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Abwahlverfahren Kalls BürgermeisterCDU bezeichnet Initiator als „Demagogen“

Lesezeit 4 Minuten
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Das Rathaus in Kall (Archivbild)

Kall – Der Ton in der Auseinandersetzung um das von Bernd Züll angestrengte Abwahlverfahren gegen den Kaller Bürgermeister Hermann-Josef Esser wird rauer: Nachdem Züll in einem Beitrag der CDU im Amtsblatt der Gemeinde als „Demagoge“ und „Scharlatan“ bezeichnet worden war, forderte er eine Gegendarstellung.

Weil ihm diese zunächst verwehrt wurde, drohte Züll mit juristischen Konsequenzen. In der nächsten Ausgabe wird er nun seine Gegendarstellung veröffentlichen dürfen.

CDU-Gemeinderatsmitglied lobte Bürgermeister

CDU-Gemeinderatsmitglied Willi Frauenrath hatte in einem Artikel mit der Überschrift „Rückhalt für Bürgermeister Esser“ den Einsatz der Verwaltung in der Corona-Pandemie und der Flut gelobt: „Der Bürgermeister und seine Verwaltung, die durch eigenes Betroffensein, Pensionierung oder Verrentung, Abwanderung in höhere Besoldungen, Studium, Mutterschutz und Krankheit reduziert ist, arbeiten an allen Fronten am Anschlag und tun das Menschenmögliche. Neben dem Tagesgeschäft werden die Verwaltungsinfrastruktur wieder aufgebaut, Hilfsangebote koordiniert, Unterkünfte vermittelt, Gelder verteilt, Tiny-Häuser aufgestellt und, und, und.“

Das Verfahren

Nach Paragraf 66 der Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen kann der Bürgermeister einer Gemeinde vor Ablauf seiner Amtszeit abgewählt werden.

Für die Einleitung eines Abwahlverfahrens gibt es demnach zwei Möglichkeiten. Entweder stellt mindestens die Hälfte der gesetzlichen Zahl der Ratsmitglieder einen entsprechenden Antrag und eine Zwei-Drittel-Mehrheit des Rates stimmt dem zu. Zwischen dem Eingang des Antrags und dem Beschluss des Rats müssen mindestens zwei Wochen liegen. Über den Antrag muss ohne Aussprache namentlich abgestimmt werden. Oder in Gemeinden mit bis zu 50 000 Einwohnern müssen mindestens 20 Prozent der wahlberechtigten Bürger der Gemeinde dem Abwahlverfahren zustimmen. Bei knapp 10 000 Wahlberechtigten in Kall braucht man also rund 2000 Unterstützungsunterschriften (genau sind es derzeit laut Bernd Züll 1910). Die Unterschriften dürfen nicht älter als vier Monate sein.

Wenn sich dann bei der Wahl eine Mehrheit der abgegebenen Stimmen gegen den Amtsinhaber ausspricht und mindestens 25 Prozent der Wahlberechtigten abgestimmt haben, ist der Bürgermeister offiziell abgewählt. (wki)

Während die „Krisenbewältigung auf allen Ebenen in vollem Gange“ sei, trete nun ein „Demagoge auf den Plan, der die Klaviatur der sozialen Medien beherrscht und die Abwahl unseres Bürgermeisters“ fordere.

„Dazu nörgelt er herum, findet Fehler, wiegelt auf und überzieht Hermann-Josef Esser öffentlich mit den absurdesten Vorwürfen und ehrabschneidenden Unterstellungen. Vermeintlich dumme Ratsbeschlüsse, so kann man zwischen den Zeilen lesen, werden dem Bürgermeister angelastet, die absichtlich von ihm dezimierte Verwaltung scheint unfähig und die korrupte Kämmerei veruntreut angeblich Spendengelder für die Feuerwehr.“

Dann wird Züll auch noch als Scharlatan beschimpft.

Bernd Züll forderte Gegendarstellung

Züll hatte daraufhin eine Gegendarstellung gefordert, die aber vom Bürgermeister und dem Verlag abgelehnt wurde. Der Kaller verwies daraufhin auf das Pressegesetz NRW und drohte mit juristischen Konsequenzen. In einem Schreiben an die Ratsmitglieder betonte Züll, er werde seinen Rechtsanspruch durchsetzen. Unterstützung erhielt er von AfD-Ratsmitglied Frank Poll: „Die offensichtliche Verweigerung, seine Gegendarstellung nicht zu veröffentlichen, wird eine weitere Eskalation zur Folge haben.“

Initiiert ein Abwahlverfahren: Bernd Züll ist Dozent an der Brühler Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung.

Seinen Ausführungen könne man nur zustimmen, auch wenn es vielleicht unangenehm sei. Er frage sich, so Poll, welches Bild des Rates beim Bürger durch die Verweigerungshaltung entstehe.

Zwischenzeitlich gab es dann aber ein Umdenken bei den Verantwortlichen. „Die Gegendarstellung wird veröffentlicht“, erklärte Bürgermeister Esser am Freitag auf Nachfrage dieser Zeitung. Die Entscheidung in solchen Fragen liege medienrechtlich beim Verlag. Zumal in diesem Fall der nicht-amtliche Teil betroffen sei.

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Esser beklagte aber: „Unsere Arbeit für den Bürger leidet darunter, dass wir uns um solche Dinge kümmern müssen.“ Der Verlag war am Freiitag für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

„Scharlatan und Demagoge waren etwas übertrieben“

„Scharlatan und Demagoge waren etwas übertrieben“, meinte Willi Frauenrath am Freitag. Ansonsten stehe er aber im Großen und Ganzen zu seinen Ausführungen. „Die Kritik von Herrn Züll am Bürgermeister ist ja auch nicht immer so sachlich, wie er tut. Er wirft Esser zum Beispiel vor, unfähig zu sein und die Verwaltung für seine Zwecke zu missbrauchen.“

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Bürgermeister Hermann-Josef Esser wird zum Rücktritt aufgefordert. (Archivfoto von 2017)

Züll war naturgemäß zufrieden, dass er doch die Gelegenheit zur Stellungnahme bekommt und „bedankte“ sich bei Frauenrath, der dies mit seinen „Hasstiraden“ erst möglich gemacht habe. „Ich lasse mich nicht vor den Augen von Öffentlichkeit, Familie und Freundeskreis als Scharlatan beleidigen. Ich bin Staatsdiener und einer der führenden Fachleute Deutschlands für öffentliche Finanzen“, stellt er in seiner Gegendarstellung klar.

„Stiftung für aktives Kommunalwesen“ geplant

Ansonsten nutzt er die Gelegenheit, sich und das Abwahlverfahren kurz vorzustellen. Außerdem kündigt er an, in diesem Jahr mit Interessierten in der Gemeinde die gemeinnützige „Stiftung für aktives Kommunalwesen“ zu gründen. Deren Ziel sei ein besserer Informationsfluss, mehr Transparenz und Bürgerbeteiligung.