Eine Abschiedswoche soll es den Gläubigen leichter machen, dass Christuskirche und Arche geschlossen werden. Aus Kostengründen muss sich die Evangelische Kirchengemeinde von zwei Immobilien trennen. Ein Besuch in der Kirche.
Abschiedswoche für Gläubige Meckenheim nimmt Abschied von der Christuskirche

Der letzte Gottesdienst in der Meckenheimer Christuskirche steht bevor.
Copyright: Jacqueline Rasch
Es ist so ein ambivalentes Gefühl aus großem Bedauern und Zuversicht, aus Trauer um den Verlust vertrauter Gebäude und Freude, eine neue Gemeinschaft zu erleben. Die Abschiedswoche in der evangelischen Christuskirche und im Kirchenzentrum „Die Arche“ soll die Gläubigen in Meckenheim im wahren Sinne mitnehmen in die Zukunft in der Friedenskirche. Kommenden Sonntag ist Schluss. Dann hat die Evangelische Kirchengemeinde nur noch eine statt drei Standorte in der Stadt.
„Es ist für alle eine traurige Sache“, schildert es Pfarrerin Iris Gronbach an diesem Dienstagabend in der Runde aus Vertretern des Presbyteriums, aus Leitern verschiedener Gruppen wie Jugend- und Seniorenkreis und dem ehemaligen Pfarrer Matthias Mölleken. Am Sonntag beim Gottesdienst habe sie mehrfach mit den Tränen gekämpft, schildert es Iris Gronbach, aber der Abschiedsprozess habe ja nun nicht erst gestern begonnen. Seit klar war, dass sich die Kirchengemeinde aus finanziellen Gründen von zwei Immobilen trennen muss, um weiter bestehen zu können, sei damit offen umgegangen worden.
Der Grundsatzbeschluss, sich in Zeiten rückläufiger Kirchensteuereinnahmen von zwei Zentren zu trennen, ist bereits vor vier Jahren gefallen. Dass es die Arche und die Christuskirche betreffen wird, war Ende 2021 klar. „Wir wussten, dass wir die Sanierung von drei Kirchenzentren finanziell nicht stemmen können“, erklärte es Kirchmeister Michael Blum. Gerade die Christuskirche müsste jetzt energetisch saniert werden.

