Der von der Flut im Juli 2021 hart getroffene Ort Schweinheim feierte knapp zwei Jahre danach ein großes Fest mit viel Herz.
Fest nach der FlutSchweinheimer bedankten sich mit viel Herz bei allen Helfern
„Schweinheim sagt danke mit Herz.“ So lautete das Motto des großen Helferfestes am Samstag im 450-Einwohner-Ort 23 Monate nach der Flut. Rund 1000 Besucher kamen, Höhepunkt des Tages war ein Auftritt der Kölsch-Rocker von Kasalla.
Wie erdbebensicher ist die Steinbachtalsperre? Diese Frage in einem Beitrag in dieser Zeitung, ausgelöst durch von der Bezirksregierung eingeforderte Gutachten, hatte das Zeug, die Feierlichkeiten im ersten unterhalb des Staudamms liegenden Dorf zu trüben. Sie weckte Erinnerungen an die Flutnacht und die Tage danach, als der Damm zu brechen drohte.
Doch da kennt man die Schweinheimer schlecht. Sie lassen sich das Feiern nicht vermiesen. „Natürlich ist das sehr ärgerlich, dass jetzt plötzlich eine bekannte DIN-Norm zur Erdbebensicherheit die weiteren Arbeiten zum Hochwasserschutz wie die Verbreiterung der Brücken und des Bachlaufs weiter verzögern“, so Stephan Brock von der Arbeitsgruppe Infrastruktur Schweinheim.
Am Samstag wollten die Schweinheimer nur feiern
Doch er wie Karl Kreuzberg, mit Beate Klinke Vorsitzender des Vereins Schweinheim hat Zukunft, wollten am Samstag nur eins: Feiern! Rund 1000 Besucher auf dem Platz vor dem Dorfgemeinschaftshaus hörten Landrat Markus Ramers zu, der pathetisch wurde: „Wenn eines Tages Sozialforscher ein Beispiel für Zusammenhalt einer Dorfgemeinschaft in Krisensituationen suchen, dann sollen sie sich mal in Schweinheim umhören.“
Bürgermeister Sacha Reichelt betonte auch einen anderen Aspekt: „Schweinheim hat uns in der Verwaltung angetrieben. Ohne das Engagement wären wir als Verwaltung nach dem Hochwasser überfordert gewesen.“
Auf dem Platz am Dorfgemeinschaftshaus – das Gebäude will der Verein vielleicht in eigener Trägerschaft von der Stadt übernehmen – und an den Straßen des Dorfes hörte man das alles wohl. Doch manchen der vom Hochwasser betroffenen 50 Familien am Zusammenfluss von Steinbach, Sürstbach und Orbach ist eher nach anderem zumute. „Die große Sorge ist zwei Jahre danach zwar vorbei, aber nun nehmen sich Ängste und Alpträume ihren Platz“, so Ina Wollersheim, Anwohnerin in der Schweinheimerstraße.
Schweinheim: Zusammenhalt nach der Flut war „einfach krass“
Sie habe die Hilfe des psychosozialen Dienstes in Anspruch genommen. Es gehe um die beiden Filme, die sie seit Wochen im Kopf habe, wenn sie durch ihren Heimatort gehe: Da ist der Ort, der an sich glaubt und langsam wiederaufgebaut wird. Und da ist das Dorf nach der Flut.
Viele haben auch Ina Wollersheim vor zwei Jahre geholfen und sind jetzt zum Helferfest eingeladen und geehrt worden. Auch das Team aus sieben Aktiven des THW Waldbröl war angerückt. Den Ort wieder „zufahrbar“ zu machen war ihre Aufgabe im zweiwöchigen Einsatz nach der Flut. „Egal, wer wem begegnet ist. Man hat sich unterstützt. Die Uniform, die einer trug, spielte keine Rolle“, sagt Jannick. Wie er den Zusammenhalt der Schweinheimer damals fand? „Einfach krass!“
Weg vom Festplatz und vorbei an zahlreichen Fotowänden mit Flutbildern aus dem Dorf wird es schnell rot. Herzensrot. In Vorgärten, an Fassaden, an Lampenmasten. Überall sind rote Herzen mit „Danke“-Aufschrift und rote Luftballons platziert. Ein Dorf im Herzensrausch. „Dat Wasser von Kölle is jot!“ klingt da unfreiwillig ironisch aus einem Hinterhof. Dort ist eines der „Pop Up-Cafés“, die zum Festtag eröffnet worden sind.
Schweinheimer Chor Imvula zieht von Auftritt zu Auftritt
Der Chor „Imvula“ unter der Leitung von Monika Thönessens hat spontan kleine Gesangseinlagen geplant. Nein, das sei nicht böse gemeint, versichern die 16 Sängerinnen und Sänger aus Schweinheim und den umliegenden Orten – es gehöre halt zu ihrem Repertoire. „Imvula“ zieht dann weiter zum nächsten Konzertchen in der kleinen St. Stephanus-Kapelle. Die ist auch so ein Schweinheimer Wiederaufbau-Wunder, von denen es eine ganze Reihe gibt.
