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Flut in Swisttal-OdendorfDas große Aufräumen und der lange Weg zurück ins Leben

Lesezeit 5 Minuten
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Schwiegervater Josef Gossen half beim Entkernen des alten Hauses.

  1. Der Blick zurück: Auch mehr als drei Monate nach der Katastrophe vom 14. Juli ist der Alltag in den Flutgebieten weit von Normalität entfernt.
  2. Ein Beispiel aus Swisttal-Odendorf.

Swisttal – Seit rund einem Jahrhundert steht das Fachwerkhaus an der Kirchstraße in Heimerzheim. Robert Manz und seine Freundin Alina Schneider haben es 2018 gekauft. Als die Flut am 14. Juli auch den Swisttaler Ort schwer traf, stieg das Wasser bis knapp unter die Decke des Erdgeschosses. Seitdem hat der 39-Jährige jedes Wochenende daran gearbeitet, seinen Traum vom Fachwerkhaus wieder aufzubauen. Nun hängt er in der Schwebe. Er wartet auf die Ergebnisse der Bodenproben und erklärt: „ Der Gutachter hat gesagt, Abriss sei die beste Option.“

Die Möglichkeiten seien ohnehin auf zwei Optionen beschränkt: Abriss und Neubau ist die eine. Das Mauerwerk erneuern und eine neue Bodenplatte gießen die andere. Das Haus ist zu stark kontaminiert. Nur wenige Tage vor der Flut hat Manz den Heizöltank im Keller auffüllen lassen – 3000 Liter gehen rein. Die Vorbereitung auf einen kalten Winter mit hohen Energiekosten hat seine Lage allerdings nur verschlimmert, als das Hochwasser kam. Denn das Heizöl stieg mit dem Wasser und setzte sich in jedes Gebäudeteil.

Sogar in den Zwischenwänden landete der Schlamm

In Estrich und Dämmmaterial in den Wänden. Selbst in den Zwischenraum der doppelt verglasten Fenster hat sich das Wasser-Öl-Gemisch seinen Weg gebahnt. Es konnte auch nirgendwo anders hin, da es in alten Fachwerkhäusern nicht üblich war, im Haus einen Abfluss oder eine Sickergrube zu errichten. Ein Fenster gibt es nicht, lediglich ein alter Schacht für Kohlen führt von außen in das Untergeschoss. Dort suchte sich der Dauerregen zuerst den Weg. Als das Wasser bei knapp 1,80 Meter im Erdgeschoss nicht mehr weiter stieg, saß das Paar mit der damals zehn Monate alten Tochter im ersten Stock fest.

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Robert Manz und seine Familie mussten mit dem Boot  gerettet werden. 

Nach zwölf Stunden konnten sie ihr Zuhause verlassen. In der Zwischenzeit hatten sie miterlebt, wie zahlreiche Menschen mit dem Hubschrauber gerettet worden waren. Erst nachdem die Wassermassen nicht mehr alles mit sich rissen, was ihnen in die Quere kam, konnten auch DLRG und DRK die Menschen mit Booten aus ihren Häusern holen. Die kleine Emilia war mittendrin. Sie hat auch dafür gesorgt, dass ihre Eltern nicht den Kopf verlieren. „Es war ganz merkwürdig, die Kleine hat während der ganzen Zeit im Haus gelacht und sich gefreut, weil Mama und Papa sonst selten gemeinsam zu Hause sind“, berichtet der Vater.

Erst jetzt realisiert man so richtig

Seine Tochter hilft ihm auch jetzt. „Ich sehe sie im Moment eine halbe Stunde am Tag, wenn ich nach Hause komme und bevor sie ins Bett geht. Aber allein diese halbe Stunde gibt mir unheimlich viel“, erklärt er. Denn durch die Ungewissheit und das Warten auf die Ergebnisse habe sich eine Leere gebildet. „Vorher habe ich jede freie Minute und jedes Wochenende am Haus gearbeitet. Das Gefühl jetzt stelle ich mir vor, als wenn man in Rente geht. Dieser Modus des Funktionierens ist abrupt beendet“, schildert er. Er habe jetzt erst wirklich Zeit, alles zu realisieren, sagt er: „Und besonders, was für ein Rattenschwanz daran hängt.“

