Wie aus dem fiesen Möpp der Mann fürs Leben wurde, erzählen Karin und Karl-Viktor Reiche aus Palmersheim, die seit 50 Jahren verheiratet sind.
Goldhochzeit in PalmersheimWie Karl-Viktor Reiche vom fiesen Möpp zum Mann fürs Leben wurde
Der erste Eindruck kann bei einer Begegnung zweier Menschen dauerhaft prägend sein. Kann, muss aber nicht. Glücklicherweise stellen die Eheleute Reiche eine Ausnahme dar. Seine erste Chance, einen guten Eindruck zu hinterlassen, hatte Karl-Viktor Reiche nämlich gehörig vermasselt.
„Damals hatte ich recht neu in der Werbeabteilung der Firma Krementz angefangen, bei der auch Karl-Viktor gearbeitet hat“, erinnerte sich Karin Reiche. Ihr Vorgesetzter hatte ihr bereits von der Rückkehr eines Kollegen, der zu diesem Zeitpunkt seinen Wehrdienst bei der Bundeswehr verrichtete, berichtet. Doch mit dem Auftritt des besagten Kollegen hatte die heute 68-Jährige nicht gerechnet.
„Hallo, ich bin Karl-Viktor, hast du einen Freund?“ Das seien die ersten Worte gewesen, die er an sie richtete – und die ihm sofort den Stempel „fieser Möpp“ einbrachten. „Bis zu meinem 18. Geburtstag herrschte Funkstille. Dann habe ich die gesamte Belegschaft zu einer kleinen Feier eingeladen, und wir haben uns wiedergesehen“, so die gebürtige Flamersheimerin. Eine Halskette als Geschenk, die noch heute in ihrem Besitz ist, und ein höfliches Auftreten änderten die zunächst gefasste Meinung über den jungen Mann.
Heirat fünf Monate nach dem ersten Kuss
Durch einen ständigen Briefwechsel kamen sich die beiden jungen Leute immer näher. „Ich habe sie damals schon an die Kette gelegt, nur wusste sie es noch gar nicht. Und plötzlich ging alles sehr schnell“, berichtete Karl-Viktor Reiche lachend: „Im Mai kam es zum ersten Kuss, im August sind wir zusammengezogen, im Oktober haben wir geheiratet.“ 50 Jahre liegt dieser Tag zurück, nun feierten die Eheleute ihre goldene Hochzeit.
Nach einiger Zeit im Elternhaus der Braut fanden die Eheleute 1977 in Palmersheim ein neues Zuhause, in dem sie bis heute leben. Dass die gelernten Werbegestalter dort einen passenden Ort gefunden hatten, wurde spätestens nach der ersten Karnevalssession deutlich. „Ich habe früh angefangen, mich mit einem selbstgestalteten Wagen am Umzug zu beteiligen. Wenige Jahre später hatte ich schon den gesamten Zug bemalt“, erklärte der Jubilar lachend.
Dem jecken Treiben in Palmersheim eng verbunden
Dreimal regierte er seitdem als Tollität, auch Ehefrau Karin, die 20 Jahre Sitzungspräsidentin der Damensitzung war, nahm bereits auf dem närrischen Thron Platz. Mitgliedschaften bei zahlreichen weiteren Vereinen wie dem Männergesangsverein oder der Frauengemeinschaft sowie die Gestaltung eines auflagenstarken Dorfheftchens mit Veranstaltungsterminen brachte ihnen zusätzliche Bekanntschaft in Palmersheim.
Die junge Generation profitiert nach wie vor von dem Einsatz der Eheleute, die sich bis heute als Schulbusfahrer engagieren. „Hier sind wir wirklich zu Hause und fühlen uns wohl. Das geben wir gerne zurück“, so Karl-Viktor Reiche.
Die Flut zerstörte die Holdhochzeitsbilder
Diese Verbundenheit haben sie an ihren Sohn weitergeben, der mit Ehefrau und eigenem Nachwuchs im Nachbarhaus lebt. Auch das Engagement für das Dorfleben wurde von den Vereinen immer wertgeschätzt, die sich bereits während der Feier zur Silberhochzeit erkenntlich zeigen konnten. „Wir konnten das Festzelt der Feuerwehr nutzen und hatten mit ungefähr 100 Gästen gerechnet“, erinnerte sich die Jubilarin. „Irgendwann konnten wir die Menschenmenge im Zelt gar nicht mehr zählen und jede Truppe hatte ihre eigenen Auftritte für uns vorbereitet.“
Die Feier der Goldhochzeit sollte auch aufgrund gesundheitlicher Faktoren deutlich ruhiger ausfallen – ein Essen mit der Familie und ein gemütliches Beisammensein. Karin Reiche: „Wir genießen diese Augenblicke sehr und freuen uns immer, unsere Liebsten um uns zu haben.“ Dann wird auch gerne in Erinnerungen geschwelgt – seit der Flut allerdings mit einem Wermutstropfen: Das Wasser hat die Fotoalben zerstört. Dadurch existieren auch die Hochzeitsfotos nicht mehr.
Das Besondere
Die Kochkünste von Karin Reiche haben ihren Ehemann Karl-Viktor immer begeistert. „Neben der Arbeit und den Vereinen hat Karin immer etwas Köstliches auf den Tisch gezaubert, und auch heute kann sie mich noch überraschen“, freute sich der Jubilar.
Die Fürsorge für seine Mitmenschen ist für Karin Reiche eines der herausragendsten Merkmale ihres Mannes. „Karl-Viktor ist in allen Bereichen immer ein zuverlässiger Ruhepol und bringt auch mich in aufregenden Situationen immer wieder auf den Boden der Tatsachen zurück“, schwärmte die Jubilarin.