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Liveschaltung nach BrasilienAktionskreis Eine-Welt Reifferscheid feiert 40. Geburtstag

Lesezeit 5 Minuten
Blick auf das Schulgebäude, vor dem Kinder und Jugendliche stehen.

Gut 100 Kinder besuchen aktuell die Förderschule in Marcação, die vom Aktionskreis Eine-Welt Reifferscheid unterstützt wird.

Der Aktionskreis Eine-Welt Reifferscheid feiert sein 40-jähriges Bestehen. Unterstützt wird eine Förderschule in Brasilien.

Es geht nicht nur darum, benachteiligten Kindern und Jugendlichen in Brasilien eine Schulbildung zu ermöglichen. „Wir wollen auch Brücken zwischen Menschen aus verschiedenen Kulturen bauen. Wenn man irgendwo auf der Welt Freunde hat, ist es einem nicht mehr egal, wie es denen geht“, betont Marita Lenzen-Zaremba vom Aktionskreis Eine-Welt Reifferscheid.

Seit 40 Jahren engagiert sich der Aktionskreis für fairen Handel und unterstützt zudem eine Förderschule in Marcação im Nordosten Brasiliens. Der Geburtstag wird am Samstag, 3. August, ab 18 Uhr mit einem Begegnungsfest in Reifferscheid, In den Weihern 1, gefeiert. „Es wird ein schönes Programm mit einer Liveschaltung nach Brasilien geben“, verspricht Lenzen-Zaremba.

1987 lebte Marita Lenzen-Zaremba bei Franziskanerinnen in Brasilien

„Der Aktionskreis hat sich nach seiner Gründung 1984 zuerst um das Thema ,Fairer Handel' gekümmert und in Gemünd einen Eine-Welt-Laden betrieben“, erzählt die engagierte Ehrenamtlerin. Sie war nach ihrem Examen 1987 sechs Monate in Paraiba im Nordosten Brasiliens unterwegs gewesen und hatte bei Franziskanerinnen gelebt. „Über die Nonnen habe ich die Kinder- und Jugendbewegung MAC kennengelernt. Das ist eine in ganz Südamerika verbreitete Bewegung von Kindern und Jugendlichen, die durch ihre Arbeit zum Auskommen der Familie beitragen müssen.“

Marita Lenzen-Zaremba steht zwischen den Lehrerinnen der Schule.

Die Lehrerinnen der Schule stellten sich mit Marita Lenzen-Zaremba zum Gruppenbild auf.

Seit dieser Zeit besteht auch ein intensiver persönlicher Kontakt zu Valdir Fernandes da Silva, der nach Angaben von Lenzen-Zaremba seit seinem sechsten Lebensjahr als Tagelöhner in Zuckerrohrbetrieben gearbeitet hat. Seit 1980 ist er Mitglied der MAC und war zeitweise deren bundesstaatlicher Koordinator. Außerdem war er maßgeblich an der Gründung von Gewerkschaften unter den Tagelöhnern beteiligt und engagiert sich heute in der örtlichen Kirchengemeinde.

Verschärft wurde das Problem, als der Zuckerrohranbau massiv ausgebaut wurde, um daraus Ethanol für die Herstellung von E-Fuels zu gewinnen.
Marita Lenzen-Zaremba

Das Problem in der Region sei, dass Kleinbauern ohne Entschädigung das Land weggenommen werde, um darauf Gemüse, Soja oder Zuckerrohr für den europäischen Markt anzubauen. In einem Fall sei ein Staudammprojekt der Grund gewesen. „Der musste gebaut werden, um das Wasser für die großen Plantagen zu liefern.“ Die Menschen, die sich als Bauern und Fischer über Wasser gehalten hätten, habe man aller Lebensgrundlagen beraubt. „Verschärft wurde das Problem, als der Zuckerrohranbau massiv ausgebaut wurde, um daraus Ethanol für die Herstellung von E-Fuels zu gewinnen.“ Angesichts solcher Entwicklungen und der Inflation hätten es die Menschen schwer, über die Runden zu kommen.

Schon 1999 hatte die MAC eine Grundschule in Marcação gegründet. Als Gebäude diente ein umgebautes Wohnhaus von Fernandes da Silva. In der Schule wurden auch praktische Inhalte angeboten und die Kreativität der Jungen und Mädchen durch Musik und Theater gefördert. Der große Erfolg der Schule sorgte schließlich dafür, dass ein Neubau notwendig wurde.

Sechs Lehrerinnen kümmern sich in Marcação um die Schüler

Eröffnet wurde das Instituto São Francisco de Assis im Jahr 2005. Die Einrichtung ist eine Förderschule für benachteiligte Kinder, in der sich sechs Lehrerinnen um eine Vorschul- und eine Alphabetisierungsklasse sowie um vier Grundschuljahrgänge kümmern. Besonderer Wert wird auf Förderunterricht in kleinen Klassen gelegt.

