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Wenn die Technik klappt...Diese Erfahrungen machen Menschen in Rhein-Sieg bislang mit dem E-Rezept

Lesezeit 5 Minuten
Ein Mitarbeiter einer Apotheke steckt eine Gesundheitskarte in ein Lesegerät.

Ein Mitarbeiter einer Apotheke steckt eine Gesundheitskarte in ein Lesegerät.

Das E-Rezept hat Apotheker in Bornheim und Rheinbach zur technischen Nachrüstung gezwungen. Während es für einige Patienten deutlich einfacher geworden ist, ein Rezept einzulösen, mussten andere Wartezeiten und Umwege in Kauf nehmen.

Anderthalb Monate nach Einführung des E-Rezepts sind die Erfahrungen gemischt. Technische Probleme und unerwartete Investitionen plagen Ärzte und Apotheker, Patienten sparen sich einen Weg oder aber werden zu zusätzlichen Gängen gezwungen - je nachdem, wie es läuft.

Patient aus Walberberg

Der Idealfall vorab: Hans Klose aus Walberberg ist regelmäßig auf Medikamente angewiesen. Der 70-Jährige ist gewohnt, dass er seine Medizin beim Arzt in Bornheim auf einem Internetformular bestellen kann. Bei der digitalen Buchung des Nachschubs gab es auch gleich den Hinweis: „Eine Abholung ist erst am nächsten Tag möglich.“ Damit der Senior nicht unnötig nach Bornheim fuhr, um wie gewohnt ein Papierrezept abzuholen, informierte ihn seine Hausarzt-Praxis netterweise zusätzlich per Telefon, dass er mit seiner Versichertenkarte gleich die Arznei in der Apotheke holen kann. „Ich war in diesem Quartal schon beim Arzt, und so ging das ganz einfach. Dadurch habe ich mir 14 Kilometer gespart - sieben hin und sieben zurück, denn die Apotheke ist gleich hier um die Ecke.“

Patient aus Rheinbach

Im Ärztehaus in Rheinbach befindet sich eine Apotheke. Aus der Praxis sind es bis zur Abholung des gerade verschriebenen Medikaments also nur ein paar Schritte - denkt der Patient aus Rheinbach. Doch das E-Rezept nimmt andere Wege. Es wird eben nicht mehr ausgehändigt oder komplett auf die Karte geschrieben, sondern im Internet hinterlegt, und die Karte ist nur der Abholausweis. Michael Müller (Name geändert) strandet darum erstmal in der Apotheke und erfährt: Das Rezept muss erst in der Datenbank vom Arzt digital signiert werden. Müller entscheidet sich, zu warten, wovon der benachbarte Bäcker profitiert, der nun einen Kaffee-Gast mehr hat. Nach dem Kaffee ist die Verschreibung tatsächlich abrufbar - eher ein glücklicher Zufall, denn der Arzt hätte das Signieren auch erst am späten Nachmittag erledigen können.

Apotheke in Bornheim

Christoph Matuschik, der als Apotheker die Donatus-Apotheke in Bornheim und die Südapotheke in Bad Honnef führt, war zur Einführung des E-Rezepts begeistert, wie er damals der Rundschau berichtete. Doch ein paar Tage später wurde ihm klar: „Du hast Dich zu früh gefreut!“ Da traten erste technische Probleme auf. Matuschik: „Eigentlich läuft auch alles gut, aber vorige Woche war es zum Beispiel wieder extrem: Der bundesweite Server war abgestürzt, kein E-Rezept abzurufen.“ In der Praxis sei es einfach nicht möglich, einen Patienten zurück zum Arzt zu schicken, damit der dann ein Papierrezept ausstellt.„ Das Problem bestand nur stundenweise, und der Softwareanbieter konnte nichts dran machen.“

