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BlankenheimWaldbesitzer wenden sich mit Brandbrief an Laschet

Lesezeit 5 Minuten

Eine Kahlfläche mehr: Auf dieser drei Hektar großen Fläche bei Rohr mussten nach Windwurf und Borkenkäferbefall die Fichten gefällt werden.

Kreis Euskirchen/Blankenheim – Die Waldbesitzer in NRW schlagen Alarm: Windwürfe, Trockenheit und Borkenkäferbefall führen mittlerweile zu millionenschweren Verlusten beim Holzverkauf. Auch bei der Gemeinde Blankenheim, mit 4300 Hektar einer der größten kommunalen Waldbesitzer im Rheinland. Deshalb hat man jetzt einen Brandbrief mit der Bitte um Soforthilfe an Ministerpräsident Armin Laschet und die Ministerin Ursula Heinen-Esser geschrieben.

Den Brief des Waldbesitzerverbands NRW hat Alfred Huth, Kaufmännischer Betriebsleiter der Forstbetriebe der Gemeinde Blankenheim, nur zu gerne unterschrieben: „Alleine können wir das nicht schaffen.“ Unterstützung soll von der Landesregierung kommen.

Eine Soforthilfe des Landes ist nach Einschätzung von Rolf Heller (v.l.) und Alfred Huth vom Forstbetrieb der Gemeinde Blankenheim sowie Revierförster Martin Ritterbach erforderlich.

In der Abteilung 68 des Blankenheimer Gemeindewalds – das Gebiet gehört zur Gemarkung Lommersdorf –, erklären Huth, der technische Betriebsleiter des Gemeindeforstes Rolf Heller und Revierförster Martin Ritterbach, um was es geht.

Fatale Kettenreaktionen

Vor drei Wochen wurden in diesem Bereich 0,3 Hektar des Fichtenbestands Opfer eines Windwurfs. Der dritte zu trockene Sommer hintereinander hatte die Flachwurzler ohnehin schon geschwächt. Und dann kam der Borkenkäfer. „Wir müssen nun die Bäume möglichst schnell aus dem Wald holen, bevor durch Infektion weiterer gesunder Bäume die Schäden noch größer werden“, erklärt Ritterbach den Kampf gegen die Uhr. Bei mittlerweile 40 000 Festmeter „Kalamitätsholz“ im Blankenheimer Gemeindewald eine Sisyphusarbeit, die die drei Mitarbeiter in der gemeindlichen Forstverwaltung bindet.

Zeit für die nötige Wiederbewaldung fehlt, von Hege und Pflege des Waldes wie dem nötigen Verbiss-Schutz der Schonungen und Setzlinge gegen die Überpopulation des Rotwildbestandes ganz zu schweigen.

Borkenkäfer

Der Buchdrucker ist benannt nach seinem Schadensbild, das er unter der Rinde der Fichten anrichtet: Bis zu 300 Käfer bohren sich bei einem Massenanflug in die Rinde. Sie legen darunter einen Muttergang an, wo die Eier abgelegt werden.

Die Larven fressen sich von hier aus mit Larvengängen weiter. „Das Ganze sieht aus wie eine Buchfalz mit Buchseiten – der Muttergang in der Mitte. Daher hat der Buchdrucker seinen Namen“, so Revierförster Ritterbach. Bis zu fünf Millionen Käfer aus drei Generationen können es pro Baum in einem Jahr werden.

Die befallenen Fichten haben gegen die Schädlingsübermacht auf Dauer keine Chance. Zunächst wehren sich gesunde Bäume noch mit einer verstärkten Harzbildung – weiße Streifen sind von außen an der Rinde zu sehen. Doch dann, auch im Blankenheimer Gemeindewald, ist dieser Kampf verloren. Die Rinde fällt ab. Ausgetrocknet und schutzlos stehen schließlich die Fichtengerippe da, die aussehen wie von Wundbrand befallen. Der Baum stirbt ab. (sli)

Von einer fatalen Kettenreaktion berichtet Huth: Solche Mengen aus der Not gefällten Holzes erzielen keine guten Preise mehr. Bis 2018 war der Jahresgewinn aus dem Holzeinschlag mit um die 300 000 bis 600 000 Euro pro Jahr neben Einnahmen aus der Jagdpacht die größte Einnahmequelle der Gemeinde Blankenheim. Das Geld wird – wie in allen Kommunen – auch für die Wiederbewaldung, die Pflege der Wälder und der Wegeinfrastruktur gebraucht.

