Euskirchen-Frauenberg – Herr Kaiser, Sie sind 31 Jahre alt, eigentlich das beste Fußballeralter, kommen aus der Mittelrheinliga, haben in der vergangenen Saison 23 Spiele gemacht. Warum geht man dann nach Frauenberg?Marcel Kaiser: Das folgt meinem Weg, den ich schon im Jahr davor eingeschlagen habe. Mein Beruf, die strategische Privatkundenberatung, findet eher in den Abendstunden statt. Deshalb hat das Training an drei oder vier Abenden nicht mehr gepasst. Ich saß oft in Terminen und hatte die Uhr an und wusste, dass ich eigentlich zum Training muss. Dann ist Fußball kein Ausgleich mehr, sondern eher Belastung. Dazu kommt auch noch die Familie, meine Frau hat jahrelang zurückgesteckt, gerade in Bonn, da war es sehr intensiv, da hatten wir nie ein Wochenende. Da war Freitagabend Training mit Spielanalyse, samstags Spiel, wenn es auswärts war, war man den ganzen Tag unterwegs, und sonntags auslaufen.
Jetzt, wo unser Sohn da ist, habe ich gesagt: Jetzt ist auch mal die Familie dran. Dann war die Überlegung erst, dass ich eine Liga runter gehe mit dreimal abends Training und nur noch sonntags einem Spiel. Aber die Rechnung geht nicht auf. Und wenn man so lange und so intensiv Fußball gespielt hat, ist die Motivation, so hoch wie möglich zu spielen, nicht mehr da. Und dann bleibt irgendwann nur noch das Geld, aber davon habe ich mich nie leiten lassen. Ich habe nie des Geldes wegen Fußball gespielt. Und die paar Jahre, die ich jetzt mit meinem Bruder noch zusammenspielen kann, will ich nutzen.
Sie haben noch vor zwei Jahren Regionalliga gespielt. Es dürfte doch das ein oder andere Angebot gegeben haben?
Ich hatte eigentlich einen Zwei-Jahres-Vertrag in Hürth. Und einen Verein zu bekommen, wäre nicht das Problem gewesen. Dass es mit Hürth geklappt hat, war natürlich schön, weil ich in Frechen wohne. Ansonsten hätte ich mit meinen Diensten vielen Vereinen weiterhelfen können. Ich hätte bestimmt auch zu einem Bezirksligisten oder A-Ligisten gehen können. Da wird ja teilweise absurd viel Geld bezahlt. Aber dann wäre ich nur des Geldes wegen dort hingegangen. Und wenn ich eines gelernt habe: Geld macht nicht glücklich, wenn’s nicht stimmt und keinen Spaß macht. Davon wollte ich mich freimachen.
Gab es denn konkrete Anfragen, auch aus dem Kreis Euskirchen?
Ja klar, dass die Leute vorsichtig anfragen, ist ganz normal. Aber eigentlich hatte ich ja noch einen Vertrag, der jetzt auf meinen Wunsch aufgelöst wurde.
Für den Kreis Euskirchen sind Sie, wenn man Ben Decker als bisherigen Jugendspieler ausklammert, der Königstransfer. Was haben Sie momentan für einen Eindruck vom Fußballkreis Euskirchen?
Ich bin erst wieder drin, seit mein Bruder in Frauenberg spielt. An sich ist das immer noch sehr intensiv, wie es früher war. Es gibt ganz viele Derbys und Rivalitäten, aber auch viele Freundschaften. Was ein bisschen fehlt, ist der klare Platzhirsch. Viele versuchen, das Vakuum, das der ETSC nach seinem Zusammenbruch hinterlassen hat, zu füllen. Da bin ich sehr gespannt, wer sich da etablieren wird. Für junge Spieler ist es sehr schwer, Fuß zu fassen und höher zu kommen. Höchster Verein ist Erftstadt in der Landesliga. Es fehlt an einem Mittelrheinligisten, von dem es dann auch schnell mal nach oben gehen kann.
Dass Sie in der Kreisliga A auf ihren ehemaligen Verein ETSC treffen, hätte man wohl auch nicht gedacht...
