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Nur fürs Pferd ist kein Platz324 Personen waren bereits in Euskirchener Pilgerherberge

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Ein älterer Herr sitzt an einem Tisch in einem Herbergszimmer.

Herbergsvater Gerd Weinand ist selbst begeisterter Pilger.

Für die Herberge mitten in Euskirchen stapeln sich die positiven Rückmeldungen. Der Freundeskreis der Jakobuspilger freut sich hierüber.

„Ich freue mich sehr, dass es so eine Initiative gibt und dass solche Angebote, fernab von Profit, heute noch möglich sind“, hat Karin ins Pilgerbuch geschrieben. „Herzlichen Dank für das Geschenk dieser wirklich freundlichen und unkomplizierten Herberge“, vermerkte ein anderer Gast.

Und Karen Rau, die mit ihren Kindern Laurin und Thea pilgerte, hinterließ ein weiteres Lob: „Ich wünsche allen Pilgern, dass dieses tolle Projekt hier noch lange existieren wird. Ihr macht das toll und mit Herz.“

Euskirchen: Wohnung in Pfarrheim kann von Pilgern genutzt werden

Pilgern ist seit einigen Jahren sehr beliebt. Nicht nur, aber vor allem der Jakobsweg, markiert mit der gelben Muschel auf blauem Grund, der im spanischen Santiago de Compostela endet. Von Köln aus verläuft der Weg über Brühl und Weilerswist entlang der Erft bis Euskirchen.

Zwei Erwachsene und ein Kind stehen vor einem Hauseingang und grinsen in die Kamera.

Pilgerbetreuer Hansi Korger begrüßt Pilgerin Melanie und ihren Sohn Leander an der Herberge in Euskirchen.

Doch eine Herberge im klassischen Sinne gab es in der Kreisstadt lange nicht. Bis der Freundeskreis der Jakobuspilger den Wunsch nach einer kostengünstigen Übernachtungsmöglichkeit an die Pfarrgemeinde St. Martin herantrug und daraufhin die Wohnung im Dachgeschoss des Pfarrheims zur Verfügung gestellt wurde.

Herbergsvater Gerd Weinand pilgerte zuletzt in Kroatien

Herbergsvater Gerd Weinand, selbst begeisterter Pilger, der schon in Frankreich, Italien, Norwegen, Schottland, Spanien, den baltischen Staaten und zuletzt in Kroatien auf Pilgerrouten unterwegs war, steht auch gerne mit guten Ratschlägen zur Seite.

„Manche haben zum Beispiel viel zu viel Gepäck“, weiß Weinand. Man brauche das, was man am Leib hat, noch einmal zum Wechseln im Rucksack. Mehr nicht. „Acht Kilo, mehr sollten es nicht sein. Und die trägt man mittels Beckengurt auf den Hüften, nicht auf den Schultern.“ Auf seiner jüngsten Pilgerreise hatte er sogar nur vier Kilo im Gepäck.

Die Pilgerherberge ist sorgsam eingerichtet

Die Herberge mitten in Euskirchen ist mit viel Liebe hergerichtet. Im Schlafraum stehen zwei Holzstockbetten, in denen vier Menschen Platz finden. Die Küche bietet noch ein Sofa, auf dem man ruhen kann. Der Kühlschrank ist gefüllt mit allerlei Getränken. Die Gäste hinterlassen einen kleinen Obolus, wenn sie sich bedienen. „Die Übernachtung kostet zehn Euro“, so Weinand.

Das Geld wird am Ende des Jahres gespendet: „Es geht an das Schutzhaus für Frauen und Kinder, die es gut gebrauchen können.“ Das Konzept basiert auf Vertrauen, und bislang wurden der Herbergsvater und das Team der Ehrenamtlichen nicht enttäuscht. „Die meisten Pilger sind unterwegs, weil sie aus irgendeinem Grund zu sich kommen wollen. Da hat keiner Blödsinn im Kopf“, so der 76-Jährige.

Manchmal hilft er auch mit Fahrdiensten. Wenn die nächste Etappe nach Bad Münstereifel führe, sei es oft schwierig, dort eine Unterkunft zu finden: „Dann fahre ich schon mal los, hole den oder die Pilger ab und bringe sie am nächsten Morgen zurück.“

324 Pilgerinnen und Pilger besuchten Herberge in Euskirchen

324 Pilgerinnen und Pilger waren seit Eröffnung der Euskirchener Herberge zu Gast – der Jüngste war erst vier Jahre alt, der Älteste 80. Die wohl skurrilste Anfrage musste Gerd Weinand leider ablehnen: „Ein Pilger suchte Platz für sich und sein Pferd. Das konnten wir hier mitten in der Stadt leider nicht bieten.“ Für Hunde hingegen gebe es immer einen Platz.

Besonders schön findet es Gerd Weinand, wenn Eltern mit ihren Kindern zu Gast sind in der Herberge. So wie zuletzt Melanie Gliss aus Köln. Sie läuft mit ihrem Sohn Leander von einem Punkt hinter Weilerswist nach Euskirchen. „Leander schafft zehn Kilometer, danach richten sich die Etappen“, so die 40-Jährige.

Die Idee, den Jakobsweg zu laufen, hatte der Siebenjährige, der neugierig geworden war, nachdem ihm davon erzählt worden war. „Wir laufen aber nicht bis Spanien, sondern nur bis nach Trier, und das auch nicht am Stück“, erklärt die Mutter. Vielmehr würden sie sich die Route zusammenpuzzeln und die Teilstücke immer dann in Angriff nehmen, wenn es zeitlich passe.

„Und natürlich ist Leander begeistert von dem Heftchen, in dem man die Stempel sammelt“, berichtet Melanie Gliss. Um den von Euskirchen zu bekommen, müssen die beiden nur wenige Meter zur Herz-Jesu-Kirche gehen. Dort liege der hiesige Jakobusstempel nämlich aus.


Euskirchen ist eine pilgerfreundliche Stadt

Seit dem Mittelalter führt ein Jakobsweg mitten durch den Kreis Euskirchen, erfährt man auf der Homepage des Freundeskreises der Jakobuspilger in Euskirchen und Umgebung. Und weiter: „Dabei nutzen die Pilger die alte Römer- und Handelsstraße vom ,hilige' Köln über Weilerswist, Euskirchen, Bad Münstereifel, Blankenheim und Kronenburg in Richtung Trier.“

Auf Initiative der Gruppe entstand auch ein Euskirchener Pilgerstempel, der einen stilisierten Baum und die Martinskirche vor der Jakobsmuschel zeigt.

Seit Mitte 2019 gibt es in Euskirchen selbst eine Pilgerherberge für maximal vier Besucher. Sie befindet sich in der ehemaligen Hausmeisterwohnung im Pfarrzentrum St. Martin.

Aufgrund der Wiederbelebung des Jakobuskultes und der ständig steigenden Pilgerzahlen hat die Katholische Kirchengemeinde St. Martin die Räume zur Verfügung gestellt. Pilger zahlen 10 Euro pro Nacht und können ihre Übernachtung vorher buchen, was nicht überall möglich ist.