Ein 62-Jähriger quälte und missbrauchte seine Nichte. Vor 13 Jahren wurde er bereits für eine ähnliche Tat verurteilt
Besonders gefährlichVergewaltiger muss in Sicherungsverwahrung
Achteinhalb Jahre Haft und anschließende Sicherungsverwahrung! Äußerlich ungerührt hörte der Angeklagte am Donnerstagnachmittag zu, als Marc Eumann, der Vorsitzende Richter der 10. Großen Strafkammer des Bonner Landgerichts, das Urteil verkündete. Die Richter hatten den Termin um eine halbe Stunde verschoben, um noch länger beraten zu können. Denn dieses Strafmaß kann für den heute 62-Jährigen bedeuten, dass er nie mehr aus dem Gefängnis freikommen wird. Doch das Gericht sah bei ihm einen Hang zu sexuellen Straftaten und hält ihn für gemeingefährlich; deswegen sei die Sicherungsverwahrung angebracht.
Der Mann mit dem unauffälligen Gesicht wurde verurteilt wegen besonders schwerer Vergewaltigung, gefährlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung. Opfer war seine Nichte gewesen, die Tochter seines älteren Bruders, der ihn 2015 bei sich aufgenommen hatte, nachdem er aus einer sechsjährigen Haft vorzeitig auf Bewährung entlassen worden war. Der Angeklagte war 2011 wegen einer fast identischen Tat (Eumann: „eine Blaupause“) verurteilt worden. Nachdem er erneut „in die dunklen Kellergewölbe seiner Veranlagung hinabgestiegen war“, so der Richter, musste sich der 62-Jährige seit September wieder vor Gericht verantworten: Er hatte zum zweiten Mal eine Frau gefesselt, gequält und vergewaltigt.
Das Jüngste von sechs Kindern eines Lagerarbeiters hatte nach der Hauptschule eine Bauschlosserlehre gemacht und sich dann zum Verwaltungsangestellten weitergebildet. Im öffentlichen Dienst litt er unter Depressionen, „nicht wegen Arbeitsüberlastung, sondern wegen Arbeitsunterlastung“, wie es der Richter formulierte. Mit Frauen kam der Angeklagte nicht so richtig klar, seine sexuellen Fantasien wollte keine mit ihm ausleben. Also nahm er sich mit Gewalt, was er freiwillig nicht bekam. 2011 vergewaltigte er eine 44-Jährige, die ihn besucht hatte.
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Nach der Haftentlassung fand der Rheinbacher eine Anstellung bei einer Zeitarbeitsfirma und führte zunächst ein unauffälliges Leben. Er traf sich öfters mit seiner Nichte (41) zum Wandern und Reden; als er mehr wollte, habe sie abgelehnt, sagte der Richter. Schließlich bat der Angeklagte die Verwandte, ob sie ihn fotografieren könne, er wolle die Bilder in ein Online-Portal zur Partnersuche einstellen. Am 16. März 2024 klingelte sie gegen 14 Uhr an seiner Wohnung, sie sprachen etwa 20 Minuten, dann ging sie in sein Schlafzimmer, um aus dem Schrank ein passendes Kleidungsstück für ihn auszusuchen. Der Onkel folgte ihr, bedrohte sie mit einer Softair-Pistole und befahl ihr, sich auszuziehen. Als sie sich weigerte, fiel er über sie her, fesselte sie an den Händen und knebelte sie – das Material hatte er in einer Kiste im Schrank verwahrt -, dann stülpte er ihr eine Plastiktüte über den Kopf, die er am Hals zuband. Während der Vergewaltigung machte er mit ihrem Handy Bilder von dem grausamen Geschehen. Die gelöschten Fotos wurden später von der Polizei wiederhergestellt.
Die Beweisaufnahme ergab weiter, dass der Angeklagte nach der Tat ankündigte, er wolle sich nun umbringen; dafür schüttete er Tabletten in ein Glas. Das Opfer überredete ihn, das zu lassen. Schließlich verließen sie die Wohnung, wobei sie ihm versprechen musste, ihn nicht anzuzeigen. Sie fuhr dennoch sofort zur Polizei, er irrte mit seinem Auto zwei Stunden umher und wurde bei der Rückkehr vor der Haustür festgenommen. Seitdem sitzt er in Untersuchungshaft.
Durch das Verbrechen ist die Familie des 62-Jährigen zerbrochen, der Bruder, der ihm einst Obdach gegeben hatte, will mit ihm nichts mehr zu tun haben. Nur zu einer Schwester hat er Briefkontakt. Die Nonne schreibt ihm aus christlicher Barmherzigkeit aus ihrem Kloster.
Stichwort Sicherungsverwahrung
Die Sicherungsverwahrung wird von Gerichten selten verkündet. Sie ist nach Angaben des Justizministeriums rechtlich nicht als Strafe einzuordnen, sondern eine „Maßregel der Besserung und Sicherung“. So sollen gefährliche Täter gebessert und die Allgemeinheit geschützt werden. Sie schließt an die Verbüßung der Strafhaft an und ist zeitlich nicht begrenzt. Die Betroffenen werden vorher von der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts geprüft. Dabei spielt auch eine Rolle, ob der Täter sich einer Therapie gestellt hat. Der Vorsitzende der 10. Großen Strafkammer appellierte dringend an den Angeklagten, diese Chance zu nutzen.