Reitlehrer auf der AnklagebankWeitere mutmaßliche Missbrauchsopfer melden sich

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Blick auf das Landgericht in Bonn.

Blick auf das Landgericht in Bonn.

Ein Reitlehrer soll Schülerin missbraucht haben. Der Angeklagter schweigt zu Vorwürfen. Ein Schöffe musste einräumen, dass seine Frau selbst bei dem Mann Unterricht hat.

Der Mann auf der Anklagebank sieht so aus, wie die Rolle eines Reitlehrer in einem Heimatfilm der 50erjahre besetzt  würde: Kurzärmeliges Hemd, schlanke Figur, wettergegerbtes Gesicht, kleiner Bart, wache Augen, die sich im Saal 14 des Bonner Landgerichts umschauen, aber nichts zu entdecken scheinen, was das Verweilen lohnt. Wahrscheinlich hat er noch nie vor Gericht antreten müssen, sein Vorstrafenregister weist keinen Eintrag auf.Der Mann auf der Anklagebank sieht so aus, wie die Rolle eines Reitlehrer in einem Heimatfilm der 1950er Jahre besetzt werden würde: Kurzärmeliges Hemd, schlanke Figur, wettergegerbtes Gesicht, kleiner Bart, wache Augen, die sich im Saal 14 des Bonner Landgerichts umschauen, aber nichts zu entdecken scheinen, was das Verweilen lohnt.

Das makellose Bild könnte aber Flecken bekommen, denn seit Dienstag muss sich der heute 68-Jährige wegen sexueller Belästigungen und sexuellen Missbrauchs einer Schutzbefohlenen in mindestens 15 Fällen verantworten. Zwischen dem 1. Januar 2020 und dem 4. September 2022 soll er sich an einer damals 15-jährigen Reitschülerin vergangen haben. Zu den Vorwürfen jedoch schwieg der Angeklagte am ersten Verhandlungstag.

Er sagte auch nichts, als am Nachmittag eine Zeugin, Mitte 20, gehört wurde, die möglicherweise das gleiche Schicksal erlitten haben könnte wie die 15-Jährige. Da sich weitere junge Frauen gemeldet haben, riet die Jugendkammer dem Angeklagten dringend, sein Schweigen aufzugeben.

Laut Anklage soll der Mann 2019 einen schweren Unfall mit einem Pferd erlitten haben und danach nicht in der Lage gewesen sein, auf dem Reiterhof, den er gemeinsam mit seiner Frau in der Region betrieb, zu arbeiten. Die 15-Jährige habe deshalb im Stall und bei der Pferdepflege ausgeholfen, zunächst mit anderen Reitschülern, dann allein. Als der Chef wieder einsatzbereit gewesen sei, habe das Mädchen weiter auf dem Hof mit angepackt. Dadurch, so die Staatsanwältin, sei „zwischen dem Angeklagten und der Geschädigten eine solche Vertrauensstellung entstanden“, dass sie ihm keine Bitte habe abschlagen können.

Der Angeklagte soll das ausgenutzt haben, soll sie im Sommer 2020 nach der zur Begrüßung üblichen Umarmung zunächst auf die Wange geküsst haben. Die Jugendliche verbat sich solche Übergriffe, doch laut Anklage hörte er nicht auf und wurde immer zudringlicher, so dass aus den Belästigungen ein sexueller Missbrauch geworden sei.

Der 68-Jährige äußerte sich dazu nicht, erzählte vielmehr ausführlich von seiner Arbeit als Logistiker bei einem Autozulieferer und seinen Krankheiten: Autoimmunstörung, Beinbruch, Armbruch, Herz-Kreislauf-Probleme – „allmählich reicht’s“.

Noch während dieser Einlassung teilte der vor Beginn der Verhandlung vereidigte Schöffe dem Kammervorsitzenden Wolfgang Schmitz-Justen mit, dass seine Frau bei dem Angeklagten Reitunterricht habe, er selbst würde ihn aber nicht kennen. Verteidiger Markus Föhr lehnte den Schöffen daraufhin wegen des Verdachts der Befangenheit ab. Die Staatsanwältin stimmte dem Antrag zu, so dass das Verfahren nach einer Unterbrechung  mit einem Ersatzschöffen, der bereit war, schnell ins Gericht zu kommen, neu starten konnte.