Hoffnung auf „unbürokratische Soforthilfe“

Doch seit dem zu trockenen Sommer 2018 hat sich das Haben zunehmend ins Soll gedreht. „2019 hatten wir ein Minus von 60 000 Euro, in diesem Jahr werden es 250 000 bis 300 000 Euro sein“, so Huth. Denn auf dem Holzmarkt ist angesichts des Überangebotes notgefällten Holzes der Preis zusammengebrochen.

Frisch gebohrt: Die Späne sind gut zu erkennen. Unter der Rinde legen Buchdrucker Fraßgänge an.

Landesweit sind es alleine 12 500 Hektar Schadfläche in Kommunalwäldern (Stand: April 2020) – das Doppelte wie 2007 nach Sturm Kyrill. Statt der bis 2018 üblichen rund 100 Euro für den Festmeter sind laut Heller derzeit nur noch 30 zu erzielen. Und es kann noch schlimmer kommen. „Wir rechnen damit, dass landesweit absehbar rund 20 000 Hektar Wald, vor allem Fichten, geschädigt werden“, so Ritterbach.

In ihrer Not wenden sich NRWs kommunale Waldbesitzer in einem Brandbrief an Ministerpräsident Laschet und Ministerin Ursula Heinen-Esser. Auch für die Gemeinde Blankenheim fordert Alfred Huth eine „unbürokratische Soforthilfe“. Aktuell habe die Landesregierung zwar Sondermittel in Höhe von 28 Millionen Euro für den Wald und die Holzwirtschaft angekündigt, die die bestehenden Fördermittel für 2020 in Höhe von 26 Millionen Euro für kommunale Waldbesitzer aufstocken sollen.

„Das reicht einfach nicht.“

Doch auch die für die nächsten zehn Jahre für die Wiederbewaldung zugesagten rund 100 Millionen Euro reichen nach Huths Einschätzung nicht aus. Bei aktuell in NRW ermittelten Schadensfläche wären 100 Millionen Euro jetzt schon zwischen Eifel und Ostwestfalen nötig.

Auf Messers Spitze: Schwarz, glänzend und flugfähig ist der Buchdrucker.

Huth kann schnell ausrechnen, wie viel Geld für den Blankenheimer Gemeindewald bleibe, wenn die Planung so bleibt: „Das sind 8000 Euro Walderneuerungskosten pro Hektar.“ Für die Gemeinde Blankenheim mit ihren 4300 Hektar Waldbesitz rechnet er aber mit einem Mittelbedarf von einer Million Euro. Die bestehenden Förderrichtlinien gewähren nur einen Bruchteil davon: 30 000 Euro pro Jahr. „Wenn es dabei bleibt, sind das drei Prozent der jährlichen Kosten. Das reicht einfach nicht.“

Ob die vom Verband der kommunalen Waldbesitzer geforderte Soforthilfe kommt, ist offen. Am 24. September wurde der Bittbrief aus Blankenheim abgeschickt, andere Kommunen taten es ebenso.

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In der Abteilung 93, Gemarkung Rohr, schaut Förster Ritterbach schon ins Nichts. Auf rund drei Hektar mussten alle Fichten nach Windwurf und Borkenkäferbefall aus dem Wald geholt werden. Übrig bleibt eine Kahlfläche, von denen es auch in seinem Revier immer mehr gibt. Ritterbach schaut nachdenklich, als er sagt: „Ich habe das Gefühl, das ganze System kippt.“