EuskirchenHelfer verteilen 20 Lkw-Ladungen Böden an Betroffene
Euskirchen – Um 5.45 Uhr haben Hans Werner Schmitz und seine Tochter Doris Stichnoth am Sonntagmorgen schon vor dem Real-Markt in Euskirchen gestanden, um kostenfrei einen neuen Boden für die Küche mit nach Hause zu nehmen. Das Haus der Familie Schmitz in Metternich, in dem auch die Tochter wohnt, muss nach der Flutkatastrophe vom 14. Juli kernsaniert werden, berichtet Schmitz, während er am Steuer wartet, dass er aufs Gelände darf. Die Familie hat sich einen Anhänger besorgt, um die rund 50 Quadratmeter an Bodenbelägen, die es pro Haushalt maximal gibt, nach Metternich zu transportieren. Sie steht ganz vorne in der Schlange. „Erstmal müssen wir noch trocknen, den Boden können wir dann wahrscheinlich erst im nächsten Jahr verlegen“, so der Familienvater.
Rund 20 Lkw stehen auf dem Real-Parkplatz. Die Hersteller und Handwerksbetriebe, die die Bodenbeläge mitgebracht haben und gleich verteilen, laden schon am frühen Morgen die Paletten aus den Lkw-Anhängern. Sie werden nach Material sortiert: Laminat, Vinyl und Teppiche stehen in verschiedenen Farben zur Auswahl. Neben den Paletten warten Dutzende Helfer in gelben Westen auf die ersten Autos, um die Böden zu verladen. „Ich bin heute Morgen aus der Nähe von Düsseldorf noch mit wackeligen Beinen hierhingekommen“, so Veranstalter Rüdiger Dicke aus Willich von der Firma Unifloor. „Ich bin froh, wenn wir das geschafft haben“, sagt er zu einem Kollegen, kurz bevor es um 9 Uhr losgeht. Dass die Aktion in Euskirchen stattfindet, hat vor allem logistische Gründe.
Hunderte Autos reihen sich in die Schlange hinter Hans Werner Schmitz. Auf Google Maps sind die umliegenden Straßen rot markiert: Der Rückstau wird immer größer. Als die Autos nacheinander auf das Gelände gelassen werden, stehen zunächst einige Stationen an. Die Aktion richtet sich ausschließlich an Flutopfer, egal ob aus dem Kreis Euskirchen, dem Rhein-Erft-Kreis oder dem Kreis Ahrweiler. Viele Kennzeichen sind aus Euskirchen und Schleiden, Bergheim, Siegburg oder Köln. Alle Fahrer müssen nachweisen, dass sie tatsächlich vom Hochwasser betroffen sind. Entweder durch eine Bescheinigung der jeweiligen Heimatkommune oder den Personalausweis. Ein Helfer hat für die Aktion extra eine App programmiert, mit der die anderen Helfer bei der Einfahrt durch die jeweilige Adresse nachvollziehen können, ob die Straße betroffen ist. „Aber man sieht das den Leuten auch an. Viele bedanken sich schon bei der Einfahrt, da spürt man einfach, was die erlebt haben“, so der Veranstalter. „Mit viel Gelassenheit“, sagt er, erklärt Helfer Peter Wachtendorf das Prozedere. Er ist aus dem Westerwald angereist.
„Man kann immer helfen"
Roswitha Friedrichs aus Kreuzweingarten selbst hat Glück gehabt. Da sie auf einem Berg wohne, sei sie vom Hochwasser verschont geblieben, berichtet sie. Trotzdem steht auch sie in der Schlange, um für eine befreundete Fahrschule aus Bad Münstereifel Böden abzuholen. „Die haben selbst gar kein Auto mehr“, berichtet sie: „Man kann immer helfen. Nur wer nicht hilft, kann auch nichts falsch machen.“ Für ihre Freunde verzichtet die Segelliebhaberin an diesem Sonntag gerne auf einen Schiffsausflug und reiht sich um 8 Uhr mit der betroffenen Freundin in die Schlange ein. Um die Wartezeit zu überbrücken, reichen ihr Helfer eine Bratwurst und ein Getränk durchs Fenster ins Auto. Für einige ist es das Frühstück, hört man.
Zur gleichen Zeit ist Familie Wiskirchen aus Odendorf in Euskirchen angekommen. Mit ihren drei Kindern wohnt sie gerade in einem Baucontainer auf dem eigenen Grundstück. 80 Meter vom Bach entfernt wurde ihr Haus von der Flutkatastrophe nahezu vollständig geflutet. „Wir hoffen für die Kinder, dass wir an Weihnachten wieder darin wohnen können. Ob das wirklich bis dahin funktioniert, werden wir sehen“, so Natalie Wiskirchen. Als das Wasser am 14. Juli gekommen sei, habe sie zunächst bei einer Nachbarin geholfen, den Keller leerzuschippen. Als ihr Mann dann bei ihnen zu Hause eine Pumpe habe holen wollen, habe er gemerkt, dass auch der eigene Keller schon volläuft: „Das Wasser kam einfach aus den Wänden, das war unglaublich.“
Über das Internet und andere Betroffene hat die Familie von der Aktion „Bodenflut“ erfahren. „Es ist spitze, dass es sowas gibt. Wir hatten nicht mal mehr Klamotten, aber uns wurde schon so viel geholfen.“ Welche Farbe der Boden habe, den sie nun bekomme, sei ihr völlig egal. „Wie der Boden aussieht, ist mir egal. Hauptsache wir haben wieder einen“, sagt Natalie Wiskirchen. Und bei den ganzen Kosten sei es toll, den Boden geschenkt zu bekommen.
Eigentlich wollte die Familie Laminat haben. Da auf dem Gelände aber nicht nur Boden verteilt, sondern auch beraten wird, landet doch ein Vinylboden im Kofferraum. Der sei handlicher, einfacher zu transportieren und auch noch einfacher zu verlegen, hat man dem Paar gesagt. Während sich Natalie Wiskirchen mit den Helfern unterhält, dankend ein „Mädchenbier“ – ein Radler – für zu Hause entgegennimmt, googelt ihr Mann auf dem Handy, wie man den neuen Boden verlegt. Beim Verladen fällt ein bekanntes Gesicht auf: Sven Welter von den Paveiern ist gekommen, um zu helfen, ebenso Bernd Stelter.