Auch drei Monate nach dem Tod einer Radfahrerin in Wachtberg hat die Bonner Staatsanwaltschaft keinen Hinweis auf die Unfallursache. Die Autofahrerin, die am 3. Juli zwei Mädchen im Gegenverkehr überfuhr, schweigt.
Staatsanwaltschaft BonnKeine Ursache für tödlichen Unfall in Wachtberg gefunden
Ein kleiner grüner Drache baumelt neben der Kreisstraße 57 an dem Rankgitter, das einer jungen Rose Halt gibt. Drei Monate nach dem entsetzlichen Unfall zwischen den Wachtberger Ortschaften Gimmersdorf und Villip, bei dem eine 17-Jährige starb und ihre Schwester schwer verletzt wurde, wächst hier kein Gras über die Sache. Aber wie sieht das bei den Ermittlern der Bonner Staatsanwaltschaft aus? Die ist bei der Suche einer Ursache für das Unglück noch keinen Schritt weiter gekommen; zudem sind gerade Herbstferien.
„Auf Ihre Anfrage teile ich mit, dass das Verfahren noch nicht abgeschlossen ist. Eine Erklärung für den Unfall ist nach den durchgeführten Ermittlungen, die diesbezüglich noch andauern, bisher nicht festgestellt worden“, lautet die offizielle Stellungnahme von Sebastian Buß, dem Sprecher der Ermittler.
Zeitdruck durch Fristen gebe es keine, versichert Buß und muss ansonsten passen. Klar ist: Es geht um eine Ermittlung wegen fahrlässiger Tötung gegen eine 61 Jahre alte Autofahrerin, aber eine Anklage ohne Kenntnis der Ursache? Die Polizei hatte zuletzt mitgeteilt, die Frau habe noch nicht vernommen werden können, zumal sie selbst nach dem Unfall unter Schock gestanden habe und betreut wurde. Doch seit dieser Aussage sind nun auch schon etliche Wochen verstrichen, und „Herr des Verfahrens“ ist die Staatsanwaltschaft.
Aber was macht die Sache so zäh? Offenkundig schweigt die Unfallfahrerin weiterhin, und alle bisher aufgenommen und ausgewerteten Spuren haben nicht den geringsten Hinweis darauf gegeben, warum das Auto auf die Gegenfahrbahn fuhr und ungebremst mit den beiden Radfahrerinnen kollidierte: Nach Zeugenaussagen fuhren die beiden Mädchen aus dem Bonner Stadtgebiet nach dem Reiten in Gimmersdorf am Straßenrand brav hintereinander mit ihren Fahrrädern über die K 57 nach Hause. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass sie durch ihr Verhalten irgendwie zum Unfallgeschehen beigetragen hätten - außer, dass sie um genau die Zeit dort entlangfuhren, als ihnen das Auto mit der 61-Jährigen am Steuer entgegenkam.
Gutachten zu den technischen Einzelheiten liegen auch längst vor. Doch das Auto soll vor dem Unfall völlig funktionstüchtig gewesen sein. Fest steht auch: Es entstand keine Bremsspur. Das Fahrzeug kann also nicht heftig abgebremst worden sein. So spricht vieles dafür, dass die Fahrerin überhaupt nicht bemerkte, was geschah. Alkohol und Drogen scheiden anhand der Blutproben jedoch aus. Die Frau kann auch nicht „mal kurz“ aufs Handy geschaut haben. Die Polizei hat das mit ihren Möglichkeiten geprüft und ausgeschlossen.
Bleibt die Möglichkeit eines Sekundenschlafs oder vielleicht medizinisch begründeten plötzlichen Blackouts. Doch auch für den gibt es bislang keine Bestätigung. Eine medizinische Untersuchung der Unfallfahrerin auf Krankheiten oder spezielle Gründe für eine Fahruntüchtigkeit gab es wohl nicht. Dies sei auch unüblich, heißt es in Ermittlerkreisen. Die Frau sei bloß, wie auch die schwer verletzte Schwester der 17-Jährigen, in ein Krankenhaus gebracht worden, allerdings dann auch recht schnell wieder entlassen worden.
Die Autofahrerin, die vielleicht am allerbesten weiß, warum es zu dem Unfall kam, muss sich nicht selbst belasten. Das garantiert ihr das Rechtssystem. Jede Einlassung gegenüber der Justiz könnte für sie weitreichendere Folgen haben. Zum einen die Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung, aber vielleicht auch ein grundsätzliches Fahrverbot. Was würde es ihr nützen, zu sagen, es sei ein ihr fremde Auto gewesen, mit dem sie unterwegs war? Was, wenn sie öfter Blackouts hätte? Was, wenn sie absichtlich gehandelt hätte? Das sind die Fragen, die Angehörige und Freunde umtreibt, aber auch Menschen, die in Wachtberg leben und immer wieder an der Unfallstelle vorbeikommen.
Die Markierungen der Polizei sind nach drei Monaten von der Straße gewaschen, aber die kleine Gedenkstätte am Rande des derzeit abgeernteten Feldes, in dem Auto und Mädchen nach dem Zusammenstoß landeten, hält die Erinnerung aufrecht. In einem Behälter liegen Bruchstücke von Fahrrad und Auto - Keilriemen, Zierleisten und ein Bruchstück des Fahrradlenkers. Die Rose ist von der Sorte „The Fairy“ und zeigt ihre typischen ausdauernd hellrosa Blüten. Laternen ermöglichen eine Illumination mit Kerzen, auf einem Stein steht die Inschrift „Die Sonne sank, bevor es Abend wurde“. Und das ist nicht etwa eine Anspielung auf die Unfallursache (das Auto fuhr Richtung Osten), sondern auf das junge Leben, das hier erlosch.