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DauerthemaBad Münstereifel streitet seit Jahrzehnten über das Thema Verkehr

Lesezeit 5 Minuten
Das Luftbild zeigt die Innenstadt von Bad Münstereifel. Rechts ist die Umgehungsstraße zu sehen.

Einst führte der Verkehr quer durch die enge Innenstadt. Erst Ende der 1960er-Jahre wurde die Umgehungsstraße fertiggestellt (rechts im Bild).

Bis 1968 führte die B 51 quer durch Bad Münstereifels Innenstadt. Und seit 1978 gibt es eine Fußgängerzone auf der Werther Straße.

Vom „Untergang der Kernstadt“ ist die Rede. Und das wegen einer Verkehrsmaßnahme, die eigentlich alles besser machen soll. Allerdings schreiben wir nicht das Jahr 2023, sondern das Jahr 1960. Es geht nicht um eine Fußgängerzone von Tor zu Tor, sondern um die Umgehungsstraße am Radberg. Die Geschichte zeigt aber: Geschichte wiederholt sich. Diskussionen auch.

Denn wie 63 Jahre später, war es damals, genauer am 16. Februar 1960, der Stadtrat, der trotz erheblicher Bedenken der Bürger die östliche Umgehungsstraße beschloss. Die Bedenken wurden auch nicht zerstreut. Bei einem Erörterungstermin über die Planung sprachen sich 27 Anwesende gegen den Bau der Ostumgehung aus. Es gab nur sechs Befürworter. Das setzte sich sechs Tage später bei einer Bürgerversammlung fort, die Mehrheit war dagegen.

Am 6.6.66 begann der Bau der Bad Münstereifeler Umgehungsstraße

Gebaut wurde die Straße trotzdem. Der Start der Arbeiten, die 9,3 Millionen Mark kosten sollten, fiel auf ein prägnantes Datum: den 6.6.66. Zwei Jahre später, am 10. Dezember 1968, wurde die Umgehungsstraße für den Verkehr freigegeben.

Das Bild zeigt die Fußgängerzone Werther Straße in Bad Münstereifel und Menschen, die draußen an den Tischen der Restaurants sitzen.

Fußgängerzone mit Außengastronomie: Entlang der Werther Straße haben Restaurants und Cafés bestuhlt.

Im Buch „Die 1966er von Bad Münstereifel“ hat unter anderem Stadtarchivar Harald Bongart etwas über die Verkehrsführung geschrieben. So waren die Werther Straße und die Orchheimer Straße Teil der Bundesstraße 51. „An den Rennwochenenden am Nürburgring gab es kilometerlange Staus“, heißt es. Bongart kommt zu dem Schluss: Es gab in den 60ern einen Verkehrsinfarkt in der City.

1974 wurde Bad Münstereifel „staatlich anerkanntes Kneippbad“

Die Ost-Umgehung sollte aber nicht zur Entlastung der Kernstadt beitragen. Sie war noch aus einem anderen Grund wichtig. Sie war Voraussetzung für die Umwidmung der Kurstadt im Jahr 1974 in ein „staatlich anerkanntes Kneippbad“.

Am Markt gab es eine Ampel, eine zweite an der Post. Und vor der Apotheke war eine Zapfsäule zum Tanken.
Günter Portz

Eine Fußgängerzone gab es dann ab 1978 – allerdings nur auf der Werther Straße zwischen Alte Gasse und Werther Tor. Einer, der das hautnah mitbekommen hat, ist Gastronom Günter Portz. 1976 sei er Bürger von und Geschäftsmann in Bad Münstereifel geworden. „Damals hatte die Werther Straße noch einen Bürgersteig, teils fuhr der Schwerlastverkehr von Tor zu Tor. Am Markt gab es eine Ampel, eine zweite an der Post. Und vor der Apotheke war eine Zapfsäule zum Tanken“, erinnert er sich. Damals habe man scherzhalber vom „Café zur Gaskammer“ gesprochen, weil die Abgasbelastung so hoch war.

Seit 1978 ist die Werther Straße eine Fußgängerzone

Ein halbes Jahr nach seinem Start sah Portz sein Café in seiner Existenz bedroht: Der Kanal auf der Werther Straße wurde vergrößert. „Ich hatte die Horrorvorstellung, dass die Gäste nicht mehr zu meinem Café kommen. Deshalb habe ich die Gäste persönlich abgeholt.“

1978 wurde die Werther Straße zur Fußgängerzone. An der schnellen Eingewöhnung war Portz nicht unbeteiligt. „Stadtdirektor Armin Ahrendt kam zu mir und motivierte mich, Stühle und Tische auf der Straße aufzustellen“, sagte Portz. Ihm kam die Erweiterung seiner Fläche gelegen, denn das Café sei nicht sehr groß gewesen, erinnert er sich. Als er im Frühjahr 1979 dann erstmals nach der Winterpause wieder Stühle auf der Straße aufstellte, „waren die nach fünf Minuten alle voll“, so der Gastronom.