„Dass das Dorf sich so erkenntlich gegenüber den Helfern zeigt, finde ich gut.“ Norbert Zimmer und seine Schwester Sandra gehören zu den Spaziergängern, die in Schweinheim unterwegs sind. Die Geschwister wohnen in Euskirchen und Flamersheim. „Wir waren in Flamersheim noch mit einem blauen Auge davongekommen“, so Sandra Zimmer. Und sie hatte Platz, um Onkel und Tante aus Schweinheim für ein dreiviertel Jahr aufzunehmen.
„Ich kann Ihnen sagen: Man kann es kaum glauben, aber wir ziehen nach zwei Jahren wieder zurück in unser neues Haus in Schweinheim“, strahlt kurze Zeit später Irene, die mit Ehemann Ulrich an der Schweizer Straße den neuen Spielplatz bestaunt. Der Öltank in ihrem alten Haus sei beim Hochwasser durch die Wucht des in den Keller strömenden Wassers geplatzt, das Haus wurde abgerissen. Zwei Jahre waren die beiden 76-Jährigen bei Irenes Bruder in Rheinbach.
Neuanfang mit Gespartem, Spenden und Wiederaufbauhilfe
Den Neuanfang stemmten sie mit Wiederaufbauhilfe, Gespartem und Spenden, die der Schweinheimer Verein in sechsstelliger Höhe gesammelt und an die Betroffenen verteilt hat. Jetzt steht die Rückkehr bevor. „Das Leben verschenkt keine Garantien, aber es verschenkt neue Möglichkeiten“, so Irene.
Gegenüber, oberhalb des Spielplatzes, ist der neue Naschgarten. Der alte am „Deutschen Eck“ wurde ebenfalls zwei Meter hoch überflutet und zerstört. Obst, Gemüse und Gewürze sind in einem Hochbeet angepflanzt. Wer mag, darf zugreifen, so der Gedanke dahinter – typisch für die Schweinheimer Solidarität.
Auf dem Weg in die Schweizer Straße Richtung „Deutsches Eck“ – der Zusammenfluss der Schweinheimer Bäche soll selbstironisch an den von Mosel und Rhein in Koblenz erinnern – befindet sich die nächste Spontan-Gastronomie gegenüber der immer noch an eine Ruine erinnernden, ehemaligen Dorfkneipe „Zum Steinbachtal“.
Wilfried Heck: „Ich hätte nie gedacht, dass mich das so mitnimmt“
Wilfried Heck hat sein Café „Am Sürstbach“ genannt, Bierzeltgarnituren, Kaffee, Kuchen und eine Zapfanlage im Innenhof aufgebaut. „Man will ja was machen zum Fest“, so Heck. Wie es ihm knapp zwei Jahre „danach“ geht? Heck, ein kräftiger Typ, der nicht so wirkt, dass ihn so schnell was beeindrucken kann, zögert. „Ich hätte nie gedacht, dass mich das so mitnimmt“, gibt er offen zu.
Am späten Nachmittag sind die Spaziergänge beendet. Auf der Bühne am Dorfgemeinschaftshaus wird es laut, davor proppenvoll. Kasalla sind zum Überraschungskonzert, von dem dann doch einige Tage zuvor die Spatzen von den Dächern pfiffen, gekommen. „Es ist für uns was ganz Besonderes, heute hier zu sein“, versichert Sänger Sebastian Kampmann: „Die Stadt mit K grüßt das Dorf mit S“. Ab geht die Kölsch-Rock-Post.
Nebenan, unter dem Vordach des Dorfgemeinschaftshauses, hören Martha Schlottau und Gertrud Reimbold zu und freuen sich. Dabei sind sie sich eigentlich uneinig. Ob die Schweinheimer Frauen 80 oder 85 Kuchen fürs Fest gebacken haben, bleibt unklar. Schlottau geht ins Grundsätzliche: „Wir helfen jedenfalls, wo wir können.“ Da stimmt den beiden Frauen Philipp von Loe, seit 26 Jahren Besitzer der Burg Schweinheim, sofort zu: „Der Zusammenhalt hier hat Vorbildcharakter, überhaupt kein Zweifel.“
Kasalla spielen eine Stunde, dann gibt’s weitere Live-Musik vom DJ bis tief in die Nacht. „Wir haben eine Schankerlaubnis bis 3 Uhr“, so Karl Kreuzberg vom Verein Schweinheim hat Zukunft. Das geplante Feuerwerk wurde jedoch von der Stadt wegen der Waldbrandgefahr untergesagt. Doch gegen das Zeitfenster wollte keiner etwas sagen. Und zwei Stunden später, um 5.17 Uhr ging am Sonntagmorgen die Sonne auf.