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Ökumenisches AngebotEinsame Menschen im Kreis Euskirchen können Besuch per Telefon erhalten

Lesezeit 4 Minuten
Ein Mann und eine Frau, Diakon Jens Schramm und Trudi Fleischhauer, stehen in Euskirchen vor einem Baum an einer Kirche. Sie halten Flyer in den Händen.

Über mehr Zulauf für das ökumenische Projekt „Hör Mal“ würden sich Diakon Jens Schramm und Trudi Fleischhauer freuen. Denn am Bedarf haben sie keinen Zweifel.

Es ist explizit keine Telefonseelsorge: Beim ökumenischen Projekt „Hör Mal“ können sich einsame Menschen aus dem Kreis Euskirchen melden.

Sich über das triste Herbstwetter austauschen, kleine Erfolge im Alltag feiern oder mit einer neuen Sicht auf ein Problem der Lösung ein Stück näher kommen – hierfür ist ein Austausch mit anderen Gold wert. Doch was tun, wenn man keinen zum Reden hat?

Wie sehr Einsamkeit Menschen belasten kann, ist während der Corona-Pandemie verstärkt in den Fokus geraten. In dieser Zeit wurde ein ökumenisches Projekt ins Leben gerufen, um etwas gegen die Einsamkeit im Kreis Euskirchen zu unternehmen. Seit Mai 2022 gibt es „Hör Mal ... Besuch am Telefon“. Jedoch nehmen bislang nur sehr wenige das Angebot wahr, wie Mitbegründer Jens Schramm berichtet. „Es ist ganz schwierig, an Leute heranzukommen, die einsam sind“, sagt der Diakon aus Euskirchen: „Dabei ist Einsamkeit ein Thema, das die gesamte Gesellschaft betrifft.“

Das Projekt im Kreis Euskirchen bietet ein niedrigschwelliges Angebot

Der 64-jährige Protestant hat das Projekt zusammen mit dem gleichaltrigen katholischen Diakon Werner Jacobs gegründet– ein Jahr bevor die Weltgesundheitsorganisation WHO den internationalen Gesundheitsnotstand im Mai 2023 aufgehoben hat. „Einsamkeit gab es natürlich auch vor Corona, aber durch die Pandemie wurde sie mehr zum Thema“, so Schramm. Und es beschäftigt sie weiter, da es mit dem Ende des Gesundheitsnotstands nicht erledigt war.

„Hör Mal“ soll ein niedrigschwelliges Angebot für ein Gespräch bieten. Laut Schramm kann die Hemmschwelle, ein Gespräch am Telefon zu führen, niedriger sein, als wenn der oder die Betroffene eine Anlaufstelle aufsuchen müsse.

Aussagen wie ,Das wird schon' und ,Wir packen das direkt an' sind bei uns No-Gos.
Jens Schramm, Mitgründer von „Hör Mal“

Wichtig ist es Schramm zu betonen, dass es sich nicht um eine Telefonseelsorge handelt – es seien unverbindliche Gespräche auf Augenhöhe. Es gehe auch nicht darum, vorschnell Lösungen aufzuzeigen: „Aussagen wie ,Das wird schon' und ,Wir packen das direkt an' sind bei uns No-Gos“, sagt Jens Schramm. Stattdessen werde versucht, der einsamen Person am anderen Ende der Leitung zuzuhören und ein bisschen mehr Farbe in ihren Alltag zu bringen.

Dem kann Trudi Fleischhauer, die sich ehrenamtlich als Ansprechpartnerin einbringt, nur zustimmen. „Das Gegenüber steht für mich im Vordergrund“, sagt die 67-Jährige. Die ehemalige Verwaltungsangestellte ist das Telefonieren von Berufs wegen gewöhnt und „kann gut zuhören“. Nach einer Schulung mit zwölf weiteren Interessenten durch die beiden Diakone wirkt die Rentnerin seit mehr als zwei Jahren an „Hör Mal“ mit. Mit einer Frau stehe sie regelmäßig im Austausch und spreche mit ihr über Gott und die Welt. Die Gespräche sind vertraulich. Die anfängliche Anonymität haben die beiden hinter sich gelassen. Und sie haben sich persönlich kennengelernt: Mittlerweile besuche die Anruferin gerne eine Freizeitgruppe, der Trudi Fleischhauer angehört.

Die Gespräche sind vertraulich, Anonymität ist eine Option

„Die Anonymität lassen wir bewusst offen“, erklärt Schramm. Inwiefern man seinen Namen nennt oder sich später persönlich begegne, sei Anrufer und ehrenamtlichen Gesprächspartner überlassen. Nach einem Vorgespräch werden die Anrufer mit einem möglichst passenden Ehrenamtlichen in Kontakt gebracht. Sollte die Wahl nicht gelungen sein und es zwischenmenschlich nicht passen, sei ein Wechsel jederzeit möglich.

Dass sich bislang kaum jemand bei „Hör Mal“ gemeldet hat, verwundert Diakon Schramm nicht: „Für manche ist der Postbote der einzige soziale Kontakt am Tag. Viele Familien leben breit gestreut und es gibt reichlich Single-Haushalte. Gerade für zurückhaltende Menschen ist es schwierig, jemand Fremdes anzusprechen.“

Um einsame Menschen erreichen zu können, sei auch die mithilfe von Nachbarn, Verwandten und Bekannten wichtig, um auf Projekte wie „Hör Mal“ aufmerksam zu machen, so Schramm.

Das Projekt „Hör Mal“ ist erreichbar über das Evangelische Gemeindebüro Euskirchen, Tel. 0 22 51/ 8133 20, oder das Katholische Pastoralbüro unter Tel. 0 22 51/77 62 60.


Projekte werden vom Land gefördert

Gemäß einem Gutachten aus dem vergangenen Jahr, das in den Abschlussbericht der Enquete-Kommission des nordrhein-westfälischen Landtags zum Thema Einsamkeit eingeflossen ist, ist jeder siebte Mensch im Kreis Euskirchen einsam. Die Betroffenen gehören keiner bestimmten Gruppe an. Einsamkeit ist demnach längst kein exklusives Problem älterer Menschen. Das belegt auch eine Studie im Auftrag der Landesregierung Nordrhein-Westfalens von Ende vergangenen Jahres. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass etwa jeder fünfte ältere Jugendliche oder junge Erwachsene in NRW sich einsam fühlt.

Die Landesregierung NRW fördert unter dem Thema „Miteinander engagiert – Du+Wir=Eins. Nordrhein-Westfalen gegen Einsamkeit“ Projekte, die sich an einsame Menschen richten oder für das Thema Einsamkeit sensibilisieren. Im Rahmen des Förderprogramms „2000 x 1000 Euro für das Engagement“ sind Engagierte, Vereine und zivilgesellschaftliche Organisationen sowie Initiativen mit passenden Projekten aufgerufen, sich um eine Förderung zu bewerben.

Natürliche und juristische Personen in NRW können noch bis zum 1. November einen Antrag auf Förderung stellen. Die Beantragung erfolgt über ein Onlineformular im Förderportal. Hier müssen die geplanten Maßnahmen kurz beschrieben und eine Aufstellung der förderfähigen Ausgaben erstellt werden.