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Das Motiv war Rache57-Jähriger Rheinbacher wegen Stalking verurteilt

Lesezeit 4 Minuten
Ein Mann schreibt eine drohende Chat-Nachricht. Der jetzt verurteilte Rheinbacher bombardierte sein Opfer mit Nachrichten per Handy.

Ein Mann schreibt eine drohende Chat-Nachricht. Der jetzt verurteilte Rheinbacher bombardierte sein Opfer mit Nachrichten per Handy.

Ein Stalker muss für drei Jahre in Haft. Das Bonner Landgericht verurteilte einen 57-Jährigen aus Rheinbach. Er hatte Geld unterschlagen und Freunde verprellt.

Aus Ärger über seinen Arbeitgeber unterschlug ein heute 57 Jahre alter Rheinbacher in einer Wettannahmestelle 10 000 Euro. Weil ihn seine Freundin verlassen hatte, stellte er ihr jahrelang nach und machte ihr und ihrer Familie das Leben zur Hölle. Als er Zoff mit ehemaligen Freunden bekam, ließ er ihnen Waren schicken, die sie nie bestellt hatten und kündigte unter ihrem Namen Stromlieferverträge.

Die 6. Kleine Strafkammer des Bonner Landgerichts verurteilte ihn für insgesamt zehn Taten zu einer Haftstrafe von drei Jahren. Damit kam der zurzeit arbeitslose Mann noch gut weg, denn das Schöffengericht in Euskirchen hatte ihn im Mai drei Jahre und sechs Monate Gefängnis auferlegt. Damals hatte der Angeklagte alle Vorwürfe rundweg geleugnet und in seinem Schlusswort Verfahrensbeteiligte beleidigt – mit der Konsequenz, dass noch im Amtsgericht wegen Wiederholungs- und Fluchtgefahr die Handschellen klickten.

Stalker-Prozess Bonn: Neue Strategie nach Haft

Doch 18 Tage im Kölner Gefängnis führten bei ihm zu einem Sinneswandel: Er wechselte den Verteidiger und änderte auf dringenden Rat von seinem neuen Anwalt Thomas Ohm seine Strategie. In einem Haftprüfungstermin in Euskirchen gab er plötzlich alle Vorwürfe zu; daraufhin wurde der Haftbefehl aufgehoben. In der gestrigen Berufungsverhandlung ging es wegen des Geständnisses also nur noch um das Strafmaß, die Taten mussten nicht mehr einzeln aufgerollt werden. Dennoch wurde bei der Verlesung des Urteils der ersten Instanz deutlich, welcher Mensch auf der Anklagebank saß.

Ein Gutachter hatte ihm „eine narzisstische Persönlichkeitsakzentuierung“ bescheinigt. Das heißt: Er braucht Bewunderung; gibt es hingegen Kritik, fühlt er sich gedemütigt und reagiert mit Wut, Verachtung und Bösartigkeit. „Er hat sich nicht im Griff, wenn Geschehnisse eintreten, die ihn kränken“, beschrieb Kammervorsitzende Jeannine Dietzmann den Angeklagten im Urteil. Wut und Verachtung als Reaktion auf Kritik Diese Symptome seien nach seinem 50. Geburtstag zu beobachten gewesen.

Schulden beim früheren Arbeitgeber

Weil sein Chef mit ihm unzufrieden war, erhielt er nach einem halben Jahr Arbeit in einem Rheinbacher Wettbüro die fristgerechte Kündigung. 24 Stunden vor seinem letzten Tag im Job unterschlug er dort am 22. März 2019 genau 10.000 Euro, abgezählt in 20 Bündeln zu 500 Euro. Das Geld hat er bis heute nicht zurückgezahlt, im Gegenteil, er ist gegen seinen früheren Arbeitgeber bis vors Landesarbeitsgericht gezogen, weil er angeblich zu wenig Lohn erhalten habe.

Das Verfahren wurde auf seinen Antrag inzwischen eingestellt, der 57-Jährige hat auch zugesichert, die Schuld zu begleichen. 2018 lernte er eine heute 47 Jahre alte Frau kennen, sei war angeblich „die Liebe meines Lebens“, er sah sich selbst als ihre „Lichtgestalt“. Doch als sie ihm nach kurzer Zeit den Laufpass gab, akzeptierte er ihr energisches Nein nicht, verfolgte sie, schickte ihr alle fünf Minuten Nachrichten auf ihrem Handy, sandte Briefe mit ihrem Foto an Rheinbacher Geschäfte, in denen er sie eine „Kleptomanin“ nannte, der man Hausverbot erteilen müsse.

Trotz eines gerichtlichen Kontaktverbots, trotz dreier Hausdurchsuchungen der Polizei machte der Stalker weiter, lauerte der Frau auf, schrieb beleidigende Briefe. Als sie, inzwischen wiederverheiratet, mit Ehemann und ihrer mittlerweile zehn Jahre alten Tochter weggezogen war, tauchte er bald an ihrer neuen Adresse auf. Die Folge: Die Familie schottete sich ab, die Mutter musste in einen teilstationären Klinikaufenthalt, das Kind hatte Angst vor dem „bösen Mann“. Die 47-Jährige sagte gestern unter Ausschluss der Öffentlichkeit aus. Als sie danach den Saal verließ, weinte sie nach der Wiederbegegnung mit dem Stalker bitterlich. Das Opfer sei „schwerst belastet“, sagte die Richterin danach.

Der Angeklagte war Mitglied in einem Sparkästchenclub und einer Tippgemeinschaft in einer Rheinbacher Kneipe. Mit drei Kumpeln dort verstand er sich so gut, dass er ihnen als selbstständiger Vertreter für Energiefirmen Stromlieferverträge verkaufte. Als es aber in der Runde Ärger um Geld gab, fühlte er sich angegriffen, kündigte ohne ihr Wissen die Verträge, ließ ihnen nie bestellten Wein oder Münzensets schicken und fälschte einen Bankauftrag, mit dem er vom Konto eines Ex-Thekenfreundes 1900 Euro abbuchte und an sich überwies.

Der Angeklagte sagte im Berufungsverfahren nur wenig. Rechtsanwältin Gudrun Roth, die als Nebenklägerin das Stalking-Opfer vertrat, hatte denn auch Zweifel, ob er „ansatzweise“ verstanden habe, „was Sie dieser Frau angetan haben“. Er verließ als zunächst freier Mann das Gericht, der Haftbefehl bleibt bis zum Haftantritt außer Vollzug.