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„Maßnahmen sind ok, aber bitter“So leiden die Kulturschaffenden aus dem Vorgebirge

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bernd stelter

Kabarettist Bernd Stelter will jetzt täglich mindestens 10000 Schritte gehen.

Bernd Stelter (59) hat sein neues Programm „Hurra, ab Montag ist wieder Wochenende“ überschrieben. Der Kabarettist und Wahl-Bornheimer hatte allein in diesem Jahr 100 Aufführungen geplant. „Acht sind es dann nur geworden“, bedauert Stelter, der in Hersel zu Hause ist. Auch die Fernsehaufzeichnung, die für Mitte November im Parktheater in Iserlohn geplant war, sei wegen des zweiten Lockdown abgesagt. Zwar seien viele geplante Vorführungen ins nächste Jahr verschoben worden. „Doch noch weiß keiner, ob sie 2021 wirklich stattfinden können“, so Stelter. Natürlich vermisst er die Bühne, das Publikum, das Lampenfieber und das Feedback. Ihm persönlich gehe es gut, die viele freie Zeit nutzt er, um neue Lieder zu schreiben und zu komponieren und um ein neues Programm zu erarbeiten. Auch habe er den inzwischen dritten Band seiner Holland-Krimi-Reihe geschrieben. „Mieses Spiel um schwarze Muscheln“ soll im Februar 2021 erscheinen. Sorgen macht sich Stelter allerdings um seine Crew und um seine jüngeren Kollegen, die erst am Anfang ihrer Karriere stehen. „Viele von ihnen sind jetzt pleite“, weiß der 59-Jährige. Er erwarte von Politik und Gesellschaft Wertschätzung gegenüber der Kultur und den vielen kleinen mittelständigen Betrieben die da mitdranhängen. Die Entscheidung, Karneval nicht wie üblich zu feiern, findet Stelter richtig. „Es geht dabei ja um Menschenleben und dieses Gut ist viel zu wertvoll.“ Deswegen sei er auch mit dem Teil-Lockdown einverstanden. „Doch unseren Kulturtreibenden muss geholfen werden“, betont Stelter. Denn sollte keine Unterstützung kommen, stünden bald zwei Drittel der privaten Theater vor dem Aus.

Mike Herting (66), Musiker und Komponist aus Brenig, hofft, dass vielen seiner Berufskollegen nun schnell und unbürokratisch geholfen wird. „Corona und der zweite Lockdown sind für die gesamte Branche ganz schlimm“, merkt Herting an. Er kenne Kollegen, die gerne Musik machen, aber auch schon unter normalen Umständen gerade so herumkommen. Jetzt stehen sie völlig ohne Einkommen da. „Die übernehmen zurzeit auch Gartenarbeiten, um sich halbwegs über Wasser zu halten“, berichtet der Musiker. Dabei sei die finanzielle Lage für Musiker und Straßenkünstler in anderen Ländern noch sehr viel kritischer als in Deutschland. Ihn selbst treffe der Lockdown nicht so hart. Als Komponist sei er es gewöhnt, allein zu arbeiten. Gerade hat er seine erste CD mit Klaviermusik herausgebracht. „Breathing in – Breathing out“ (Einatmen – Ausatmen). „Aber auch mir fehlt die Inspiration, der Austausch mit dem Publikum und die Zusammenarbeit mit Kollegen aus der ganzen Welt“, sagt er. Zurzeit traue sich kein Veranstalter, für die Zeit nach dem Lockdown ein Konzert zu organisieren.

Michael Kuhl, Sänger und Trompetensolist aus Waldorf, sagt: „Uns wird jetzt verboten, Geld zu verdienen.“ Schon während seines Studiums habe er von seiner Musik gelebt und konnte seit 2015 auch seine Familie damit ernähren. Doch jetzt seien alle Auftritte abgesagt. Aktuell umrahmt er Begräbnisse musikalisch mit Trompetenmusik. Doch damit könne er seine Familie nicht durchbringen. „Wir bekommen im Februar unser zweites Kind“, berichtet der 34-Jährige. Aktuell arbeite seine Frau halbtags noch im Büro. „Und ihre Chefs, Werner und Sonja Nettekoven, bieten mir die Möglichkeit, mich einzuarbeiten, damit ich meine Frau während ihres Mutterschutzes vertreten kann“, erklärt Kuhl. Mit den staatlichen Hilfen versuche er parallel eine mobile Bühne zu finanzieren. „Sie soll es mir ermöglichen, trotz der Corona-Pandemie Geld mit meiner Musik zu verdienen“, erklärt er.

