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Christian Olearius vor GerichtSo lief der Cum-Ex-Prozess-Auftakt in Bonn

Lesezeit 3 Minuten
Bonn: Der angeklagte Bankier Christian Olearius (M) steht zwischen seinen Anwälten Peter Gauweiler (l) und Rudolf Hübner im Gerichtssaal im Bonner Landgericht.

Keine Mitschuld? Christian Orlearius (Mitte) bestreitet eine Beteiligung an den illegalen Cum-Ex-Geschäften.

Olearius muss sich vor Gericht wegen schwerer Steuerhinterziehung in 14 Fällen verantworten. Die Staatsanwaltschaft Köln hat ausgerechnet, dass ein Schaden von 280 Millionen Euro entstanden sein soll.

Dezenter blauer Anzug, farblich passende Krawatte, die weißen Haare fein gescheitelt, so betritt Christian Olearius am Montagmorgen den Saal 0.11 des Bonner Landgerichts. Er sieht aus, wie man sich einen Banker in Hamburg vorstellt: gediegen. Fast 30 Jahre stand er an der Spitze der Privatbank M. M. Warburg, als persönlich haftender Gesellschafter, danach als Aufsichtsratsvorsitzender.

Doch seitdem er 2016 wegen der so genannten Cum-Ex-Geschäfte, in die sein Kreditinstitut verwickelt ist, ins Visier von Justiz und Finanzbehörden kam, geriet seine Karriere auf die Rutschbahn nach unten. Jetzt muss er sich also vor Gericht wegen schwerer Steuerhinterziehung in 14 Fällen verantworten. Die Staatsanwaltschaft Köln, die federführend die Cum-Ex-Anklagen schreibt, hat ausgerechnet, dass durch sein Tun ein Schaden von 280 Millionen Euro entstanden sein soll. Insgesamt sollen dem Fiskus Milliarden durch Cum-Ex-Deals entgangen sein. Der Bundesgerichtshof hat den Aktienhandel für kriminell erklärt.

Großes öffentliches Interesse

Für den Prozess hat Marion Slota-Haaf, die Vorsitzende Richterin der 13. Großen Strafkammer, vorerst 27 Verhandlungstage bis zum 22. März 2024 terminiert. Die Vorsitzende begrüßt eine ungewöhnlich große Anzahl von Zuhörern im Saal; es sei „ein Gewinn für jedes rechtsstaatliche Verfahren, wenn ein großes öffentliches Interesse besteht“, sagt sie.

Auch der Medienrummel ist groß, Fotografen und Kameraleute drängeln sich hinter einem Absperrband, um den Angeklagten und seine vier Verteidiger abzubilden. Das Interesse gilt wohl auch einem Mann, der gar nicht da ist: Bundeskanzler Olaf Scholz. Wer seinetwegen gekommen ist, muss bis 14.15 Uhr warten, dann fällt sein Name zum ersten Mal.

Gegenüber des Angeklagten sitzen die Vertreter der Staatsanwaltschaft, des Finanzamts für Steuerfahndung aus Düsseldorf und für Großunternehmen aus Hamburg, sowie des Bundeszentralamts für Steuern in Bonn, in dem 2011 eine Sachbearbeiterin den Skandal aufdeckte.

Um 10.11 Uhr beginnen die Staatsanwälte Kerkering und Pagenkemper abwechselnd mit der Verlesung des über 40-seitigen Anklagesatzes, in dem sie die wesentlichen Ermittlungsergebnisse zusammengefasst haben. Die gesamte Anklage ist über 370 Seiten stark. Das Publikum bekommt einen Einblick, wie es gewesen sein könnte mit den mutmaßlichen krummen Geschäften der Warburg Bankzwischen 2006 und Ende 2019.

Banker betont immer wieder seine Unschuld

Der Angeklagte und seine Helfer sollen sich zusammengeschlossen haben, um das Cum-Ex-Ding zu organisieren. Olearius soll sich detailliert eingearbeitet und Strategien mitentwickelt oder abgesegnet haben. Er zeichnete nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Steuererklärungen ab, die dazu dienten, die Kapitalertragssteuer zurückzuerhalten. Der Banker betonte bisher immer, er sei unschuldig. Es wurden bereits einige hochrangige Warburg-Manager und -Mitarbeiter teils zu Haftstrafen verurteilt.

Um 14.15 Uhr verlas Staatsanwältin Stephanie Kerkering dann den Namen Olaf Scholz. Der damalige Hamburger Bürgermeister soll sich 2016 zweimal mit Olearius getroffen haben, 2017 noch einmal. Die Bank wollte seinerzeit ihre politischen Kontakte nutzen, um eine angedrohte Steuernachzahlung zu verhindern. Sie antichambrierte nach Angaben der Anklägerin beim inzwischen zurückgetretenen Hamburger SPD-Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs, einem Strippenzieher und Haushaltspolitiker, und beim früheren 2. Bürgermeister Alfons Pawelczyk. Gegen beide wird ermittelt. Die Existenz der Bank sei bedroht, falls sie die Steuern erstatten müsse, habe Olearius mitgeteilt. „Eine verzerrte Darstellung“, nennt Kerkering diese Version.

Doch in der Tat verzichtete der Fiskus zunächst auf 47 Millionen Euro. Danach aber wies das Bundesfinanzministerium das Hamburger Finanzamt an, das Geld einzufordern. Insgesamt zahlte Warburg 176 Millionen Euro zurück. Die Verteidiger kündeten an, dass sich ihr Mandant am Mittwoch in Erklärungen, die sie für ihn vortragen wollen, einlassen werde.