Dem kann keiner widerstehen: Auch wenn der Zoch in Euskirchen mit 68 Gruppen nicht ganz so groß war, feierten Tausende ihn raderdoll.
Vom Sönnche jebützSo bunt feiert Euskirchen sein Prinzenpaar – Da lohnen 8000 Kilometer Anreise
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Was ein Fest war der Zoch für Euskirchens Prinz Jens. Er genoss das jecke Treiben mit seiner Prinzessin Simone in vollen Zügen.
Copyright: Tom Steinicke
Schockverliebt! Ganz klar: Shari (rundes Foto, mit Silke Altenbach von den „Jecke Höhner“) hät et erwischt. Und wie! Vor zehn Tagen etwa ist der 25-jährige Mann aus Sri Lanka in Euskirchen angekommen, um seine Freunde zu besuchen. Mitten rein also in die Zick, in der es im Rheinland und somit in Euskirchen etwa so geordnet zugeht wie im Bällebad eines bekannten Möbelhauses.
Doch Shari stört das nicht. Im Gegenteil. Er fühlt sich wohl als Hahn im Korb der Gruppe „Jecke Höhner“ im Euskirchener Rosenmontagszug. „Die Musik, der Spaß und die tolle Atmosphäre“ hätten es ihm angetan, erzählt Shari auf Englisch – um dann stolz unter Beweis zu setzen, dass er das wichtigste Wörtchen dieser Tage geradezu akzentfrei beherrscht. „Alaaf!“, ruft er aus. Begeisterung pur, rund 8000 Kilometer fern der Heimat.
1500 Teilnehmer machen den Zoch in Euskirchen zu einem Fest
Dabei hat der Zoch zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht begonnen. Shari ist einer von 1500 Zoch-Teilnehmern, die Zugleiter Christian Ziegler pünktlich um 12.11 Uhr auf die Strecke schickt. Und so ziehen alle Gruppen zu Fuß oder auf einem Wagen auf der Frauenberger Straße vorbei am großen Tollitäten-Wagen, um dem ersten Prinzenpaar in der Geschichte der Kreisstadt, Prinz Jens I. und seiner Prinzessin (im Karneval wie im richtigen Leben) Simone, die Aufwartung zu machen.
Die beiden können ihr Glück kaum fassen: „Das ist sooooo toll“, ruft Simone – und verdrängt den Gedanken, dass das alles in gut 48 Stunden schon wieder vorbei sein soll. „Daran will ich jetzt gar nicht denken“, sagt die Prinzessin, blickt auf den Boden des Wagens und ahnt wohl schon, dass ihr am Abend die Arme wehtun werden: „Wie viele Tonnen Wurfmaterial wir haben, weiß ich gar nicht, aber der Wagen ist bis zum Rand voll“, ruft sie, gegen die jecken Tön' ankämpfend.

Auf den Tag haben Euskirchens Prinz Jens und Prinzessin Simone lange gewartet. Sie wollen ihren Zoch in vollen Zügen genießen.
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Sorry Neptun, Wasserwelten sind heute nicht zu bändigen. Da kann auch die Meeresgöttin einfach nur jeck sein.
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Die kommen vom Spellmannszug der Feuerwehr Euskirchen. Wenn der loslegt, wissen die Jecken in Oeskerche: Jetzt jeht et loss!
Was dann kommt, sind jeckes Treiben und Lebensfreude in Reinkultur. Ein Fest der Fantasie! Die Jecken des Senioren-Parks Carpe Diem etwa ziehen mit einen Dom auf ihrem Wagen durch die Straßen – zwar nicht ganz so groß wie der echte, aber davon abgesehen täuschend echt – und vor allem ohne Bauschäden. Die Gruppe Stein zeigt kurz dahinter mit ihrem Disney-Park, dass auch die Figuren im Märchenland jecke Tön und den Räuber-Hit „Oben Unten“ samt Choreo draufhaben.
Die jecken Höhner und Shari aus Sri Lanka lassen alles raus
Nicht ganz so fröhlich: die Teilnehmer der Gruppe Job-Joker. Sie sind derart furchterregend giftgrün geschminkt, da möchte man alles sein, nur nicht Batman.
