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Erneut Reparatur notwendigRheinbacher Glaspavillon ist in die Jahre gekommen

Lesezeit 4 Minuten

Vor 21 Jahren wurde der Glaspavillon als innovatives Gebäude eingeweiht. Der Zugang musste jetzt gesperrt werden.

Rheinbach – Am Glaspavillon an der Rheinbacher Stadthalle sind Schäden aufgetreten. Eine der Außenstützen ist geborsten; das Areal ist derzeit komplett umzäunt. Ein Grund für den aktuellen Bruch ist nicht zu erkennen.

„Es könnte eine Bodensenkung gegeben haben, es könnten auch die Stürme aus dem November und Dezember oder der Frost die Scheibe und das Material so unter Spannung versetzt haben, dass eine leichte Bodenbewegung das Sicherheitsglas zum Bersten gebracht hat“, mutmaßt der Geschäftsführer des Berufskollegs-Wohnheims, Ingo Steins. Mit dem aktuellen Schaden gab es in den letzten zehn Jahren bereits sechs Reparaturen. „Das Objekt gilt als hochsensibel und würde 18.000 Euro Versicherung pro Jahr kosten. Die mussten wir vor Jahren kündigen, weil wir es uns nicht leisten konnten“, so Steins, der die Behebung des letzten Schadens 2019 – damals war ebenfalls ein tragendes Glaselement betroffen – aus dem Budget der Wohnheim GmbH finanzierte.

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Weder das benachbarte Staatliche Berufskolleg für Glas, Keramik und Gestaltung habe in den letzten Jahren Interesse an einer Unterstützung gezeigt, noch sei es möglich gewesen, die Stadt Rheinbach für eine Mitfinanzierung zu gewinnen. Die jetzige Verwendung der Stahlstützen als Provisorium habe der damaligen Planer, Diplom-Ingenieur Jürgen Marquardt aus Stuttgart, als Rechteinhaber genehmigt.

Die aktuelle Reparatur wird laut Steins rund 6000 Euro kosten. Die Stadt Rheinbach signalisierte nach Aussage des Geschäftsführers begleitende Arbeiten am Fundament zu. „Die Bauaufsicht hat in diesen Tagen die Statik geprüft. Der Glasverbundwerkstoff ist enorm belastbar und hat dem Druck bisher standgehalten. Sicherung und Reparatur werden in den kommenden Tagen beginnen“, erklärte Norbert Sauren, Pressesprecher der Stadt auf Anfrage.

„Meilenstein der Architektur und der Glasbaukunst“

Was dieses Ganz-Glas-Gebäude aus allen anderen Gebäuden der Welt heraus hob, als es am 8. September 2000 eingeweiht wurde, war seine Konstruktion: Als damals weltweit erstes, voll genutztes Gebäude wird auch sein Dach vollständig von einer Glaskonstruktion getragen. Wen wundert es da, dass zur Einweihung sogar der damalige nordrhein-westfälische Ministerpräsident Wolfgang Clement seine Aufwartung machte, um den „Meilenstein der Architektur und der Glasbaukunst“ auch überregional ins rechte Licht zu rücken.

Auf Rheinbach war die Wahl gefallen, weil sich hier mit dem Staatlichen Berufskolleg (Glasfachschule), dem Schülerwohnheim und den ortsansässigen Glasveredlern ein Zentrum für Glas mit europaweitem Rang etabliert hat. Die Tragkonstruktion für das tonnenschwere Dach bilden 28 Scheiben aus Sicherheitsglas, jede von ihnen mit einem Eigengewicht von 476 Kilo. Wegen dieser Besonderheit musste vor der Baugenehmigung das Einverständnis des Ministeriums für Sonderbauwerke in Düsseldorf eingeholt werden. Alle nicht tragenden Glasscheiben können komplett aufgeklappt werden.

Die Tragfähigkeit von Glas an und für sich war bekannt, es hat die gleichen Eigenschaften wie Edelstahl, und sei auf Druck genauso belastbar, wie damals einer der Architekten erläuterte. Anders jedoch die Gefahr der mutwilligen Zerstörung bei Glas mit Sicherheitsrisiko für die Standfestigkeit des Gebäudes. Deshalb wurden an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) in Aachen entsprechende Werkstoffprüfungen durchgeführt. Herauskam eine tragfähige dreiteilige Konstruktion der Glasscheiben von so genanntem teilvorgespannten Glas und Ein-Scheiben-Sicherheitsglas, das in speziell entwickelten Stahlschuhen ruht.

1,2 Millionen Mark teuren Gebäude

Selbst wenn ein Schuss aus einer Pistole 40 Prozent einer Scheibe zerstören würde, würde das Gebäude stehen bleiben, versicherten die Architekten des damals 1,2 Millionen Mark teuren Gebäudes, das bei Passanten und Gästen immer noch Staunen hervorruft – auch weil eine aufwendige Beleuchtungsanlage das Haus und seine Vitrinen immer wieder in einem anderen Licht erscheinen lässt. Genutzt wird der Pavillon vor allem für Tagungen und Ausstellungen aber auch private Feiern. Nach über 20 Jahren muss er nach Einschätzung von Steins aber als „wundervolles Objekt ohne wirtschaftliche Refinanzierung und leider ohne konzeptionelle Zukunftsperspektive“ angesehen werden.

Der Geschäftsführer des Glaserinnungsverbandes NRW mit Sitz in Rheinbach, Jan Lux, der auch Mitglied im Aufsichtsrat und der Mitgliederversammlung der Wohnheim GmbH ist, sieht die Zukunft und Sicherstellung des Pavillons nicht ohne Beteiligung der branchennahen Industrie. Wie Steins sieht auch er die Notwendigkeit eines tragbaren und nicht zu eng nur auf die Kultur und Kunst ausgerichteten Vermarktungskonzepts für dieses doch „abseits der Verkehrsströme“ liegende Prestigeobjekt.