Bereits in der vergangenen Woche hatte die Verteidiger-Riege Besetzungsrügen eingereicht, nun legten die Anwälte jedoch noch eins drauf.
Landgericht BonnPanne sorgt für Verzögerung im Cum-Ex-Verfahren
Eine Panne am Landgericht Bonn hat für Verzögerungen in der juristischen Aufklärung des Cum-Ex-Steuerskandals gesorgt: Der Vorsitzende Richter der 13. Großen Strafkammer, der prüfen sollte, ob die seit dem Sommer vorliegende Anklage wegen schwerer Steuerhinterziehung gegen Christian Olearius, den Miteigentümer der Hamburger Warburg Bank, zugelassen wird, hatte sich zu seiner Information Unterlagen aus einem Cum-Ex-Parallelverfahren der 12. Strafkammer verschafft, diesen Vorgang aber nicht deutlich gemacht.
Richter wegen Befangenheit abgelehnt
Als der Verteidiger des Privatbankiers, der Münchner Rechtsanwalt und CSU-Politiker Peter Gauweiler, bei der Akteneinsicht richterliche Mitschriften entdeckte, die dem Beschuldigten und seinen Anwälten vorenthalten worden seien, beantragte er, den Richter wegen des Verdachts der Befangenheit abzulehnen. Seine eigene Kammer entsprach dem Antrag. Eine neue Vorsitzende arbeitet sich jetzt bis zum Herbst ein. Von Olearius wird Aufklärung darüber erwartet, wie nah er dem früheren Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz gestanden habe. Es soll mehrere Treffen zwischen ihm und dem Banker gegeben haben, als es um Rückforderungen von Steuern aus Cum-Ex-Deals ging.
Die Aktenpanne war für die Verteidiger zweier ehemaliger Warburg-Manager, die sich in einem von zwei am Montag gestarteten Cum-Ex-Prozessen wegen des Verdachts der schweren Steuerhinterziehung vor der 12. Strafkammer verantworten müssen, eine Steilvorlage: Sie lehnten die drei Berufsrichter wegen Befangenheit ab. Ein faires, rechtsstaatliches Verfahren sei nicht zu erwarten.
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Vorgehen ist nicht unüblich und kein Einzelfall
Solch ein Vorgeplänkel ist bei derartigen Prozessen üblich. Bereits in der vergangenen Woche hatte die Verteidigerriege Besetzungsrügen eingereicht, nicht nur gegen die Profis auf der Richterbank, sondern auch gegen einen Schöffen. Eine unabhängige Kammer prüfte die Vorstöße der Anwälte und verwarf sie als unbegründet. Die Verteidiger schalteten daraufhin das Oberlandesgericht Köln ein, das noch nicht entschieden hat. Dort liegt auch eine Beschwerde darüber vor, das aktuelle Verfahren überhaupt zu eröffnen.
Am Montag schließlich legten die Anwälte noch eins drauf und erklärten das Landgericht insgesamt für nicht zuständig, Gerichtsort für ihre Mandanten sei Hamburg. Kämen sie damit durch, hätte dies Auswirkungen auf alle weiteren etwa 100 Cum-Ex-Prozesse.
In Siegburg entsteht ein eigenes Gerichtsgebäude für Cum-Ex
Die Anklagen werden federführend von der Staatsanwaltschaft Köln bearbeitet, über 1500 Beschuldigte sind betroffen. Das Landgericht Bonn wurde ausgewählt, in zehn Kammern die Fälle zu verhandeln. Grund: In der Stadt sitzt das Bundeszentralamt für Steuern, das zuständig ist für die Bearbeitung von Cum-Ex-Taten und gleichzeitig den durch Steuerbetrug geschädigten Staat vertritt. Weil die Kapazität in Bonn erschöpft ist, wird in Siegburg ein eigenes Gerichtsgebäude nur für Cum-Ex gebaut. Ab 2024 soll dort verhandelt werden. Die Anwälte ließen durchblicken, dass sie wegen der Konzentration auf das Bonner Landgericht eine Art „kollektive Befangenheit“ der Richter befürchten, die untereinander ein Netzwerk an Informationen aufbauen könnten.
Worum geht es in den zwei am Montag begonnenen Verfahren? Die beiden ehemaligen Warburg-Männer, 49 und 50 Jahre alt, sollen in 15 Fällen geholfen haben, 325 Millionen Euro durch komplizierte und trickreiche Aktienkreisläufe am Fiskus vorbei einzubehalten. Dabei wird mit Wertpapieren rund um den Dividendenstichtag gehandelt. Ziel der Beteiligten war es, sich Kapitalertragssteuer vom Finanzamt erstatten zu lassen, die sie gar nicht gezahlt hatten. Dem Staat sollen so mehr als 10 Milliarden Euro durch die Lappen gegangen sein. Einer der angeklagten Banker ließ erklären, er sei an den Steuerdeals nicht beteiligt gewesen.
Ähnlich äußerte sich ein Stockwerk tiefer im Saal S.014 vor der 9. Großen Strafkammer ein 57-Jähriger, der Mitarbeiter einer Asset-Management Gesellschaft mit Sitz in London war. Unter seiner Mitwirkung sollen 92 Millionen Euro Kapitalertragssteuern am Staat vorbei eingesackt worden sein. Er habe in der Firma nur eine unbedeutende Rolle eingenommen und sei von der Rechtsstaatlichkeit seiner Arbeit überzeugt gewesen, sagte der Brite.