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Unterwegs in BornheimDer Ortsspaziergang durch Waldorf ist ein echter Geheimtipp

Lesezeit 4 Minuten
Josef geuer waldorf

Aus der Geschichte Waldorfs weiß Franz-Josef Geuer viel zu erzählen.

Bornheim-Waldorf – Der Ortsspaziergang mit Franz-Josef Geuer (81) ist ein richtiger Geheimtipp für Menschen, die mehr über die Geschichte Waldorfs wissen wollen, als die Geschichtsbücher hergeben. Über Jahrzehnte hat sich der Wahl-Waldorfer nämlich nicht nur in die Historie Waldorfs und des Vorgebirges hineingearbeitet, er hat auch viele Gespräche mit Zeitzeugen geführt. Dabei erfuhr er so manche Begebenheit, die ohne seine Nachforschungen vielleicht nie ausgesprochen worden wäre.

Beim jüngsten Ortsspaziergang gab es auf jeden Fall wieder viele staunende Gesichter und am Ende tüchtig Applaus für den 81 Jahre alten Heimatforscher. Zu dem von Manfred Quadt-Herte organisierten Ortsspaziergang hatte das Grüne Ortsteam Waldorf/Dersdorf/Kardorf eingeladen.

Viel mehr geboten als angekündigt

Der Ankündigung zufolge sollten die römische Wasserleitung, denkmalgeschützte Gebäude in Waldorf, eine alte und die neue Straßenansicht der oberen Schmiedegasse sowie die Geschichte der Waldorfer Kirche im Mittelpunkt des Ortsspaziergangs stehen. Doch es wurde viel mehr geboten. Geuers Zuhörern, darunter waren auch die beiden Ortsvorsteher aus Waldorf, Günter Knapstein, und aus Roisdorf, Karl-Heinz Nauroth, sowie Bornheims stellvertretende Bürgermeisterin Dr. Linda Taft, Grüne-Sprecherin Cynthia Roggenkamp und der Stadtverordnete der Grünen Dr. Arnd Kuhn. Ihne erzählte Geuer zum Beispiel, dass die Bergstraße im Volksmund Jüttjaß heißt. „Nachweislich lebten dort schon im 14. Jahrhundert Juden“, berichtete er.

Jüdische Geschichte in Waldorf

In diesem Zusammenhang schilderte Geuer auch die Geschichte der beiden Jüdinnen, Helene Hartok geborene Levi und Julchen Bär, geborene Eckstein. Sie hätten am Pütz 7 (heute Schmiedegasse) gewohnt und einen Kurzwarenhandel betrieben. Ältere Dorfbewohnerinnen, die die beiden Frauen noch kannten, hatten ihm erzählt, dass die beiden Händlerinnen den Kindern im Ort zehn Pfennige gaben, wenn sie ihnen die Taschen von der Waldorfer Bahnhaltestelle bis zu sich nach Hause trugen. Doch mit der Schreckensherrschaft des Nationalsozialismus endete das jüdische Leben auch in Waldorf. Zunächst seien die beiden Frauen in ein Lager nach Köln verschleppt worden. „Dort hat eine Waldorferin sie noch einmal gesehen, bevor sie deportiert wurden“, berichtete Geuer.

In Waldorf habe es damals auch eine jüdische Metzgerei und eine jüdische Bäckerei gegeben. Heute erinnern 15 Stolpersteine des Künstlers Gunter Demnig an das einst blühende jüdische Leben in dem Vorgebirgsort.

Pfarrkirche St. Michael als wichtiger Vertreter der Neugotik

„Als ein markantes Bauwerk mit Fenstern aus vier Epochen“, stellte Geuer die Pfarrkirche St. Michael vor, die 1880 vom Kölner Architekten Vincenz Statz erbaut wurde – einem der bedeutendsten Vertreter der Neugotik im Rheinland. Eine besondere Bewandtnis hat es mit der Waldorfer Römerleitung. Vor 2000 Jahren verlief der Kanal aus Brenig über Üllekoven die Bergstraße und Mittelstraße herunter Richtung Köln. „Einzigartig für das Vorgebirge war die Steilstelle von der Breniger Höhenlage über Üllekoven nach Waldorf mit einem Gefälle von bis zu 4,5 Prozent. „Beim Bau der ehemaligen Post und der Kreissparkasse auf der Walberberger Hauptstraße wurde ja 1965 ein Stück Römerkanal gefunden“, berichtete Geuer. Davon habe auch Waldorf ein Stück erhalten. „Es stand gegenüber der Volksbank, sollte jedoch 1975 versetzt werden. Man kann sich die entsetzten Gesichter der Arbeiter vorstellen, als sie das historische Erbe mit schwerem Gerät anhoben und es unverhofft auseinanderbrach.“Geuer legte zum Beweis eine Fotografie von dem Trümmerberg vor. „Seitdem gibt es in Waldorf keinen Römerkanal mehr zu sehen“, sagte er.

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Zu seinen Ortsspaziergängen gehört auch ein Blick auf die wunderbaren Fachwerkhäuser, von denen in Waldorf noch eine ganze Menge erhalten sind. Ein richtiges Paradebeispiel ist der „Rodenkirchener Hof“ Ecke Sandstraße/Hühnermarkt. Die Eigentümerin erzählte selbst die Baugeschichte. diese lasse sich bis ins 17. Jahrhundert zurückverfolgen. Jüngst gefundenes Mauerwerk könne sogar aus dem 14. Jahrhundert stammen. „Das Haus heißt hier in Waldorf auch ,das Haus der sieben Giebel‘“, erklärte Geuer. „Weil es sieben Giebel hat“, ergänzte er.

Mit einem Blick zurück auf das Waldorf in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts endete der Ortsspaziergang auf dem ehemaligen Friedhof neben dem Pfarrheim. Anhand eines Gemäldes, das der Waldorfer Bäckermeister und Hobbymaler Jakob Dick (1867–1943) angefertigt hat, zeigte Geuer das alte Waldorf, als die Toten noch um den Kirchturm herum begraben wurden und die alte Kirche, die alte Schule und die Vikarie noch standen. Geuer: „Jakob Dick hat das noch mit eigenen Augen gesehen und in dem Gemälde für die Nachwelt festgehalten.“