Soledad Sichert, Inhaberin des Lokals Alter Zoll in Königswinter, hat zur Historie des Ortes recherchiert.
Copyright: Marius Fuhrmann
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An vielen Ecken im Rhein-Sieg-Kreis gibt es ehemalige Zollstellen. Meist erinnert nur ein Schild an einer Gaststätte an die frühere Funktion, doch die Zollstellen waren lebendige Orte, wie Hobby-Historikerinnen und Historiker herausgefunden haben.
Eine Zollstelle gab es vor vielen Jahrhunderten etwa in Oberpleis in Königswinter. Soledad Sichert, Inhaberin des Lokals „Alter Zoll“, interessiert sich für die Geschichte des Ortes. Sie weiß: Eine Zollstelle war ihr Fachwerkhaus, auch wenn es heute so heißt, nicht. „Das wurde erst vor etwas mehr als 200 Jahren gebaut. Über die Zeit davor gibt es kaum Aufzeichnungen.“
Zollstellen lagen oft in der Nähe von Kirchen, fand Soledad Sichert vom Alten Zoll in Oberpleis heraus
Um Zölle erheben zu können, habe ein Ort die Stadtrechte haben müssen. „Die erhielten sie zum Beispiel von einem Kurfürsten. So um das Jahr 1000 herum führten viele Orte Zölle ein“, schildert Sichert. Sie machten sich die geografischen Gegebenheiten zunutze.
„Oberpleis liegt auf einem Berg – und wenn man einmal oben war, hat man überlegt, wie man oben bleibt. Deswegen wurden Straßen auf den Bergrücken errichten, entsprechend auch die Zollstellen. Diese lagen meist in der Nähe der Kirchen, weil die das Geld hatten. Dort herrschte reger Handel.“ Oberpleis gehörte einst zum Kurfürstentum Köln, die Grenze verlief im Tal, „ungefähr da, wo heute die A3 ist“.
Der alte Zoll in Königswinter-Oberpleis. Das Restaurant im Fachwerkhaus heißt so, war allerdings nie eine Zollstelle.
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Die 54-Jährige hat sich zur Gästeführerin ausbilden lassen, erklärt Besucherinnen und Besuchern historische Bauwerke in der Region. „Ich bin einfach heimatverliebt, mir es wichtig zu wissen, wo ich wohne. Mich hat Geschichte schon immer interessiert, ich möchte sie greifbarer machen, weil ich nicht so tun kann, als ob ich sie nicht sehen würde“, sagt Sichert. „Ich kann in Häusern lesen: Ich brauche mir nur die Gestaltung anschauen und kann sagen, ob die Familie arm oder reich war.“
Die Menschen, die auf die Zollabfertigung warteten, gingen in die Gaststätte
„Zum alten Zoll“ heißt eine Pension in Siegburg, kurz bevor die Frankfurter Straße die Sieg überquert. Eine natürliche Barriere – wie gemacht für eine „Brückengeld-Hebestelle“, wie es schon damals im Amtsdeutsch hieß. Geforscht dazu hat Heinrich Schmitz aus Deichhaus. Im Jahr 1066, so hat er zusammengetragen, wurde die Siegburger Abtei geweiht und Deichhaus, das damals zur Gemeinde Buisdorf gehörte, zum Grenzort eines Burgbanns.
Bevor ab 1772 eine Holzbrücke über die Sieg führte, brachten Fähren die reisenden Menschen von hüben nach drüben. 1854 wurde die Brücke durch ein Bauwerk aus Stein ersetzt und die Zollstelle auf die rechte Uferseite verlegt. Ihr Geld konnten die Reisenden in der Gaststätte Henseler in Buisdorf ausgeben. Doch da mit der Brücke der Verkehr zunahm und die auf die Zollabfertigung Wartenden eine Einkehrmöglichkeit suchten, wurde auch auf Deichhäuser Seite ein Gaststätte eröffnet.
Heinrich Schmitz aus Siegburg hat zum Alten Zoll in Deichhaus und Buisdorf recherchiert.
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Ob eine solche Wirtschaft notwendig war, entschieden die Bürgermeister, die die Konzessionen vergaben. Mit Eröffnung der parallel verlaufenden Eisenbahnstrecke verlor die Zollstelle an Bedeutung. Heinrich Schmitz sieht darin eine tiefere Bedeutung: „Durch den Rechtsruck in Deutschland und Europa wollen viele wieder zurück zum Schlagbaum, dabei zeigt uns die Vergangenheit, wie umständlich und entfremdend dieser Zustand der Kleinstaaterei sein kann“, mahnt er.
Die Zollstelle aus Blankenberg wurde nach Uckerath verlegt – der Weg war zu beschwerlich
Alle paar Kilometer eine Nutzungsgebühr entrichten, auf dem Weg in den Westerwald zum Beispiel: Der Alte Zoll in Uckerath ist Ziel mehrerer Busverbindungen – und der Name der Haltestelle ist nicht aus der Luft gegriffen.
„Blankenberg erhielt 1245 die Stadtrechte und damit eine Zollstelle. Aufgrund des beschwerlichen Wegs wurde diese nach Uckerath verlegt“, teilt Stadtsprecherin Mira Steffan mit, die im Stadtarchiv gestöbert hat. Über die Jahrhunderte wechselte die Zollstelle immer wieder den Besitzer, lag in verschiedenen Fürstentürmern und Grafschaften.
„1571 ist Moritzen Deitscheid Pächter des Uckerather Zoll. Laut einer Rechnung von 1624 bis 1625 ist Johann Quaden für sechs Jahre der Pächter. 1645 pachtet Gumbrichten Henseler und am 28. März 1678 der Posthalter Balthasar de Warth aus Warth den Zoll“, hat Steffan recherchiert. Erst 1815, als das Rheinland ins Königreich Preußen eingegliedert wurde, verlor die Zollstelle ihre Bedeutung. Der Name hingegen hat die Zeit überdauert, wie an vielen anderen Stellen in der Region auch.