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Auf die ersten Aufräumarbeiten folgten in den letzten hundert Tagen mehrere Aktionen mit Freiwilligen an den Wochenenden. Zudem kamen Freunde und Familie zum Helfen. Nach und nach musste zunächst der Putz von den Wänden. Die Fliesen auf den Böden wurden herausgestemmt. Das Erdgeschoss und der Keller wurden entkernt. Ein riesiger Ventilator, den ein Bekannter nur Tage nach der Flut per Anhänger brachte, übernahm das Trocknen. Nun stehen die Anträge für die Wiederaufbauhilfe an. Die kann die Familie aber erst stellen, wenn sie weiß, ob das Haus abgerissen werden muss, oder eben nicht. „Wir können nur entweder den Antrag auf Wiederaufbau oder den Antrag auf Abriss und Neubau stellen. Davon hängt allerdings auch ab, welche Handwerker wir anschließend benötigen“, fasst der 39-Jährige zusammen.

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Die Strömung zeigt, mit welcher Kraft die Wassermassen durch die Orte geflossen sind

Wegen des drohenden Abrisses seines Fachwerkhauses wirkt Manz zudem zerknirscht. „Na ja, ein Fertighaus ist immer noch besser als kein Haus“, konstatiert er. Bis die Familie wieder in Heimerzheim im Eigenheim lebt, wird laut dem Familienvater noch mindestens ein Jahr vergehen. Beim Ausblick auf die nächsten Wochen schlägt er die Hände über dem Kopf zusammen. „Wir haben gerade erfahren, dass wir noch ein zweites Kind bekommen. Haus und Familienzuwachs, das wird viel“, erklärt er. Aber es sei ihm lieber, jetzt einmal sehr viel auf einmal und dafür anschließend mehr Ruhe zu haben.

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Auf der Suche nach etwas Ruhe und einem Rückzugsort für die Monate oder Jahre, in denen das Zuhause in Arbeit ist, ist die Familie zumindest schon fündig geworden. Seit der Flutnacht wohnen sie bei Freunden in Köln. Demnächst ziehen sie in ein Haus zur Miete in Buschhoven, zehn Autominuten von Heimerzheim entfernt.

Manz hofft, dass dort Gelassenheit einkehrt, selbst wenn er seinen Traum vom hundert Jahre alten Fachwerkhaus aufgeben muss.

Beauftragter für den Wiederaufbau

Um den Aufbau nach der Flut zu koordinieren, hat NRW-Ministerpräsident Armin Laschet im August Dr. Fritz Jaeckel zum Beauftragten für den Wiederaufbau ernannt. Jaeckel ist Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Nord Westfalen, zuvor war er von 2014 bis 2017 Chef der sächsischen Staatskanzlei.

Bereits nach den Hochwasser-Katastrophen 2002 und 2013 begleitete er den Wiederaufbau in leitender Funktion. „Seine Kenntnisse einerseits und die Zusammenarbeit mit Bauministerin Ina Scharrenbach andererseits haben dazu geführt, dass der Wiederaufbau in den Hochwassergebieten schneller als bei früheren Naturkatastrophen abläuft“, sagte ein Sprecher des NRW-Bauministeriums. Jaeckels Aufgaben bestünden unter anderem in vielen Gesprächen mit Bürgermeistern und Landräten. Ein Schwerpunkt sei auch die Aufbauhilfe für Unternehmen.

Ende November endet Jaeckels Job als Beauftragter für Wiederaufbau schon wieder. Das sorgte unter anderem bei der SPD für Verwunderung. Auch, weil Laschet im Zuge der Ernennung davon sprach, dass für den Wiederaufbau ein langer Atem nötig sei. „Da wird ein Gegensatz konstruiert, der keiner ist“, sagt der Ministeriumssprecher. Jaeckels Aufgabe sei es, „beim Aufbau von Hilfestrukturen maßgeblich mitzuwirken“. Dabei habe er sich bereits jetzt „große Verdienste“ erarbeitet.

Jaeckel selbst äußerte sich in dieser Woche nicht zu seiner Arbeit. Er zieht aktuell mit seiner Familie um und ist erst am Montag wieder im Dienst. (sim)