Hilger auf die Bühne, die das Synchrontanzpaar der Kaller Karnevalisten bilden. Ihnen folgten Udo Hohn und Thomas Berschbach, die als „Der Een on der Anne“ ein Zwiegespräch auf die Bühne des Schevener Dorfsaales brachten. Viel Beifall erhielt das Herrenballett „Federwölkchen“ aus den Reihen der Bröder, dem die Musikgruppe „De Kloetschköpp“ folgte. Mit fetziger Musik und viel Akrobatik sorgte die Showtanzgruppe „Limitless“ aus Scheven für Aufsehen und so viel Applaus, dass auch sie nicht ohne Zugabe von der Bühne kam.
Ihren ersten Auftritt hatte in diesem Jahr Johanna Pütz als Solo-Tanzmariechen der Prinzengarde. In der vergangenen Session hatte sie noch krankheitsbedingt auf einen Auftritt verzichten müssen, doch in diesem Jahr holte sie es um so mehr nach. Mit ihrem Gardetanz wussten die Kallbachmücken zu überzeugen, die zum ersten Mal in ihren neuen Kostümen auf der Bühne zu sehen waren.
Für die Prunksitzung in ihrem Jubiläumsjahr hatten die Bröder zwei bekannte Namen engagiert. Neben dem Bauchredner Tim Becker war das „Fussich Julchen“, Marita Köllner, nach Scheven gekommen und unterhielt die Jecken mit ihren Hits. Mit der vereinseigenen Showtanzgruppe „K(n)allerperlen“ und der Musikgruppe „Zack“ ging die Sitzung schließlich in den jecken Endspurt über.
Aus der Vereinsgeschichte der „Löstige Bröder“ aus Kall
Ihr 121-jähriges Bestehen feiern die Karnevalisten in diesem Jahr. Damit wären die „Löstige Bröder“ der sechstälteste Karnevalsverein im Dürener Regionalverband – wenn 1904 tatsächlich das Gründungsdatum ist. Doch das ist alles andere als gesichert, denn sämtliche Unterlagen über die ersten Vereinsjahre sind den Zerstörungen der beiden Weltkriege zum Opfer gefallen, wie die Chronik zu berichten weiß.
Einzig eine Rosenmontagszeitung aus dem Jahr 1925 verweist auf 1904 als Gründungsdatum. Doch scheint auch vorher bereits Karneval in Kall gefeiert worden zu sein. So ist eine Zeitungsanzeige aus dem Jahr 1890 überliefert, in der eine „Carneval Gesellschaft Victoria Call“ zu einer Kappenfahrt und „Zug durch Call und Heisstert“ am Rosenmontag einlädt.
Bonbons wurden wochenlang einzeln verpackt
Wer die „Bröder“ aus der Taufe gehoben hat, ist genauso wenig überliefert wie das Gründungsdatum. Einigermaßen gesichert ist, dass Peter Mohr der erste Präsident war, der sein Amt an Peter Stollenwerk weitergab. Dieser führte den Verein bis 1950.
Sitzungen, so die Chronik, seien bereits vor dem Ersten Weltkrieg im Saal Gier gefeiert worden, der bis heute das Vereinslokal ist. Rosenmontagszüge wurden mit Handkarren und bis in die 1950er-Jahre hinein mit Pferdefuhrwerken gestaltet. Der dafür vorgesehene Kamellevorrat wurde günstig unverpackt eingekauft und die Bonbons über Wochen in Handarbeit in Papier gewickelt.
Immer wieder drohte die Vereinsarbeit einzuschlafen und wurde doch immer wieder neu belebt. Zuletzt geschah das im Jahr 1991 durch Peter Berbuir, Ferdi Saßmann und Dieter Forner, die nach dem Zugausfall wegen des Golfkrieges dem Verein zu einem Neustart verhalfen.