„Die Schule hat aktuell gut 100 Schüler und arbeitet sehr erfolgreich. Wir haben uns riesig gefreut, als kürzlich eine indigene Frau, die die Schule besucht hat, Anwältin geworden ist.“ Doch auch Menschen, die ein Studium absolviert hätten, müssten sich oft noch etwas hinzuverdienen, um den Alltag bestreiten zu können: „Eine unserer Lehrerinnen backt und verkauft Kuchen, eine andere schneidet Haare.“

Die Eltern zahlen einen kleinen Beitrag oder kümmern sich um die Unterhaltung des Gebäudes.
Marita Lenzen-Zaremba

Umso wichtiger sei da die Unterstützung aus Deutschland. Mit Spendengeldern aus der Eifel sei bereits 1987 das Grundstück gekauft worden. Auch die Kosten für den 2005 eröffneten Neubau und den Betrieb der Schule würden fast komplett finanziert: „Wir übernehmen die Gehälter der sechs Lehrerinnen. Die Eltern zahlen einen kleinen Beitrag oder kümmern sich um die Unterhaltung des Gebäudes.“ Von dem Geld, das so zusammenkomme, werde eine Reinigungskraft bezahlt. Trotz manchmal schwieriger Bedingungen sei es gelungen, den Schulbetrieb weiter zu entwickeln.

In staatlichen Schulen würden die Kinder leider oft mehr verwahrt als unterrichtet: „Da ist nicht sicher, dass man nach dem Schulbesuch auch Lesen und Schreiben kann.“

Austausch konnte wegen Corona nicht mehr stattfinden

Wichtig ist dem Aktionskreis auch der Austausch mit Eifeler Schulen. Im Rahmen des Projekts konnten die Schüler beider Nationen vom Leben der jeweils anderen erfahren. „Der persönliche Bezug zu den Menschen ist von großer Bedeutung. Deshalb informieren wir auch regelmäßig über die Situation an der Schule.“ Zu diesem Austausch gehören auch persönliche Besuche, die allerdings seit 2018 wegen Corona nicht mehr stattfinden konnten. Vor fünf Jahren hatte eine Delegation aus der Eifel die Schule besucht.

In einer Klasse sitzen zehn Schüler um einen großen Tisch. Die Lehrerin steht daneben.

Auf Förderunterricht in kleineren Klassen wird im Instituto São Francisco de Assis besonderer Wert gelegt.

Im nächsten Jahr sollen nun wieder Brasilianer in der Eifel zu Gast sein: „Wir sind gerade in der Vorbereitung.“ Im Rahmen der privat finanzierten Besuche sollen die Beziehungen zu den hiesigen Schulen wieder intensiviert werden. Zusätzlich erhalten die Spender die Möglichkeit, die Adressaten der Hilfe persönlich kennenzulernen.

Lange Jahre Unterstützung von den Sternsingern

Lange Jahre sei das Schulprojekt in Brasilien zu einem großen Teil durch die Sternsingeraktion der Pfarrgemeinden Hellenthal-Schleiden finanziert worden: „Das Kindermissionswerk hat aber die Unterstützung in dieser Form beendet. Nun muss die Schule komplett aus Spenden finanziert werden.“ Deshalb sei ein Förderverein gegründet worden, der auch Spendenquittungen ausstellen könne.

Neben vielen Einzelunterstützern hätten auch Unternehmen, Schulen und die Theaterfreunde Kall eifrig Geld gespendet. „Seit mehr als 20 Jahren stellen die Theaterfreunde die Einnahmen aus ihren Vorstellungen zur Verfügung.“

Begegnungsfest mit brasilianischer Musik und Essen

Der Aktionskreis hofft, dass er auch in diesen unruhigen Zeiten ausreichend Unterstützer für das Projekt findet. „Denn nur wenn wir aufeinander achten und gemeinsam unterwegs sind in der Einen Welt, können wir an einer friedlichen Weltgemeinschaft mitarbeiten“, betont Lenzen-Zaremba.

Beim Begegnungsfest wird bei brasilianischer Musik und Essen noch einmal auf die Vereinshistorie eingegangen. „Fotobücher und kurze Videos werden zu sehen sein. Außerdem ist eine Liveschaltung mit einer Kölner Studentin geplant, die zurzeit in der Schule ein Praktikum macht.“

Weitere Themen des Aktionskreises sind fairer Handel und Lieferkettengesetze, die ein menschenwürdiges Arbeiten und den behutsamen Umgang mit den Schätzen der Natur ermöglichen. „Wir zeigen Zusammenhänge und Möglichkeiten auf, etwas zu verändern.“ Weitere Informationen zum Aktionskreis und dem Projekt.