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Der Baum der Zukunft ist ZweidimensionalRheinischer Obstbautag zog mehr als 100 Teilnehmer nach Wachtberg

Lesezeit 5 Minuten
Beim Rheinischen Obstbautag im Hotel Görres in Villip vorgestellt: Elstar EHS (mit Streifen) und Snap Dragon

Beim Rheinischen Obstbautag im Hotel Görres in Villip vorgestellt: Elstar EHS (mit Streifen) und SnapDragon

Neue Obstsorten, neue Schädlingsabwehr und noch ein wenig Groll auf die Regierung, das kennzeichnete den Rheinischen Obstbautag.

Was sind ein „Elstar EHS“ und ein „SnapDragon“, und wie hält man die beiden auseinander? Das gehörte zum kleinen Einmaleins der Apfelkunde, das es am Stand der „Exklusive Hofsorten“ GmbH und von Roland Schmitz-Hübsch aus Bornheim noch nebenbei zu lernen gab. Quasi in der Kaffeepause. Die etwa 110 Teilnehmer aus der Region befassten sich im Hotel Görres in Wachtberg-Villip aber vor allem mit echten Problemen ihres Fachs, und eines davon ist der Apfelwickler.

Rheinischer Obstbautag im Hotel Görres in Villip mit 110 Teilnehmern

Rheinischer Obstbautag im Hotel Görres in Villip mit 110 Teilnehmern

Die gefräßige Raupe soll wieder auf dem Vormarsch sein, teilte Christian Scheer vom Kompetenzzentrum Obstbau-Bodensee mit, und Igor Pedljo von der Firma Biofa gab Hinweise zum Spritzmittel Coragen, das auch hier im Rheinland weit verbreitet ist. Andernorts seien Resistenzen gegen das Mittel aufgefallen, weshalb der Firmenvertreter gleich ein paar Hinweise hatte, das Phänomen richtig zu beobachten, und Tipps gab, in welchen Konstellationen mit anderen Mitteln ergänzt werden kann. Hauptsächlich geht es um einen Sexualverwirrstoff, damit die Schmetterlinge in der Paarungszeit nicht zusammenfinden.

Ferdi Völzgen, dessen Betriebsstätte vor allem in Wachtberg-Fritzdorf ist, hat damit gute Erfahrungen gemacht. Der 57-Jährige setzt mit etlichen Kollegen seit 2022 die Verwirrmethode gegen den Wickler ein und ist „vollkommen zufrieden“. Lediglich zwei Kollegen hätten sich wegen des Verfahrens skeptisch geäußert und seien „damit nicht zurechtgekommen“. Völzgen konnte jedenfalls bestätigen, dass der Apfelwickler auch im vorigen Jahr enormen verbreitet war.

In der Kaffeepause stellten sich Firmen vor wie Christoph Peveling aus Rhede, die ab 17.000 Euro einen Mulcher anbot, der nach dem Anlernen ohne Personal den Bewuchs zwischen den Obstspalieren entfernt. „Er fährt fünf Stunden, dann lädt er fünf Stunden. Da spart man sich das Personal fürs Fahren, und der regelmäßige Schnitt macht den Boden besser begehbar“, erklärte der Vertreter. Neun Hektar schaffe die Maschine in drei Tagen. Cateno Conti pries Wellpappeeinlagen für Obstkisten von Fruitwell aus Weilerswist an - damit Obst sich nicht am Kistenrand aufreibt.

Mit oder ohne Glyphosat?

Noch bevor Adrian Engel Neuigkeiten zur notwendigen Schutzausrüstung beim Spritzen verbreitete, erklärte Denise Helms von der Landwirtschaftskammer NRW glyphosatfreie Herbizidstrategien beim Kernobst. Völzgen hält nichts davon, das weltbekannte Spritzmittel schlechtzureden: „Das ist ein echt wichtiger Wirkstoff. Man sollte sich doch mal auf die wissenschaftlichen Erkenntnisse berufen. Richtig angewandt, gibt es auch keine Gefahren.“

15 Hektar Land bewirtschaftet Völzgen, zehn davon mit Kernobst. Seine beiden Söhne haben beruflich einen anderen Weg eingeschlagen, aber die Tochter studiert in Freising Gartenbau. Ein Grund, warum Völzgen will, dass Obstbau in Deutschland Zukunft hat. Um die macht er sich aber mächtig Sorgen und hat, so wie die Zeit das zuließ, auch bei den jüngsten Bauernprotesten in der Region mitgemacht: „Die Kfz-Steuer ist nur eine Sache, und im Obstbau wird nicht so viel Diesel je Fläche benötigt, wie in anderen Landwirtschaftszweigen. Aber die Forderung ist doch völlig legitim, wenn die Fahrzeuge die öffentliche Straße nicht nutzen. Man musste einfach klipp und klar sagen, dass es nicht so weiterläuft.“

