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Interview

Gespräch mit Uwe Stark
Euskirchens Schiri-Chef: „Jeder hat das Recht, Fehler zu machen“

Lesezeit 6 Minuten
Ein Schiedsrichter kreuzt die Arme. Das Zeichen für eine Spielunterbrechung.

Stopp! Uwe Stark zeigt das Zeichen für eine Spielunterbrechung.

Uwe Stark, Schiedsrichter-Chef im Fußballkreis Euskirchen, zieht ein Saisonfazit. Er hat besonders am Ende überflüssige Vorkommnisse gesehen.

Die Fußballsaison ist vorbei – Zeit, ein Fazit zu ziehen. Uwe Stark, seit zwei Jahren Vorsitzender des Kreisschiedsrichterausschusses und damit „Ober-Schiedsrichter“ im Fußballkreis Euskirchen, spricht über Vorkommnisse am letzten Spieltag, Neuerungen zur kommenden Saison und die Fußball-EM.

Herr Stark, wie zufrieden sind Sie aus Schiedsrichtersicht mit der abgelaufenen Saison?

Uwe Stark: Die Saison verlief grundsätzlich gut. Wir haben dank dreier guter Lehrgänge Schiedsrichterzuwachs bekommen, der nächste ist im September. Die Motivation bei den jungen Schiedsrichtern ist da. Und es gab nur wenige Vorkommnisse.

Welche waren das?

Bei einem B-Juniorinnen-Spiel zwischen der SG Dreiborn/Schöneseiffen/Herhahn und dem ISC AlHilal aus Bonn hatte eine Bonner Spielerin die Torhüterin attackiert, die dann verletzt ins Krankenhaus musste. Es gab gegen die Bonner Spielerin die Gelbe Karte wegen Foulspiels und Freistoß. Weil sie aber danach das Einsteigen gefeiert hat, sah sie die Rote Karte. Eine Zuschauerin lief aufs Feld, beleidigte den Schiedsrichter und schlug ihn mit einem Schirm, der ihn über dem Auge traf. Daraufhin wurde das Spiel abgebrochen. Die Verhandlung findet am 27. Juni statt. Und dann war auch noch der letzte Herrenspieltag herausragend.

Schiedsrichter wurde am letzten Spieltag in Wichterich beleidigt

Inwiefern?

Nach dem Spiel des VfL Niederelvenich-Mülheim-Wichterich gegen die Sportfreunde D-H-O II rief mich Schiedsrichter Hans-Jörg Drinhausen an und war entsetzt. Er war von der Heimmannschaft beleidigt worden. Peter Dierichsweiler, Leiter des Spielausschusses, war als neutraler Zuschauer da. Aus dessen Sicht waren die Entscheidungen, derentwegen Hansi beleidigt wurde, richtig. Dieser hat Spielern der Heimmannschaft nur deshalb nicht Rot gezeigt, weil er Angst hatte. Ich finde: Egal, wie schlecht ein Schiedsrichter pfeift, man kann meckern und schimpfen, aber nicht beleidigen. Das hat auch nichts mit Emotionen zu tun. Da muss der Vorstand einschreiten und einwirken. Im Nachhinein distanziert sich die Mannschaft von den Geschehnissen, aber es hat keiner etwas getan. Wichterich muss nun 300 Euro Strafe zahlen, wovon 150 Euro auf Bewährung ausgesetzt sind.

Dann gab es ja noch den Abbruch des A-Junioren-Kreispokal-Endspiels zwischen SC Erftstadt-Lechenich und der JSG Erft 01. Hat sich Erftstadts Präsident Wolfgang Vesen für seine Aussagen gegen Tim Kreuser und Lisa Reinecke eigentlich entschuldigt?

Er hat sich gemeldet, und es gab ein Gespräch von ihm mit unserer Vorsitzenden Doris Mager, ihrem Stellvertreter Stephan Mager, Lisa und mir. Er hat sich entschuldigt und Lisa einen großen Blumenstrauß überreicht. Erftstadt hat auch ein Sicherheitskonzept erstellt, das ausgehängt wird. Das Ziel ist, dass kein Schiedsrichter von Externen beleidigt wird. Wir hatten auf Kreisebene keine Schiedsrichter mehr nach Lechenich geschickt, denn der Kreisschiedsrichterausschuss muss die Sicherheit der Unparteiischen gewährleisten. Wenn ein Schiedsrichter zu einem Sportplatz fährt und damit rechnen muss, dass er beleidigt oder sogar angegangen wird, ist die Neutralität weg. Das möchten wir verhindern.

Kreisliga-A-Vereine im Untersoll erhalten keine Unparteiischen

Ab der kommenden Saison kann es zu Kreisliga-A-Spielen ohne Schiedsrichter kommen. Wieso?

Einige Vereine befinden sich im Untersoll, was die Schiedsrichterzahl angeht. Und trotz hoher Strafen findet bei ihnen kein Umdenken statt. Das geht dann zulasten von Vereinen in unteren Ligen, die viele Schiedsrichter stellen – und die durch Nichtansetzungen bestraft werden und sich zu Recht beschweren. Wenn in der neuen Saison zwei Kreisliga-A-Mannschaften, die im Untersoll sind, gegeneinander spielen und wir nicht genug Spiele besetzt bekommen, dann gibt es in diesem Kreisliga-A-Spiel keinen Schiedsrichter. Meist leitet dann ein Gäste-Betreuer die Partie. Wir hatten das Vorgehen den Vereinen im Herbst schon angekündigt und beim Stützpunkt im Frühjahr mitgeteilt. Umgehen kann ein Verein das, wenn er jetzt ein Mitglied für den Schiedsrichterlehrgang im September anmeldet.