Dann doch lieber eine Tänzerin der Tanzsportgarde des TuS Elsig. Dann nämlich kann man im herrlich winterfesten und dennoch bequemen Tanz-Outfit über den Asphalt der Kreisstadt schweben – und das unter dem Jubel Tausender Jecken am Straßenrand. Kein Wunder, die Nachwuchskarnevalsjecken aus dem Euskirchener Ortsteil hatten einiges nachzuholen, wie ihre Leiterin Conny Kaiser sagt: Voller Elan habe sich die Gruppe 2020 gegründet – um dann erst mal für zwei Jahre von der Pandemie ausgebremst zu werden. „Doch jetzt lassen wir alles raus“, stellt Conny klar.
Alles raus lassen auch die „Jecke Höhner“. Seit 1994 sind sie ein fester Bestandteil des Rosenmontagszugs. Unter dem Motto „Marieche hück net uniform, mir danze leever us de Norm“ hatten sie sich erst gar nicht in das Korsett eines Einheitskostüms gezwängt. Nur irgendwas mit Mariechen sollte es halt sein. Die gut 30 Mitglieder der Freundesgruppe wissen diese Freiheit zu nutzen: Fantasievoll und knatschbunt sind ihre Outfits, von edel bis bodenständig. Und mittendrin unter den „Jecken Höhnern“ tanzt unser Freund Shari aus Sri Lanka – kaum möglich, aber seine Begeisterung ist nach etwa der Hälfte der Zochstrecke noch mal gewachsen: „Wonderfull!“ und „Alaaf“ ruft Shari: „Die Leute sind einfach toll, und die Getränke auch.“
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E Hätz für Oeskerche.
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Mit einer anderen Art Flüssigkeit haben es unterdessen „Emils Fischer“ in ihren Ostfriesennerzen zu tun – die etwa 50-köpfige Gruppe aus Schülern und Eltern des (fast) gleichnamigen Euskirchener Gymnasiums . „Wir sind das dritte Mal dabei, immer unter anderem Motto“, erzählt Lehrerin Barbara Scholz („Meine Fächer sind Latein und Geschichte – und heute Jeckenkunde“), die die Pennäler auf ihrem närrischen Wandertag anführt. Welch eine schöne Jecks-Kursion.
Auch ohne viel Lokalkolorit macht der Zoch in Euskirchen Spaß
Alles in allem: Es ist ein Zoch, der Spaß macht. Auch wenn der Lokalkolorit wieder einen Bogen um die Stadt gemacht hat und die ein oder andere Gruppe Boxen aufgefahren hat, als gälte es Rock am Ring zu beschallen und bei ihrer Musikauswahl eher die Loveparade als einen Karnevalszug im Auge hatte, die vielen tanzenden, singenden und knatsch-bunt-verdötschten Jecken machen auch diesen Zoch zu einem Erlebnis.
„Die Menschen sind superglücklich“, freut sich der Präsident des Festausschusses Euskirchener Karneval, Stefan Guhlke. Da ist es leicht zu vergessen, dass die Organisation eines solchen Ereignisses nicht einfacher geworden ist. „Unsere Sicherheitsmappe ist von acht auf 33 Seiten angewachsen.“
Und Shari? „2026 möchte ich wieder dabei sein“, sagt der Mann aus Sri Lanka. Die etwas lange Anreise nehme er in Kauf, sagt er und schickt dieser Aussage wie zur Bestätigung noch schnell sein neues Lieblingswörtchen hinterher: „Alaaf!“.
Beamte wurden zu Strüßjerkavalieren
Das Sicherheitskonzept der Euskirchener Polizei, des Ordnungsamtes und des Festausschusses Euskirchener Karneval ging während des Zugs auf. Unterstützt wurde der Feuka auch von der Euskirchener Feuerwehr. Und die Jecke dankten es den Einsatzkräften, indem sie ihnen immer wieder besondere Süßigkeiten und vor allem Strüßjer in die Hände drückten.
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Der Euskirchener Rosenmontagszug ist gestartet. Bei strahlendem Sonnenschein ziehen 68 Gruppen durch die Kreisstadt.
Copyright: Tom Steinicke
So wurde der eine oder andere Beamte zum Rosen- und Tulpenkavalier. Und noch etwas funktionierte: Erstmals standen entlang des Zugwegs an ausgewählten Orten mobile Toiletten. Die wurden von den Jecken rege angesteuert und genutzt. Toiletten sind eben ein effektives Mittel gegen das Wildpinkeln.