In Valencia schaufeln derzeit nicht nur Spanier als Freiwillige den Schlamm der Flutkatastrophe von voriger Woche beiseite, um zu den Eingeschlossenen vorzudringen: Hendrik Tenorth aus Rheinbach ist mittendrin.
Auf eigene Faust und ohne SpanischkenntnisseRheinbacher schaufelt Schlamm aus Valencia
Hendrik Tenorth schaufelt in Valencia den Schlamm der Flutkatastrophe beiseite. Der einstige Hilberather Ortsvorsteher, der schon nach der Flut 2021 in seiner Heimatstadt und an der Ahr mit anpackte, jüngst in der Ukraine Verwundeten zu Hilfe kam, arbeitet sich gerade mit wildfremden Menschen durch die verschlammten Gassen der spanischen Stadt zu eingesperrten Einwohnern vor. Als die Rundschau am Dienstagmittag mit ihm spricht, ist gerade Pause. Jemand hat ihm ein Sandwich geschenkt, denn seine eigene Verpflegung hatte jemand für Müll gehalten und entsorgt. In der Katastrophe hilft eben jeder jedem.
Verzweifelte Anstrengungen zur Wiederherstellung Valencia
Am Samstag hatte es Tenorth gepackt: „Ich hatte am Morgen die ersten ganz fürchterlichen Bilder von der Unwetterkatastrophe gesehen und bin sofort in den Baumarkt gefahren“, berichtet der 56-Jährige. Schaufeln, Besen, Taschenlampen und alles mögliche Nützliche kaufte er ein und packte damit seinen Pick-up voll. „Um 6 Uhr bin ich am Sonntag aufgebrochen, abends angekommen.“ Und er war von dem, was er in den Straßen sah, noch entsetzter als beim Anblick der Fernsehbilder. „Es ist die völlige Katastrophe! Die Menschen sind in höchstem Maße unzufrieden mit der Leistung der Verwaltung. Bei uns hat es ja nachher funktioniert, aber hier das, ist kein Vergleich zu der Flut bei uns: Die Stadt ist dicht besiedelt. Es gibt viele ganz enge Gassen“.
Herausforderungen während der Hilfeleistungen in Valencia
So sah sich Tenorth am Montag zunächst mit Häusern konfrontiert, die nach der Überschwemmung „noch nicht geöffnet werden konnten, weil die Autos die Wohnungen versperrten. Die Fahrzeuge sind ineinander verkeilt und türmen sich aufeinander. Alle helfen wie verrückt.“
Eigentlich ist es ein kleines Wunder, dass Tenorth überhaupt helfen kann. Freunde, die seine gesundheitlichen Probleme kennen, wegen derer er unter anderem aus dem Schuldienst ausgeschieden ist - in Aurich und Osnabrück war er Schulleiter -, wissen genau, was er da gerade wieder leistet. Als Ruheständler lebt er eigentlich am Comer See in Norditalien, doch schon in der Flut 2021 „musste“ er helfen. Damals kam er, noch aus Osnabrück, mit seinem Expeditionsfahrzeug, einem umgebauten Feuerwehrwagen, nach Rheinbach, schloss sich der Helfergruppe in der Pallotti-Kirche an und versorgte diese dank der Technik seines Fahrzeugs mit Strom.
Weitere ehrenamtliche Beteiligungen von Tenorth
Inzwischen hat er den Pick-up, mit dem er bereits Ukrainer aus dem Krieg herausholte, den ihnen Russland aufgezwungen hat. Er versorgte auch verwundete Soldaten mit Medikamenten. „Ich helfe so, wie ich kann“, sagt Tenorth. Ganz alleine ist er am Wochenende losgefahren. „Spontan; sehr zum Missfallen meiner Frau“, sagt er ernst. Seine beiden Töchter finden es ein Stück weit toll, was der Vater macht, aber sie haben auch Angst um ihn.
„Ich zeige Präsenz als Ausländer, auch wenn das vielleicht ein wenig merkwürdig klingt, aber ich habe noch keinen anderen gesehen“, erklärt Tenorth. Er findet: „Die EU spendet überall hin Geld, wenn sie hier mal mit Helfern auftreten würde, das würde den europäischen Gedanken voranbringen und die Menschen verbinden.“
Mangelnde Unterstützung durch regionale Regierung laut Tenorth
Vor dem Biss ins Sandwich war der Rheinbacher gerade von einem spanischen Fernsehteam interviewt worden. Denen habe er mitgeteilt, dass das Technische Hilfswerk in Deutschland nur auf eine Anforderung warte: „Die spanische Regierung macht es aber nicht.“ Tenorth berichtet von einer „Zerstörung in allen Bereichen“: „Alles ist völlig kaputt. Den Großteil der Arbeit leistet die Zivilgesellschaft.“
Da er kein Spanisch spricht, muss er sich mit Händen und Füßen verständigen. „Ich habe einfach einen Trupp angesprochen und wurde mitgenommen. Gestern genauso: Da war ich mit Studenten unterwegs. Das muss ich ja machen, weil ich die Sprache nicht kann. Also auch keine Warnung vor einer Gefahr mitbekommen würde.“ Als ausdauernder Mann an der Schaufel ist er jedenfalls willkommen, und darum war es auch keine Frage, dass er aus dem Rucksack eines anderen Helfers ein Sandwich abbekam.
Sperrzeit der Stadt aufgrund von Plünderungen
Keine vier Stunden bleiben Tenorth für sein Tageswerk nach dem Ende der Pause. Um 18 Uhr wird die Stadt abgeriegelt - wegen der Plünderer. Wann er wieder rein darf? Da muss er selbst fragen. Das geht auf Englisch; es gibt eine Ansprechpartnerin. Doch die Frau zuckt mit den Schultern, schätzt: Zwischen 7 und 8 Uhr vielleicht, aber das sei nur ihre Vermutung. Tenorth wird es noch herausfinden.
Eine solche Sperrung des Katastrophengebiets hätte damals an der Ahr schon einige Diebstähle und Plünderungen verhindern können, findet Tenorth und erinnert sich an eine super gefährliche Situation, die er damals in Rheinbach erlebte: „Ich hatte nachts genau wegen solcher Plünderer Wache im Pallotti geschoben und mir einen Schlafplatz innen an der Tür eingerichtet, als es einen Knall gab. Ich griff mir einen Scheinwerfer und eine Machete, um nachzusehen. Das hätte tödlich enden können. Was ich nicht wusste, und der andere auch nicht: Es war noch ein Sicherheitsdienst geordert worden, der auch gerade nach dem Rechten sehen wollte. Da war es gut, dass sich Stefan Raetz als Organisator gleich mit der Polizei in Verbindung setzte und aufklärte, wer ich bin und was ich da zu tun hatte.“
Die Nächte verbringt der Rheinbacher in einem Hotel. „Das kostet richtig Geld“, ist ihm bewusst, und er hat auch die Worte seiner Frau im Ohr: „Du kannst nicht alleine die Welt retten, und Bill Gates bist Du auch nicht!“ Ohne das viele Geld eines solchen Milliardärs wird er spätestens in zwei Wochen wieder in Rheinbach sein, denn da hat er einen festen Termin. Auch wenn es ihm weh tut.