Euskirchen-Schweinheim„Die Flut hat den Ort verändert“
Euskirchen-Schweinheim – „Die Flut hat den Ort verändert“, sagt Domenik Tilk. Der 22-jährige meint in erster Linie nicht die Zerstörung, die das Hochwasser am 14. Juli in Schweinheim angerichtet hat. Sondern viel mehr den Zusammenhalt, der sich in den Tagen nach der Flut entwickelt hat – und sich auch zwei Monate später wie ein unsichtbarer Band durch den Ort zieht. Vor der ehemaligen Grundschule, in der schon vor der Flut nicht mehr unterrichtet wurde, trifft sich immer noch Jung und Alt, um gemeinsam zu essen. Das Essen wird von einem Caterer aus Dom-Esch geliefert.
Zu diesem Ort hat sich in den vergangenen zwei Monaten eine besondere Beziehung aufgebaut. Viele Schweinheimer kamen in Dom-Esch in der Turnhalle unter, als sie evakuiert werden mussten, weil der Damm der Steinbachtalsperre zu brechen drohte. Auch die Familie Tilk verbrachte fünf Tage in Dom-Esch, bevor sie wieder in den Ort und ihr zerstörtes Fachwerkhaus an der Schweinheimer Straße zurück durfte. Fünf Tage, die sich eingebrannt haben, die Narben hinterlassen werden, für die es kein Make-up gibt.
Feinputz wieder aufgetragen
An einer zerstörten Wand ist das Make-up in Form von Feinputz bereits wieder aufgetragen. Weil die Tilks nicht versichert waren, mussten sie auf keinen Gutachter warten, konnten sofort mit der Entkernung beginnen. Dabei konnten sie wie überall im Kreis auf viele Helfer zählen. Einige kommen auch zwei Monate später noch nach Schweinheim und helfen, wo sie nur können. Bei Familie Tilk packen Menschen aus dem Umfeld von Kaiserslautern mit an. „Das ist einfach unglaublich“, sagt Monika Tilk. Und natürlich funktioniert auch die ortseigene Whatsapp-Gruppe noch, über dich mal schnell mit einer Wasserwaage oder einem Bautrockner ausgeholfen werde.
Der „Piss-Doktor“
In Schweinheim gab es den Erzählungen nach, einen Arzt, der anhand der Urinproben seiner Patienten deren Krankheitsbild ermittelte. Den Urin habe er in kleinen Flaschen aufbewahrt. Zahlreiche dieser (leeren) Flaschen entdeckte die Familie Tilk unter dem Boden ihrer Küche nach dem Hochwasser. (tom)
Zwei Monaten nach der Flut blicken die Tilks nach vorne. „Weihnachten möchten wir im Haus feiern“, sagt Domenik Tilk. Das sei ein sehr ambitioniertes Ziel, wie der 22-Jährige betont: „Ich glaube, dass es eher Februar wird.“ Dann wird auch die neue Küche eingebaut sein. Die wartet praktisch nur darauf. Dass die Tilks schon eine Küche auf Abruf haben, verdanken sie der Corona-Pandemie. Wegen der verzögerte sich nämlich die Lieferung der Küche. Sie wäre – wenn alles normal gelaufen werden – durch die Flut zerstört worden. Wegen Corona sollte sie dann am 15. Juli geliefert werden – einen Tag nach der Flut. Das hatte sich dann erledigt. „Nun haben wir schon mal eine Sorge weniger“, sagt Monika Tilk schmunzelnd.
Lücke an Fassade geschlossen worden
Die Lücke in der Fassade ist geschlossen worden. Ein großer teil der vorderen Fassade war mitten in der Nacht rausgebrochen. Letztlich ein Glücksfall wie die Tilks heute sagen. „Dadurch konnte das Wasser im Haus ablaufen. Vorher war es auf mehr als zwei Meter im Haus angestiegen, während wir Angst um unser Leben hatten“, so Domenik Tilk. Gut eine Woche nach dem Hochwasser richtete zunächst ein befreundeter Bauunternehmer eine Wand her, kurze Zeit später schreinerte ein Holzbauer sogar schon die Fachwerke. „
Natürlich habe man im Familienrat darüber diskutiert, wie und ob es überhaupt in Schweinheim weitergehe. Die Entscheidung sei aber sehr schnell für einen Wiederaufbau gefallen – in Schweinheim. „Das ist unsere Heimat“, sagt Domenik Tilk.
Haus muss abgerissen werden
Nur wenige Meter neben Monika Tilk hat ihre Schwester gebaut. Anfang des Jahrtausends. Etwa 21 Jahre später muss das Haus abgerissen werden, weil die Flut den Heizöltank im Haus zerstört hat. Und weil die Schweinheimer fünf Tage evakuiert waren, ist das Haus nun kontaminiert. „Meine Schwester wird auch wiederkommen. Allerdings wird sie in paar Meter weiter höher neu bauen“, erklärt Monika Tilk. Die Zusammenarbeit mit der Stadt sei hervorragend.
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Nur einen Gefallen hat der Steinbach den Schweinheimern nicht getan: das Fachwerkhaus am Dorfplatz, direkt neben der Steinbach, zu zerstören. „Eigentlich sah es schon vor der Flut so aus. Vielleicht mit ein paar weniger Schäden. Aber eben schon lange der Schandfleck an prominenter Stelle“, sagt Monika Tilk: „Das Haus fotografieren alle Auswärtigen, weil sie denken, dass das der Inbegriff der Zerstörung um 14. Juli ist.“