In der Blütezeit hatte Bad Münstereifel 268.000 Übernachtungen

Es war die Blütezeit der Stadt. Von Mitte der 70er-Jahre an konnte Portz jedes Jahr Umsatzsteigerungen feststellen. Als den „Höhepunkt des Kurwesens“ bezeichnet J. Birmanns es im Buch „Die Geschichte des Kneipp-Heilbades Bad Münstereifel“ das Jahr 1983. 60.000 Kurgäste, 268.000 Übernachtungen, 1700 Betten.

Doch die Fußgängerzone und ab 1993 die Sperrung der Orchheimer Straße jeden Mittag veränderte die Innenstadt. Bäcker, Ärzte, Metzger und Supermärkte zogen in die Vorstadt. „Die ist heute wie ein Zentrum wegen der besseren Infrastruktur“, bestätigt Andreas Bühl (UWV). Diese unterschiedliche Relevanz zwischen Innen- und Außenstadt sei nicht mehr vorhanden.

Der Einbruch in Bad Münstereifel kam allerspätestens um die Jahrtausendwende, laut Birmanns aber schon früher. Das 1993 in Kraft getretene Gesundheitsstrukturgesetz mit den Sparmaßnahmen im Gesundheitswesen führte laut Horst-Peter Neuses Buch „Bad Münstereifel – Geschichte des Kurwesens“ zur Streichung der bisher gewährten Zuschüsse durch die Krankenkassen.

Dem Sterben der Innenstadt folgte der Aufschwung durch das City Outlet

Das führte dann auch zum Sterben von Bad Münstereifel, gerade im gastronomischen Bereich. Einige Betreiber von Cafés und Kneipen waren mittlerweile auch im Ruhestandsalter angekommen und fanden keine Nachfolger, berichtet Bühl. „Und es gab Mietpreiserhöhungen“, erinnert sich Bühl. Portz präzisiert mit einem Wort: Explosionsartig.

Auf dem Bild sind vier Männer zu sehen. In ihrer Mitte haben sie ein Foto mit einer Ortsansicht von Bad Münstereifel.

Warfen einen Blick zurück: Günter Portz (v.l.), Martin Mehrens, Peter Schallenberg und Andreas Bühl.

Einen neuen Aufschwung für die siechende Stadt gab es mit dem 2014 eröffneten City Outlet. „Ohne das hätten wir Leerstände“, sagt Peter Schallenberg (Grüne). Für ihn ist die Mischung zwischen Anwohnern und Geschäften wichtig. Das eine gebe es nicht ohne das andere.

Auch die Flut kann wieder eine Chance für den Ort sein

Aber auch die Flutkatastrophe vor zwei Jahren kann eine solche Chance darstellen. So wie die Überschwemmung 1818 die Stadt Bad Münstereifel historischen Aufzeichnungen zufolge verjüngt hat.

Jetzt nach der Flut, die so viel Elend gebracht hat, schlägt die historische Stunde, ein Kleinod zu schaffen, mit dem nichts in der Eifel vergleichbar ist.
Günter Portz

Günter Portz ist deshalb für die Ausweitung der Fußgängerzone, die laut Martin Mehrens (CDU) wohl nicht vor Ende der Sommerferien 2024 kommen wird. Aber Portz sagt auch: „Wir müssen die Spitzen aus dem Thema bekommen.“ Es könne nicht sein, dass es zwei Blöcke in der Stadt gebe.

Für ihn ist Bad Münstereifel „die“ Stadt in der Eifel: fantastisch gelegen, mit einer Autobahnanbindung. Aber es gebe keinen Grund, warum Auswärtige in die Stadt hineinfahren müssten. Portz wird beinahe poetisch: „Wir haben eine fantastisch entwickelte Kernstadt. Jetzt nach der Flut, die so viel Elend gebracht hat, schlägt die historische Stunde, ein Kleinod zu schaffen, mit dem nichts in der Eifel vergleichbar ist. Die Stadt ist eine Augenweide. Wenn wir keine Fußgängerzone einrichten, ist das ein Schritt zurück.“

Dem stimmt Peter Schallenberg zu. „Die Stadt wird dadurch gewinnen.“ Den Aufschrei, das habe die Historie eben gezeigt, gebe es immer. Nur die Gastronomie müsse jetzt auch wieder erstarken, findet Bühl.

Portz schätzt, dass in der Kernstadt rund 800 Gastronomieplätze in den vergangenen zehn Jahren verloren gegangen seien. Konkurrenz sei das nicht. Im Gegenteil. „Aktuell steht hinter jedem Gast schon der nächste Kunde“, so Portz. Mit mehr Gastronomiebetrieben wird es auch wieder etwas gemütlicher.