Jens Streifling, Multi-Instrumentalist in der Kölner Kultband „Höhner“ und Breniger, hat zwar Verständnis für die Regelungen: „Eins ist klar, wenn es um Menschenleben geht, muss man drastische Maßnahmen ergreifen.“ Allerdings hätten sich die Gastronomen und Veranstalter doch längst auf die Corona-Situation eingestellt. Die Sicherheitsabstände würden eingehalten und kreative Konzepte wie die Strandkorbkonzerte in Mönchengladbach hätten perfekt funktioniert. Das alles beweise doch, dass Kultur und Gastronomie ohne Ansteckungsgefahr möglich sind. „Ich finde den Lockdown zu übertrieben und sehr hart für alle Kulturschaffenden“, sagt Streifling. Dabei denkt der Musiker vor allen Dingen an seine jüngeren Berufskollegen. „Wir als Familie haben uns auf die Situation eingestellt und kommen irgendwie durch diese Zeit“, sagt er. Vielen Kollegen gehe es da ganz anders. Von einigen wisse er, dass sie Grundsicherung beantragen mussten. „Auch unsere Techniker und Veranstalter sind hart betroffen“, so Streifling. Im Moment befürchtet auch er, dass es viele Theater, Technikfirmen, Restaurants und Cateringfirmen nach der Pandemie so nicht mehr geben wird. „Und dies wäre ein großer Verlust für unsere Gesellschaft“, betont der Musiker. Was die „Höhner“ betrifft, so nutzen sie die freie Zeit auch um Songs für ihr neues Album zu schreiben. „Wenn es dann nächstes Jahr hoffentlich weitergeht, werden wir natürlich mit einem neuen Liveprogramm am Start sein“, verspricht er.

Dominik Fontes, Zauberkünstler aus Sechtem, hofft auch auf die Zukunft. Alle Auftritte sind bis in den Dezember hinein wegen des Lockdown abgesagt. „Meine Planung für die nächste Zeit wird dadurch umso schwieriger“, sagt der 24-Jährige. Zwar habe er auch schon überlegt, online seine Zaubershows anzubieten. „Aber das ist nicht mein Medium. Ich brauche den Live-Kontakt zu meinen Zuschauern“, so Fontes. Mit der Zauberkunst gehe er deswegen nicht ins Internet. „Allerdings habe ich während Corona meinen neuen Podcast ,Auf dem Weg der Leidenschaft’ gestartet“, erzählt er. Darin berichte Fontes Näheres über die Zauberkunst. „Und ich unterstütze Menschen darin, mehr auf ihre Leidenschaft zu hören, sowohl im privaten, als auch im beruflichen Kontext.“

Christian Ottens alias Yassmo’, Musiker aus Alfter, nutzt die Krisenzeit, um neue Songs für gleich mehrere neue Alben zu komponieren und zu produzieren. In seinem Haus in Gielsdorf hat er ein eigenes Studio eingerichtet. „Mit Live-Streamings habe ich mich auch beschäftigt, die sind aber im Moment für Livekonzerte zu langsam. Aber Liveaufzeichnungen und Videos funktionieren und geben Anlass, sich in dieser Zeit kreativ damit auseinanderzusetzen“, so der Jazz- und Soulmusiker. Die Corona-Maßnahmen hält er angesichts der steigenden Infektionszahlen und noch fehlender Impfstoffe für notwendig, „auch wenn sie für alle bitter sind.“ Mitte November hätte eigentlich die nächste Alfter Jazznacht des Kulturkreises Alfter im Ratssaal im Rathaus Oedekoven wieder über die Bühne gehen sollen, die natürlich pandemiebedingt längst abgesagt worden und um genau ein Jahr verschoben worden ist. Was denkt Yassmo’ darüber? „Offengestanden haben wir schon mit einer Absage gerechnet, auch wenn im Sommer eine gewisse Entspannung eintrat und etwas Hoffnung aufkeimte. So konnten wir schon recht früh mit allen über eine mögliche Verschiebung sprechen und diese aktuell ohne finanzielle Einbußen einleiten. Ein solches Festival im November in geschlossenen Räumen mit weniger Gästen und Hygienekonzept hätte sich für uns nicht gerechnet, daher haben wir es von vorn herein nicht verfolgt.“ Und welche Pläne hegt er für 2021? „Kultur wird es immer geben. Aktuell denken wir über eine Verlegung von Livekonzerten, sofern es die Pandemielage wieder zulässt, nach draußen nach. Hier beginnen wir mit den ersten Abklärungen von Spielorten und Zeiten. Vielleicht ergeben sich auch neue Veranstaltungsformate und Kooperationen, die Corona überdauern.“