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Ausbruch vereiteltVerhaftungen im Bonner Gerichtssaal

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Das Eingangsportal des Bonner Landgerichts. Ein 31 und ein 35 Jahre alter Angeklagten stehen im Verdacht, dass sie sich noch vor dem Bonner Urteil absetzen wollten.

Das Eingangsportal des Bonner Landgerichts. Ein 31 und ein 35 Jahre alter Angeklagten stehen im Verdacht, dass sie sich noch vor dem Bonner Urteil absetzen wollten.

Bonner Prozess um Blitzeinbrüche in Tankstellen: Zwei haftverschonte Angeklagte (31 und 35) planten einen Mittäter (24) aus dem Gefängnis zu befreien und sich ein die Türkei abzusetzen.

Im Saal W 1.13 des Bonner Landgerichts schien alles wie gewohnt: Der 8. Prozesstag in einem Verfahren gegen drei Angeklagte, die sich wegen sechs Blitzeinbrüchen in Tankstellen verantworten müssen, startete - nach einer zweiwöchigen Urlaubspause - ganz unaufgeregt mit einer Zeugenvernehmung. Schließlich hatten die drei Angeklagten (24, 31 und 35 Jahre alt) gleich zu Prozessbeginn im Mai Geständnisse über ihre Verteidiger abgeliefert, zwei Beschuldigte hatte das Oberlandesgericht im selben Monat sogar haftverschont und auf freien Fuß gesetzt. Da die beiden Verdächtigen sich bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgesetzt hätten, so die Begründung, würden sie es - gegen gezahlte Kautionen von 12 000 und 14 000 Euro - sicher nicht noch tun.

Dann der Coup am Ende dieses Prozesstages: Die beiden haftverschonten (und ahnungslosen) Angeklagten wurden im Gerichtssaal verhaftet, ihnen Handschellen angelegt - und auch sofort die Mobiltelefone abgenommen, bevor sie diese verschwinden lassen konnten. In einem Beschluss der Kammer erklärte ihr Vorsitzender Marc Eumann auch die Gründe, wie Gerichtssprecherin Gerlind Keller auf Nachfrage bestätigte. Bei den 31 und 35 Jahre alten Angeklagten gäbe es den dringenden Verdacht, dass sie sich noch vor dem Bonner Urteil absetzen wollten. Auch gäbe es Hinweise auf Verdunklungsgefahr.

Die Hinweise fanden - ein Glück für die Bonner Justiz - Hamburger Ermittler auf den abgehörten Gespräche der beiden gebürtigen Türken, die im Verdacht stehen, auch eine Sparkasse in der Hansestadt (Beute: 2 Millionen Euro) geplündert zu haben. In den Abhörprotokollen fanden sich klare Ansagen, dass sie keineswegs beabsichtigten, die Haftstrafen in Deutschland abzusitzen. Laut Kammerbegründung soll einer der beiden im Juli - also während der Prozesspause - ohne Pass nach Bulgarien gefahren sein, um dort eine Anzahlung auf ein Grundstück zu leisten. Weiterhin sollen sie den Plan gehabt haben, den Dritten im Bunde (der nicht haftverschont ist) aus dem Gefängnis zu befreien und sich gemeinsam in die Türkei abzusetzen.

Dafür habe es bereits deutliche Vorbereitungen gegeben: Dem 24-Jährigen soll im Knast ein Mobiltelefon in einem ausgehöhlten Toastbrot zugespielt worden sein, das Ladegerät wurde in seiner Unterhose, ganz nah am Körper entdeckt. Und schließlich soll - auch das ergab die Auswertung der Gespräche - der 31-Jährige wiederholt versucht haben, den vierten Täter zu kontaktieren. Über dessen Identität haben alle drei Angeklagte bislang geschwiegen.

So spektakulär wie jetzt die Verhaftungen im Saal, war am 10. Juni 2023 auch die Festnahme der Blitzeinbrecher nach einem gescheiterten und entdeckten Einbruchsversuch in einer Tankstelle in Heimerzheim. Eine Stunde lang hatte es eine rasante, grenzüberschreitende Verfolgungsfahrt über verschiedene Autobahnen gegeben. Schließlich konnten die Fahnder die vier Männer in den beiden hochgetunten Audis auf der A61 im Bereich der Ahrtalbrücke stoppen; dem vierten gelang es dennoch, zu Fuß zu flüchten.

Der Vorwurf des Anklägers: bandenmäßiger Einbruchdiebstahl in sechs Fällen. Demnach erbeuteten die Angeklagten in wechselnden Besetzungen bei den Blitzeinbrüchen in Tankstellen, bei denen sie die Safes aus den Verankerung lösten und auf einem Rollwagen abtransportierten, insgesamt 240 000 Euro. Fette Beute machten sie mit 67 000 Euro Bargeld bei einer Tankstelle in Niederkassel, in Sprockhövel waren es 81 000 Euro, in Erkrath 32 000 Euro, in Rostock 26 000 Euro und schließlich an der Dürener Straße in Köln 34 000 Euro, bis sie in Heimerzheim erst am gut gesicherten Verkaufsraum und schließlich am überraschenden Polizeibesuch scheiterten.

Der Prozess wird - wie geplant - weiter fortgesetzt.