Ich bin ein wenig wehmütig. Wir hatten in der Jugend eine gute Zeit in Euskirchen. Ich war stolz, auch eine sehr erfolgreiche Zeit mitgeprägt zu haben. Mir lag immer viel an Euskirchen, im Herzen war ich immer noch verbunden. Das tut mir sehr leid, dass es so gelaufen ist. Aber es ist schön, nochmal im Erftstadion zu spielen, auch wenn ich keinen mehr kenne vom Verein oder der Mannschaft. Das Spiel werden mein Bruder und ich aber genießen und sehr ernst nehmen.
Als Sie unterschrieben haben, war die Hoffnung noch da, dass Frauenberg in der Bezirksliga bleibt. Was haben Sie denn gedacht, als irgendwann klar war, dass Sie in der Kreisliga A spielen werden?
Es hat mir für meinen Bruder leid getan. Aber man konkurriert in der Bezirksliga mit Vereinen, die teilweise richtig Geld zahlen, und dann spielst du immer gegen den Abstieg, verlierst teilweise hoch. Für die Mannschaft, in der Geschlossenheit und Spaß im Vordergrund stehen, ist es besser, eine gute Rolle in der Kreisliga A zu spielen.
Was hat Ihr Bruder mit Ihnen vor? Wie und wo hat er Sie eingeplant?
Er hat mich gefragt, wo ich spielen will. Er meint, ich sei in dem Alter, in dem ich das ein bisschen mitentscheiden darf. Letzten Endes bin ich offensiv überall einsetzbar. Da bin ich so flexibel, dass ich da spiele, wo die Mannschaft es braucht.
Was ist Ihr persönliches Ziel? Planen Sie den Wiederaufstieg oder wollen Sie oben mitspielen?
Ich habe einen Anspruch an mich selbst, den will ich auch erfüllen. Ich will meine Leistung auf den Platz bringen und den Jungs weiterhelfen. Den Jüngeren will ich im Training was beibringen. Aber es gibt keinen Aufstiegsgedanken.
Zur Person
Marcel Kaiser, Jahrgang 1991, begann seine fußballerische Karriere beim SV Frauenberg, wechselte dann früh zum SC Wißkirchen und durchlief die restliche Jugend, bis auf ein halbes Jahr in Frauenberg, beim Euskirchener TSC. Von dort wechselte er zum SC Brühl. 2012 ging es zurück nach Euskirchen, wo er drei Spielzeiten blieb. Von 2015 bis 2021 spielte er – bis auf einen Abstecher in der Saison 2018/19 zu Alemannia Aachen – beim Bonner SC. Zuletzt lief er für den FC Hürth auf. (ets)
Sprechen Sie mit ehemaligen Mitspielern oder knüpfen Sie Kontakte?
Ich habe natürlich meine Fühler ausgestreckt, auch bei solchen, mit denen ich in der Jugend in Euskirchen zusammengespielt habe. Aber die Vereine aus meiner jüngeren Zeit waren ja eher in Bonn, und die Spieler kamen von weiter weg. Da wird’s schwierig, die ohne Geld nach Frauenberg zu lotsen.
Haben Sie als früherer Frauenberger überhaupt schon mal für den SVF gespielt?
Ich habe im ersten Jahr D-Jugend ein halbes Jahr für Frauenberg unter Matthias Sprünken gespielt und bei den Bambini. Aber es ist natürlich immer mein Herzensverein geblieben.
Wie ergänzen Sie sich auf dem Feld mit Ihrem Bruder? Gibt es die Mittelfeld-Achse Kaiser?
Ich werde meinem Bruder noch mal sagen, dass er im Sturm spielen muss, auch wenn er eher den defensiven Gedanken hat. Aber wenn man einen Stürmer wie Sebastian hat, dann muss er vorne drin spielen, und ich hoffe, dass ich ihn gut bediene und er das Füßchen hinhalten kann. Aber er ist der Trainer und entscheidet das.
Sind Sie genauso emotional wie Ihr Bruder?
Ja, bin ich. Aber ich glaube, ich bin mittlerweile gelassener geworden. Es hat mehr Wert, wenn ich mich aufs Spiel konzentriere als auf Schiedsrichterentscheidungen.