Ein Schiedsrichter breitet die Arme aus. Die Mannschaften müssen in die Strafräume.

Mit ausgebreiteten Armen werden die Mannschaften in die Strafräume geschickt.

Isabelle Strunk, Michael Erken und Jürgen Breuer wurden nun im Rahmen der Aktion „Danke Schiri“ vom FVM geehrt. Was zeichnet die drei aus?

Isabelle ist sehr aktiv im Mädchen- und Frauenfußball und motiviert Vereine, Teams zu stellen. So hatten wir erstmals eine eigene Kreisliga. Sie hat viele Ideen, Schiedsrichterin ist sie nur nebenbei. Und sie hat auch mich zur Erkenntnis gebracht: Frauenfußball ist genauso wertig wie der Männerfußball. Michael gehört dem Schiedsrichter-Lehrstab an und betreut Jungschiedsrichter als Pate in Bezirks- und Landesliga und zeigt ihnen: So sieht es auf Verbandsebene aus. Er pfeift sehr viele Spiele, ist unglaublich hilfsbereit und gehört nach Punkten zu den zehn besten Schiedsrichtern in der Landesliga. Jürgen gehört seit vielen Jahren dem Ausschuss an und war erst für Jugend-, mittlerweile für Seniorenansetzungen zuständig.

Lisa Reinecke und Jörg Piana verletzten sich beide schwer am Knie

Bei den Aufstiegen ging der Kreis Euskirchen leer aus. Warum?

Lisa Reinecke und Jörg Piana standen sehr weit oben, sie hatten beide zwei von vier erforderlichen Beobachtungen. Aber dann haben sich beide verletzt. Lisa hat sich das Kreuzband gerissen, Jörg braucht ein neues Knie. Beide pfeifen Bezirksliga, Lisa ist auch für die Frauen-Regionalliga gemeldet. Beide hätten beste Chancen gehabt. Insgesamt haben wir immer noch ein Defizit bei der Schiedsrichterzahl. Der letzte Spieltag an Pfingsten hat das gezeigt. Wir hatten viele parallele Spiele und konnten nicht alle besetzen. Uns fehlen mindestens 25 Senioren zwischen 18 und 40 Jahren und ebenso viele Jungschiedsrichter zwischen 13 und 17 Jahren. Aktuell haben wir 101 Spielleiter, darunter 16 Jungschiedsrichter und insgesamt fünf Frauen.

Kommen wir zur Fußball-EM: Wie finden Sie die Leistungen der Schiedsrichter bisher?

Wir haben tolle Leistungen und viele richtige Entscheidungen gesehen. Mich faszinieren immer die Assistenten, die so oft richtig liegen. Nur das Handspiel von Belgien gegen die Slowakei kurz vor Schluss war für mich nicht nachvollziehbar. Das ereignete sich kurz hinter der Mittellinie und der Ball wurde nicht abgelenkt. Ansonsten ist das aber ein irre hohes Niveau und faszinierend, wie die Unparteiischen die Konzentration aufrechterhalten. Sie müssen mehr als 300 Regelfragen wissen.

Uwe Stark wünscht sich Umsetzung der EM-Regel im Kreis Euskirchen

Es gibt ja auch eine Neuerung: Um Rudelbildungen zu vermeiden, dürfen nur die Kapitäne mit dem Schiedsrichter reden.

Das gefällt mir. Da würde ich mich sehr freuen, wenn das auch bei uns kommt. Und wenn jemand sich nicht daran hält und sich auf dem Platz nicht benimmt, gibt es direkt Gelb wie beispielsweise gegen Österreichs Konrad Laimer beim Spiel gegen Frankreich. Für viele gehört Meckern und Schreien dazu, aber das finde ich schwierig.

Bei dem Spiel Österreich gegen Frankreich war ja auch ein Schiedsrichter-Fanclub im Stadion. Was sagen Sie dazu?

Das habe ich nicht gesehen, aber das halte ich für eine tolle Idee.

Gibt es Neuerungen in der kommenden Saison?

Es gibt ab September eine Deeskalationsstrategie, die nun auch an die Vereine weitergegeben wurde. Schiedsrichter sollen eine Partie schneller unterbrechen. Nur Kapitäne und Trainer dürfen während einer Unterbrechung nach Aufforderung zum Schiedsrichter in den Mittelkreis, der ihnen dann die Gründe mitteilt. Geht es um Zuschauende, werden auch die Ordner gerufen. Haben sich die Spieler nicht benommen, werden die Teams in die Strafräume geschickt. Wer diesen verlässt, sieht Gelb. Die Kapitäne sollen dafür sorgen, dass die Teams mit dem Schreien oder dem Foulen aufhören, Ordner, dass die Zuschauer sich benehmen. Wenn das ein zweites Mal passiert, dann sollen auch die Trainer einwirken. Klappt das dann immer noch nicht, erfolgt ein Abbruch. Da das eine Vorgabe des DFB ist, hoffen wir auf eine hohe Akzeptanz.

Gibt es sonst noch etwas, was Sie mitteilen wollen?

Was ich wichtig finde: Wir Schiedsrichter sind kein Freiwild, auch dann nicht, wenn wir schlecht pfeifen. Jeder hat das Recht, Fehler zu machen, auch wenn sie entscheidend sind. Wir sind am Fußball interessiert, und ich bin mir ziemlich sicher, dass unsere Schiedsrichter alle neutral sind.