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Landgericht BonnCum-Ex-Kronzeuge sitzt nun selbst auf der Anklagebank

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Bonn: Der angeklagte Anwalt Kai-Uwe Steck sitzt im Gerichtssaal des Landgerichts. Im größten Steuerskandal der Bundesrepublik, den illegalen Cum-Ex-Aktiengeschäften, hat vor dem Bonner Landgericht ein Strafprozess gegen eine der Schlüsselfiguren begonnen.

Bonn: Der angeklagte Anwalt Kai-Uwe Steck sitzt im Gerichtssaal des Landgerichts. Im größten Steuerskandal der Bundesrepublik, den illegalen Cum-Ex-Aktiengeschäften, hat vor dem Bonner Landgericht ein Strafprozess gegen eine der Schlüsselfiguren begonnen.

Der frühere Cum-Ex-Kronzeuge Kai-Uwe Steck steht wegen schwerer Steuerhinterziehung vor dem Landgericht Bonn. Man wirft ihm vor, dem Fiskus 428 Millionen Euro entzogen zu haben.

Er war der Kronzeuge der Staatsanwaltschaft in Strafprozessen um die sogenannten Cum-Ex-Steuergeschäfte, doch seit Donnerstag sitzt der Rechtsanwalt Kai-Uwe Steck (53) selbst auf der Anklagebank. Vor der 12. Großen Strafkammer des Bonner Landgerichts muss sich der für eine Kanzlei in der Schweiz tätige Jurist wegen schwerer Steuerhinterziehung in acht Fällen verantworten, drei davon sollen Versuche geblieben sein. Die Staatsanwaltschaft Köln, die bundesweit federführend die Cum-Ex-Betrüger jagt, wirft ihm vor, durch Finanztransaktionen zwischen 2007 und 2015 einen Gewinn von 28,5 Millionen Euro kassiert zu haben. Insgesamt soll dem Fiskus durch Steck ein Schaden von 428 Millionen Euro an nicht gezahlten Kapitalertragssteuern entstanden sein, sagt die Anklage.

Steck hat sich für das Verfahren in Bonn prominente Unterstützung mitgebracht: Neben Pflichtverteidigerin Laura Nardelli sitzt als Wahlverteidiger der Hamburger Anwalt Gerhard Strate, der unter anderem den früheren VW-Patriarchen Ferdinand Piech und die AfD-Vorsitzende Alice Weidel zu seiner Mandantschaft zählte.  Stecks Kommunikationsberater Bela Anda, der frühere Regierungssprecher der rot-grünen Bundesregierung unter Kanzler Gerhard Schröder, verfolgte aus der zweiten Zuschauerreihe im Saal 11 des Bonner Landgerichts das Geschehen.

Das begann mit Prozessroutine. Staatsanwalt Jan Schletz verlas stundenlang die Anklageschrift, die vor allem aus einer Aneinanderreihung von Tabellen mit Zahlen über Kapitaleingänge bestand. Der Vorschlag von Verteidiger Strate, diese Auflistung abzukürzen, weil sie einem „Lebenszeit klaut“, wurde vom Vorsitzenden Richter Sebastian Hausen abgelehnt. „Das gefällt mir nicht“, kommentierte Strate, „das ist kein guter Beginn eines Verfahrens“.

Als führender Initiator der Cum-Ex-Deals gilt der frühere Frankfurter Steueranwalt Hanno Berger, in dessen Kanzlei der Angeklagte laut Staatsanwalt Schletz als junger Anwalt eingetreten sei, um in Bergers „Fahrwasser Karriere zu machen“. Bis 2012 arbeiteten beide zusammen, 2006 sollen sie die Cum-Ex-Geschäfte aufgelegt haben, „um sich und andere zu bereichern“. Ankläger Schletz: „Der Profit basierte auf der betrügerischen Erlangung von Steuergeldern“. Immer wieder sollen die beiden Juristen das Dividendenstripping an aktuelle Gegebenheiten angepasst haben, zum Beispiel wenn es neue regulatorische Bestimmungen des Fiskus gab. Dabei hätten sie sich eines Netzwerks von Investoren und Banken bedient und mit ihnen verschiedene Fonds aufgelegt. Berger und Steck sollen so zusammen 57 Millionen Euro verdient und diese Summe hälftig geteilt haben.

Cum Ex: Hanno Berger zu acht Jahren Haft verurteilt

Hanno Berger wurde 2022 wegen Steuerhinterziehung vom Landgericht Bonn rechtskräftig zu acht Jahren Haft verurteilt; ein Jahr später erhielt er vom Landgericht Wiesbaden acht Jahre und drei Monate. Kronzeuge in beiden Prozessen war Bergers Ex-Partner Steck. Ohne dessen Wissen hätte die Staatsanwaltschaft in diesen und in weiteren Cum-Ex-Verfahren keine Anklage schreiben können, behauptete Verteidiger Strate am späten Donnerstagnachmittag in einem Statement vor der Strafkammer.

Allein am Landgericht Bonn habe sein Mandant in neun Prozessen ausgesagt, Anfang kommender Woche tritt er vor dem Landgericht München in einem weiteren Cum-Ex-Verfahren an zwei Tagen in den Zeugenstand. Steck habe durch seine Aussagen mitgeholfen, dass der Staat sich 853 Millionen Euro habe zurückholen können. Strate erklärte weiter, die Staatsanwaltschaft Köln habe Steck schon 2017 in einer Art Freibrief versprochen, wenn er bei der Aufklärung mithelfe, werde er nicht angeklagt. Das Problem: Der Strafverteidiger hat dafür keinen schriftlichen Beweis – angeblich, weil nicht nur dieser Aktenvermerk fehle.

Die Anklage ist nun doch erhoben und unter dem Aktenzeichen 62 Kls 1/24 vom Landgericht zugelassen worden. Das Verhalten der Kölner Strafverfolger sei „schäbig“, sagte Strate und forderte, das Verfahren gegen seinen Mandanten einzustellen, weil es „nicht fair“ sei. Der Prozess ist bis in den Februar terminiert.