Völzgen bedauerte, dass der Vortrag zu den Baumformen der Zukunft abgesagt worden sei, weil die Dozentin nicht konnte. Es wird in Zukunft keine dreidimensionalen Bäume mehr geben, glaubt er, denn Pflückroboter müssen die Arbeit übernehmen, weil Personal einfach viel zu teuer sei: „Das mit dem Mindestlohn wird ja weitergehen.“ Eine Maschine könne nur zweidimensionale Fruchtwände abernten. Folglich sei das Pflanzmaterial noch entsprechend anzupassen, damit Wuchs und Ertrag stimmten. „Anders können wir nicht mit den Kollegen aus dem EU-Ausland konkurrieren.“ Der Landwirt findet: „Wir haben ein Einnahmen-Problem. Unsere Produkte sind viel zu preiswert. Es fehlt die Ansage der Regierung, ob Deutschland sich noch Landwirtschaft leisten will und wie das gehen soll, wenn nur ein Teil der Verbraucher den Unterschied zwischen hiesigen Lebensmitteln und andernorts produzierten sieht.“

Wir haben ein Einnahmen-Problem. Unsere Produkte sind viel zu preiswert. Es fehlt die Ansage der Regierung, ob Deutschland sich noch Landwirtschaft leisten will und wie das gehen soll, wenn nur ein Teil der Verbraucher den Unterschied zwischen hiesigen Lebensmitteln und andernorts produzierten sieht.
Ferdi Völzgen, Landwirt mit Produktionsstätten in Wachtberg-Fritzdorf

Selbst diejenigen, die es sich leisten könnten und in Umfragen für regionale Produkte stimmten, würden beim Einkaufen nach dem Preis entscheiden, weiß Provinzial-Geschäftsführer Peter Muß. Er hat Verständnis für Landwirte, die ihren Spargel oder andere Lebensmittel unterpflügten, weil Ernten teurer gewesen wäre. Laut Völzgen liefert der Süden inzwischen auch zur hiesigen Hauptsaison Obst und Gemüse. Die Nachhaltigkeit von Produkten aus Spanien, so Muß, müsse der Verbraucher aber mal hinterfragen, schon allein wegen des Wasserverbrauchs in der Trockenheit.

Die heißen Sommer werden, wie Völzgen betont, aber auch hierzulande zum Problem werden: „Da muss man sich mal fragen, ob die alten Sorten wirklich besser waren, oder wegen des Fruchtfleischs und der Lagerfähigkeit sowie der Schorftoleranz zugunsten weniger Pflanzenschutzmittel doch neue Sorten nötig werden.“

Neue Obstsorten vorgestellt

Anke Fischer von Fresh Forward aus den Niederlanden stellte die Sorte „WURtwinning“ vor, die es schon lange im Hofladen von Manfred und Suzanna Felten in Meckenheim zu kaufen gibt. Pieter van Rijn von Xenia Europa stellte die Birne „Xenia“ vor, und Roland Schmitz-Hübsch aus Bornheim stellte mit der Exklusive Hofsorten (EHS) GmbH die Apfelsorten „SnapDragon“ und „Elstar“ EHS vor. Snap Dragon ist eine Marke, die er sich dazugekauft hat, um die vor allem bei Kindern beliebten süßen Äpfel anbieten zu können. Der Elstar ist ein moderner Apfel in altem Aussehen: „Er hat Streifen, wie der Elstar von früher und ist so bei Kressbronn am Bodensee entdeckt worden“, erklärt EHS-Geschäftsführer Herbert Knuppen. Beide Sorten gehören zu den Gewinnern einer Blindverkostung bei Schmitz-Hübsch, an der mehr als 150 registrierte Tester Bewertungen vornahmen.

Herbert Knuppen (l., Exklusive Hofsorten GmbH) und Roland Schmitz-Hübsch (Bornheim) mit den neuen Sorten Elstar EHS und SnapDragon

Herbert Knuppen (l., Exklusive Hofsorten GmbH) und Roland Schmitz-Hübsch (Bornheim) mit den neuen Sorten Elstar EHS und SnapDragon


Der Rheinische Obstbautag ist eine gemeinsame Veranstaltung des Provinzialverbands Rheinischer Obst- und Gemüsebauern, der Landwirtschaftskammer NRW, des Dienstleistungszentrums Ländlicher Raum Rheinpfalz am Dienstsitz Rheinbach sowie des Arbeitskreises Obstbau der ehemaligen Fachschüler aus Ahrweiler und Rheinbach.