Das Programm der Abschiedswoche hängt im Schaukasten aus.
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Aber solch eine Kirche sind mehr als nur Steine, ganze Lebensgeschichten sind damit verbunden. Wie die von Heide Fischer, die Runde nennt sie ein Urgestein der Kirchengemeinde. Sie war nicht voller Gram, sondern voller Dankbarkeit, sagte, man solle schätzen, was man in der Christuskirche erleben durfte. Erinnerungsgespräche wie dieses hätten sie besonders berührt, schildert es Iris Gronbach. Die Geschichte der Kirche, die im Oktober 1957 mit der Grundsteinlegung begann, sei oft stark mit der eigenen Lebensgeschichte der Gläubigen verbunden. „Manche sagten, das geht doch gar nicht! Ich bin doch hier getauft worden, konfirmiert, getraut ...“
„Die älteren Gemeindemitglieder verstehen nicht, warum die Kirche geschlossen werden muss“, erzählt Gisela Würfel, die den Seniorenkreis leitet. Der neuen Kirche gegenüber, also der Friedenskirche, die für alle neues Domizil wird, bestehe eine gewissen Skepsis. Zwischen 80 und 97 Jahren alt sind die Gruppenmitglieder, sie seien der Neuerung gegenüber noch verhalten. Aber der erste Frühstückstreff, den Angelika Alt leitet, der habe bereits in der Friedenskirche stattgefunden. „Das muss sich einspielen“, sagt Alt. Ab Februar wird sich auch der Seniorenkreis dort treffen.
„Die Haltung hat sich geändert“
„Herz und Verstand gehen hier auseinander“, bringt es Matthias Mölleken auf den Punkt. Was sich hier abspiele, finde sich oft auch in der eigenen Familie wieder. „Die Haltung der Menschen zur Kirche hat sich geändert“, so Mölleken, viele fühlten sich nicht mehr zugehörig, nicht verantwortlich. Auch deshalb gehe die Zahl der Gläubigen zurück. Gegipfelt habe dieser Eindruck jüngst in einem Telefonat, das Mölleken so schildert: Ein Mann habe angerufen, er sei früher evangelisch gewesen, aber ausgetreten. Er wolle jetzt Taufpate sein. Ob er deswegen noch mal kurz eintreten solle?
Eine tiefe Bindung an das Gebäude, das haben offenbar aber nicht nur die Älteren. Jugendleiterin Melanie Loepke erinnert an diverse Protestaktionen, die jungen Gemeindemitglieder seien „sehr stark auf die Barrikaden gegangen“. „Es gibt auch einen Trauerprozess bei der jungen Generation“, unterstreicht sie. Ein gutes Beispiel dafür ist Jugendpresbyter Finn Lorenz. Seit fünf Jahren besuche er die Christuskirche, habe hier viele Freunde kennengelernt und hat hier seinen Weg zum Glauben gefunden.
„Die Entscheidung, die beiden Zentren aufzugeben, ist allen Presbytern sehr schwer gefallen“, sagt Mölleken. „Aber wir machen da, um das Gemeindeleben zu erhalten. Die Gemeinde hat seit Jahren von den Rücklagen gelebt.“ Diese „mutige Entscheidung“ war für andere wiederum Grund, sich überhaupt dieser Gemeinde anzuschließen: „Hier wird nicht alles ausgesessen, hier war das Bestreben, das Gemeindeleben zu erhalten und neu zu gestalten.“ Allen ist klar, dass einige Gläubige sich nicht versöhnen lassen, aber auch neue dazukommen.
Gemeinde ist in Bewegung
„Die Entwicklung birgt auch Chancen, weil der Zusammenhalt stärker wird“, ist sich Iris Gronbach sicher. Es gebe Stimmen, „die freuen sich total, dann die ganze Gemeinde zu sehen.“ Für Matthias Mölleken hat alles seine Zeit: „Als ich im Jahr 2000 hierherkam, war die Motivation das Bewusstsein, eine Gemeinde zu entwickeln. Jetzt, 25 Jahre später, ist die Gemeinde wieder unterwegs.“ Mölleken war seiner Schilderung nach übrigens der einzige, der jemals in der Christuskirche gewohnt hat. Und zwar ganz zu Beginn seiner Tätigkeit in Meckenheim, in einem kleinen Zimmer mit einer Palette als Bett, bevor seine Familie nachkam.

Ins Gästebuch haben auch Jugendliche ihre Gedanken hineingeschrieben.
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Wie es sich anfühlt, in der Kirche zu übernachten, können auch die Jugendlichen noch einmal ausprobieren. Nach dem Abendgottesdienst am Samstag ab 18 Uhr, der auch von den Jugendlichen gestaltet wird, ist Partyzeit mit Iso-Matte und Schlafsack. An jedem Tag dieser Woche steht die Christuskirche ab 10 Uhr offen für alle, die sich verabschieden wollen. Jeden Abend ist Programm, das im Abschiedsfest am Sonntag mündet. Um 10 Uhr beginnt der Gottesdienst mit Superintendentin Claudia Müller-Bück und Pfarrerin Iris Gronbach. „Am Sonntag ist der letzte Gottesdienst, dann wird die Kirche abgeschlossen“, erklärt Gronbach. Es werden noch einige Dinge vom Umzugswagen abgeholt, aber das kirchliche Leben ist dann beendet. Sehr symbolisch gehen dann alle gemeinsam zur Friedenskirche zum Suppeessen. „Möglichst nahtlos sollen dann alle Angebote wieder aufgenommen werden“, sagt Gronbach. Damit der Neustart gelingt.