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Betruf um Flut-HilfeLudendorfer Wohngemeinschaft verlor 2500 Euro an dubiose Firma

Lesezeit 5 Minuten

Florian Junghanß (l.) und Justin Becker 

Swisttal – Erst erwischte die Flut Justin Becker und Florian Junghanß in Ludendorf, anschließend machten die Freunde eine weitere bittere Erfahrung: Eigentlich wollten sie das durch den Dauerregen malträtierte Dach über ihrem Vorhof erneuen lassen, aber dreiste Betrüger brachten die beiden um 2500 Euro, den Großteil der erhaltenen Soforthilfe für vom Hochwasser Betroffene. Nun stehen sie ohne Geld und mit weiterhin undichtem Dach da.

Die Schulfreunde wohnen in einer Art „Haus-Wohngemeinschaft“. Als in der Nacht vom 14. Juli das Hochwasser kam, brachten die beiden mit Florians Frau Annabel Junghanß Möbel und Ausstattung ins Obergeschoss. Das Wasser sollte später ungefähr einen halben Meter hoch im Haus und im Innenhof stehen. Dabei vergrößerte der anhaltende Regen auch die vorhandenen, kleinen Löcher im Wellblechdach über dem Innenhof – seitdem regnet es hinein. Der Hof ist also auch sechs Wochen nach der Flut keine Option, um etwas zwischenzulagern, das wieder in den Keller soll. Das Untergeschoss stand komplett unter Wasser und ist auch heute noch feucht. Die beiden entschieden, einen Teil der Soforthilfe für Flutgeschädigte zu nutzen, um das Dach zu reparieren. Bei einem Kleinanzeigenanbieter stießen sie auf einen mutmaßlichen Dachdecker, der den beiden ein Angebot machte. „Er wollte 5000 Euro von uns haben, um das Dach zu sanieren“, erinnert sich Becker. „Da haben wir gesagt, dass wir uns das überlegen. So viel Geld konnten wir nicht dafür ausgeben.“

Florian Junghanß hat daraufhin bei Familien und Freunden Meinungen dazu eingeholt. 3000 bis 4000 Euro seien ein gutes Angebot für das 56 Quadratmeter große Dach, waren sich alle einig. Der Dachdecker meldete sich nach nur wenigen Tagen und senkte den Preis auf 4000 Euro – unter der Bedingung, sofort anfangen zu können, erinnert sich Becker. „Im Nachhinein hätte uns da schon etwas auffallen können, aber wir waren zu naiv und zu unerfahren“, sagt der 24-Jährige. Die beiden wogen sich aufgrund der Internetseite der Firma samt Steuer-Identifikationsnummer in Sicherheit. Die Webseite ist heute nicht mehr online. Die Firmentelefonnummer ist nicht mehr erreichbar.

Ohne Absprache losgelegt

Der angebliche Fachmann erhielt 1200 Euro Anzahlung und ging ohne weitere Absprache einfach ans Werk. Mit zwei „Kollegen“ entfernte er das Dach und zerstörte dabei noch die Regenrinne, die die beiden nach der Sanierung wieder anbringen wollten. Dann forderte er noch mehr Geld, da angeblich noch Material fehlte. Erneut übergaben die beiden 1300 Euro, die Handwerker sollten ihre Arbeit zu Ende bringen.

Doch es kam anders. Nägel wurden daneben geschlagen, die Arbeiten amateurhaft ausgeführt. Es kam zum Streit. Auch Annabel Junghanß hatte ein Wortgefecht mit den Betrügern – die Situation eskalierte. „Ich war zugegeben überfordert in dieser Situation“, erklärt Justin Becker im Nachgang. Als sie die Polizei rief, rannten die Arbeiter auf einmal los. Die junge Mutter eines Zweieinhalbjährigen sprintete hinter ihnen her, konnte aber kein Foto mehr vom Kennzeichen des Transporters schießen, in dem die Arbeiter flüchteten.

Falsches Material und viel zu teuer

2500 Euro waren futsch, etwas Material war nach der abrupten Aktion noch da. Wie sich bei Nachforschungen allerdings herausstellte, war dies nicht nur das falsche Material, sondern auch noch viel zu teuer. Eigentlich werden 20 Millimeter dicke Platten benutzt, bei Becker und Junghanß sind es nun 16 Millimeter auf dem Dach. Über Kai Imsande, der in Odendorf die Hilfskräfte organisiert hatte, kamen die beiden an einen richtigen Handwerker, der vorrechnete, dass das gesamte Material nur rund 600 Euro koste.

Nun geben die Freunde eine Anzeige auf. Die Polizei habe sie gebeten, das online zu erledigen, um alle Details des komplexen Falls zu beschreiben. Die Hoffnung, das Geld wiederzubekommen, haben sie so gut wie aufgegeben. „Zuerst war ich verzweifelt, mittlerweile habe ich nur noch Schuldgefühle, da ich die ganze Zeit dabei war und eine riesige Wut im Bauch“, sagt Justin Becker. „Wir stehen jetzt bei null, es ist kein Geld übrig, der Keller ist noch nass und das Dach weiterhin undicht“, fasst der ebenfalls 24 Jahre alte Junghanß zusammen: „Wir wollen mit unserer Geschichte andere sensibilisieren, so etwas soll nicht auch noch weiteren Betroffenen passieren.“

Kein Einzelfall

Die Ludendorfer sind seit der Flutnacht kein Einzelfall, es gab einige Betrugsversuche im Katastrophengebiet. Imsande berichtet, dass er und weitere Swisttaler Helfer einige Baufirmen geprüft hätten, die ihre Visitenkarten an den betroffenen Häusern im Ort hinterlassen hatten. Einige dieser Firmen seien erst wenige Tage zuvor gegründet worden. Die Helfer raten, Firmen zu meiden, die mit Lieferwagen ohne Logo und ohne Firmenkleidung unterwegs sind, sowie auf Bargeld bestehen oder nur gegen Vorkasse arbeiten. Besonders für Versicherte sei es wichtig, nur bei schriftlichen Angeboten zuzusagen, so Imsande.

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Auch die Polizei hat im Zusammenhang mit der Flutkatastrophe zu erhöhter Vorsicht aufgerufen. Es gab noch ähnliche Fälle, bei denen im Voraus bezahlte Arbeiten nicht mehr beendet wurden. Zudem gebe es aktuell zahlreiche Internet-Angebote, die nicht halten, was sie versprechen. Bautrockner sind bei den Betroffenen besonders gefragt, meist kommt nach Vorauszahlung aber gar keine oder minderwertige Ware bei den Bürgern an. Die Polizei empfiehlt, Spontankäufe zu meiden, auch wenn Ware dringend benötigt wird. Zudem soll kein Auftrag gegen Vorkasse abgeschlossen werden. Die Rechnung sollten Betroffene erst dann begleichen, wenn alle Arbeiten zur Zufriedenheit des Kunden abgeschlossen sind.

Opfer von Betrügereien bittet die Polizei, alle Beweise für einen Online-Kauf oder Ähnliches zu sichern und Anzeige bei den Beamten zu erstatten.