Sopranistin und Bass-Solist fielen kurzfristig aus. Bad Münstereifeler Chor meisterte Haydns Schöpfung dennoch meisterlich.
KirchenkonzertZitterpartie für Vokalensemble Bad Münstereifel hat sich gelohnt
Es war eine reine Zitterpartie für Seelsorgebereichsmusiker Andreas Schramek, der die musikalische Leitung für das diesjährige Kirchenkonzert des Vokalensembles Bad Münstereifel innehatte. Am Sonntagabend sollte „Die Schöpfung“, das umfangreiche Kirchenoratorium von Joseph Haydn, präsentiert werden – das erste größere Projekt seit 2020.
Doch nicht genug damit, dass bereits am Donnerstag eine Chor-Sopranistin aufgrund eines Krankenhausaufenthaltes ihre Teilnahme kurzfristig absagen musste. Nur zwei Tage vor der geplanten Aufführung kam der Anruf, dass auch der gebuchte Bass-Solist Hojin Chung aus Köln verletzungsbedingt nicht singen könne.
Bariton des WDR-Rundfunkchors sprang als Ersatz-Bass ein
Die Suche nach einem Ersatz gestaltete sich nicht ganz einfach. Zwar hat Schramek viele Kontakte, doch entweder waren alle infrage kommenden Sänger bereits für den Termin gebucht, oder sie hatten das Stück bislang noch nicht gesungen. „Ohne den Bass-Solisten hätten wir das Konzert absagen müssen“, erklärt Schramek, für den am Ende doch noch alles mehr als gut ausging.
Denn einer glücklichen Fügung folgend, sprang Arndt Schumacher ein, der sonst als Bariton mit dem WDR-Rundfunkchor durch ganz Europa tourt und „Die Schöpfung“ noch vergangene Woche gesungen hatte. Erst nach der erfolgreichen Generalprobe am Samstagmittag – übrigens auch die einzige Probe mit Orchester und Solisten – habe Schramek aufatmen können.
Seelsorgebereichsmusiker Andreas Schramek bewies ein gutes Händchen
Die Camerata Louis Spohr aus Düsseldorf war nicht zum ersten Mal in Bad Münstereifel, Schramek hatte sie bereits 2015 für ein Mozart-Requiem gebucht.
Er bewies bei der Auswahl von Orchester und Solisten ein gutes Händchen, denn nicht nur Schumacher, der so kurzfristig eingesprungen war und der im Stück den Erzengel Raphael verkörperte, zeigte eine vorbildliche Leistung und war viel mehr als nur ein „Ersatz“.
Sopranistin stand schon mit den Toten Hosen auf der Bühne
Sopranistin Linda Hergarten aus Düsseldorf kann nicht nur auf ein klassisches Gesangsstudium zurückblicken, sondern ließ sich auch im Populärgesang ausbilden und stand unter anderem schon mit der Punk-Band „Die Toten Hosen“ auf der Bühne. Als Gabriel traf sie mit ihrer glasklaren Stimme mühelos selbst die hohen Töne und berührte sichtbar so manchen Zuhörer. Den Part des Engels Uriel sang Tenor Florian Wugk, ebenfalls aus Düsseldorf, der kurz vor dem Abschluss seines Gesangsstudiums an der Robert-Schumann-Hochschule steht und bereits für verschiedene Produktionen auf der Bühne stand. Auch Wugk bewies Tonsicherheit und verstand es, Noten und Text eine Seele zu geben.
Der Chor, bestehend aus knapp 40 Sängerinnen und Sängern des Vokalensembles Bad Münstereifel, gilt eigentlich als Laienchor. Am Sonntagabend aber stand er einem professionellen Chor in nichts nach, hier saß jeder Ton. Einer Besucherin rutschte gleich nach Ende des Konzertes ein saloppes „Boah, der Chor war der Hammer!“ heraus. Und das, obwohl Schramek im Vorfeld Sorge hatte, dass nach knapp dreijähriger Pause durch die Corona-Krise und das Flutunglück im Jahr 2021 die Stimmen möglicherweise eingerostet sein könnten.
Ergriffenheit der fast 300 Zuschauer in der Jesuitenkirche war spürbar
Zu Konzertbeginn war die Jesuitenkirche, die als regelmäßiger Veranstaltungsort für Kirchenkonzerte bekannt ist, voll besetzt. Über die Dauer des knapp zweistündigen Konzertes hinweg hörte man nicht einmal ein Husten auf den Zuschauerbänken, und die Ergriffenheit der knapp 300 Besucher war fast spürbar. Während die einen mit geschlossenen Augen andächtig lauschten, verfolgten die anderen den Text interessiert mit, der im Programmheft zum Mitlesen abgedruckt war.
Nachdem der letzte Ton verklungen war, herrschte noch einige Sekunden lang Stille, als ob man leise hoffte, es möge noch weitergehen. Doch dann wogte ein tosender Applaus durch die Kirche, der von Jubelrufen und Standing Ovations begleitet wurde. Erst nachdem alle Beteiligten längst die Bühne verlassen hatten, ebbte der Beifall langsam ab. Eine Konzertbesucherin befand: „Zum Weinen schön.“
Ursprünglich wollte Vokalensemble ein Requiem vortragen
„Einen derart lang anhaltenden Applaus wie heute hatten wir wohl noch nie“, freute sich ein glücklicher Andreas Schramek. Für ihn hat sich damit bestätigt, dass er bei der Auswahl des Stückes richtig gelegen hatte. Man habe nämlich ursprünglich über die Inszenierung eines Requiems nachgedacht, aber Schramek wollte dem Publikum nach der schweren Zeit mit Pandemie und Flut, die viele Bad Münstereifeler schwer getroffen hatte, etwas Hoffnungsfrohes präsentieren. Und nach dem Konzert ist vor dem Konzert, deshalb hat Schramek längst schon Ideen für das nächste Jahr, aber die sind noch geheim.
Wer kein ganzes Jahr mehr auf das nächste Konzert in der Jesuitenkirche warten möchte, kann am 5. November den Bad Münstereifeler Chor „Allegro Vivace“ mit einem Mozart-Konzert erleben. Weitere Informationen gibt es online.