AboAbonnieren

Neue AspekteWanderausstellung zum Thema Zwangsarbeit jetzt in Hellenthal zu sehen

Lesezeit 4 Minuten
Drei Männer und eine Frau stehen vor den Stellwänden einer Ausstellung.

Die Wanderausstellung über Zwangsarbeit im Kreis Euskirchen wurde von F.A.Heinen (v.l.), Heike Pütz, Markus Ramers und Rudolf Westerburg eröffnet.

Mindestens 2500 sowjetische Kriegsgefangene kamen zwischen 1939 und 1945 ins Kreisgebiet Schleiden. Auch in Hellenthal entstanden mehrere Lager.

Wo in der Regel Entscheidungen für die Zukunft der Gemeinde Hellenthal getroffen werden, ist nun in der Sommerpause die dunkle Vergangenheit das Thema. Am Montag wurde im Ratssaal im ersten Stock des Hellenthaler Rathauses die Wanderausstellung über Zwangsarbeit im Kreis Euskirchen während des Zweiten Weltkrieges eröffnet.

Normalerweise verlieren Wanderausstellungen im Laufe ihrer Reise durch die Ausstellungsorte mehr und mehr an Interesse, Aktualität und Informationsgehalt. Denn irgendwann hat jeder, der sich für das jeweilige Thema begeistert, sie bereits gesehen. Und auch die Forschung bleibt selten auf dem dargestellten Stand stehen. Die Wanderausstellung über Zwangsarbeit im Kreis Euskirchen ist da eine löbliche Ausnahme. Denn während ihrer Reise von Ort zu Ort wird sie immer weiter durch neue Erkenntnisse und lokale Details ergänzt.

Mittlerweile ist sie nach ihrer ersten Präsentation am 8. September 2022 in Vogelsang in Freilingen und Zülpich zu sehen gewesen. Nun ist sie an ihrer vierten Station angekommen.

Zwangsarbeit: Es gab mehr als 150 Lager im Kreis Euskirchen

Den bei den vorherigen Stationen hinzugefügten Roll-ups zu dem Prozess wegen der Erschießung von fünf Zwangsarbeitern in Mülheim-Wichterich kurz vor Kriegsende, der 1965 in Bonn stattfand, und einem Projekt der Realschule Zülpich zum Volkstrauertag 2022 wurden nun zwei weitere dazugestellt, die sich mit dem ehemaligen Friedhof für sowjetische Opfer in Hollerath und der Gedenkstätte in Rurberg befassen.

Eröffnet wurde die Ausstellung von Landrat Markus Ramers, Hellenthals Bürgermeister Rudolf Westerburg, Heike Pütz vom Euskirchener Kreisarchiv sowie dem Journalisten und Autor F.A. Heinen. Pütz stellte das System der zivilen Zwangsarbeiter dar, die aus ihren Heimatländern nach Deutschland kamen. „Die Forschung geht heute von einem Einsatz von 13 Millionen Menschen in Deutschland aus“, sagte sie.

Die Gefangenen kamen in unglaublich schlechter Verfassung hier an
Forstmeister Ludwig Seitz, Zitat aus dem Buch „Abgang durch Tod“ von F.A. Heinen

Sie seien nicht zu übersehen gewesen. 72 Lager im Altkreis Euskirchen und 85 Lager im Altkreis Schleiden mit einer Belegung von mindestens 8300 Menschen von 1939 bis 1945 seien erfasst worden. Dazu seien noch die zahlreichen Arbeitskräfte in Privathaushalten, der Landwirtschaft und kleinen Betrieben gekommen. Diese hätten sich einem strengen Reglement unterwerfen müssen, so dass sie zum Beispiel nicht mit ihrem Arbeitgeber gemeinsam essen durften.

Schleidener Journalist schrieb Buch zum Thema Zwangsarbeit

Heinen, dem der Verdienst zufällt, mit seinem Buch „Abgang durch Tod“ das Schicksal der Zwangsarbeiter während des Zweiten Weltkriegs überhaupt erst aus dem Dunkel des Vergessens in den Fokus der Aufmerksamkeit geholt zu haben, informierte über das Schicksal der sowjetischen Kriegsgefangenen im Raum Hellenthal. Mindestens 2500 waren ins Kreisgebiet Schleiden gekommen.

‚Auch in Hellenthal entstanden mehrere Lager für die sowjetischen Kriegsgefangenen, unter anderem in Blumenthal, Hellenthal, Hollerath, Losheimergraben, Udenbreth und Neuhof. Überwiegend seien sie in Waldarbeiterkolonnen eingesetzt worden, so Heinen.

Vor allem die schlechte und angesichts der harten Arbeit unzureichende Ernährung habe viele Männer das Leben gekostet. „Die Gefangenen kamen in unglaublich schlechter Verfassung hier an“, zitierte Heinen den arenbergischen Forstmeister Ludwig Seitz. Hubert Vitt aus Hellenthal berichtete ihm, wie die Männer, die von der Arbeit zurückkamen, oft ein Rundholz trugen, an dem Gefangene festgebunden waren, die nicht mehr gehen konnten und nun ins Lager zurückgeschleift wurden.

„Leichentransporte können damals keinem verborgen geblieben sein“

Mindestens 29 Gefangene des Hellenthaler Lagers seien gestorben und in einem Massengrab auf dem Judenfriedhof Blumenthal begraben worden, so Heinen. Dorthin wurden die Leichen quer durch Hellenthal auf Handkarren gefahren. „Der Weg führte kaum hundert Meter vom heutigen Rathaus entfernt vorbei. Mindestens diese Leichentransporte können keinem, der damals im Ort lebte, verborgen geblieben sein“, betonte er.

Allein im Lager Hollerath starben 70 Gefangene. Direkt neben dem Lager wurde ein Massengrab angelegt. Hier wurde 1950 für die 230 umgekommenen sowjetischen Kriegsgefangenen aus dem Kreis Schleiden ein Friedhof angelegt, ein Gedenkstein wurde errichtet. Als die sterblichen Überreste 1960 auf die sowjetische Kriegsgräberstätte in Rurberg umgebettet wurden, wurde das Denkmal geschleift.

Der Gemeinderat Hellenthal hat im letzten Jahr beschlossen, diese Erinnerung wieder aufleben zu lassen und am Standort des Friedhofs einen Gedenkort für die sowjetischen Kriegsgefangenen zu errichten.