Die Erfahrung des Apothekers: „Wenn das System abstürzt, geht ja gar nichts mehr.“ Er hat darum seinen Internetzugang abgesichert und eine LTE-Antenne installiert: „Darauf schaltet das Netz dann automatisch um, wenn das eigentliche Funknetz ausfällt. Es kostet allerdings wieder mehr.“ Problematischer noch: „Die Zugänge zum Server sind mit einer PIN geschützt. Wird dieser Code einmal falsch eingegeben, wird die Karte gesperrt. Wenn das bei der Bank passiert, ist das mit einem Anruf zu lösen. Hier muss aber eine Ersatzkarte neu gedruckt und registriert werden. Das dauert zwei bis drei Wochen.“ Darum hat Matuschik für seine beide Apotheken je eine Reservekarte beantragt.

Christoph Matuschik, Inhaber der Donatus-Apotheke

Christoph Matuschik, Inhaber der Donatus-Apotheke

„Das Verfahren ist etwas komplizierter, als man sich das vorgestellt hat. Viele Ärzte signieren ein Rezept direkt, wenn es eilige Sachen sind. Bei Vorbestellungen hört man immer wieder: ‚Das können Sie erst morgen einlösen‘, weil sie es sammeln.“ Darum habe er etwa 10 bis 20 Fälle am Tag, bei denen nichts auf der Karte ist.

„Ältere Leute sind immer noch verwundert, wie das geht und haben ihr Rezept sogar zusätzlich ausgedruckt dabei. Die Aufklärung über das neue System findet vor allem bei älteren Patienten immer noch bei uns statt.“

Ob sich das neue Verfahren in seiner Kundenfrequenz auswirkt? „Das lässt sich noch nicht ablesen. Der Versandhandel lockt mit Rabatten, etwa aus Holland, was hier nicht erlaubt ist. Vielen, die dort bestellen, ist nicht bewusst, dass dann auch unsere Steuergelder dorthin abfließen. Die Schließungswelle bei den Apotheken wird noch rasant zunehmen. Voriges Jahr waren es in Deutschland 500 Apotheken. Allerdings habe ich in Bad Honnef einen stärkeren Zustrom, weil wir den dörflichen Apotheken überlegen sind.“

Apotheke in Rheinbach

„Grundsätzlich läuft es sehr gut“, findet Christian Tenzer, Inhaber der Stern-Apotheke am Lindenplatz: „Die Ärzte haben größtenteils die Komfortsignatur eingeführt. Nur vereinzelt gab es Fälle, in denen es nicht funktionierte.“ Bei Dauermedikation, rät Tenzer, sollten Patienten besser ihr Präparat vorbestellen. Allerdings kam auch der Rheinbacher Apotheker nicht umhin, technisch nachzurüsten. Er hat eine vierte Kasse eingeführt, weil es einfach einen höheren Beratungsbedarf gibt und die Kunden bis raus auf den Platz Schlange standen. Er muss immer wieder erklären, wie das mit der Karte funktioniert: „Das Rezept ist eben nicht direkt auf der Karte, sondern in einer Art Wolke im Internet.“ Wie sein Kollege in Bornheim hat auch er vorsichtshalber eine LTE-Antenne direkt am Router angeschlossen. Ein Stromausfall, räumt er ein, würde ohnehin alles blockieren: „Ich könnte zwar die Glastür per Hand öffnen und eventuell ein Medikament aus dem automatischen Lager herausfinden, aber dann würde mir immer noch der Preis fehlen.“ Kein Szenario, das er gerne erleben würde.

Christian Tenzer, Inhaber der Stern-Apotheke in Rheinbach

Christian Tenzer, Inhaber der Stern-Apotheke in Rheinbach

An seiner Befürchtung, dass er durch das neue Verfahren langfristig Kunden verlieren dürfte, hat sich seit dem E-Rezept-Start nichts geändert. Denn wer erst auf die Einlösung warten muss, und schon aus der Innenstadt nach Hause zurückgekehrt ist, entscheidet sich vielleicht nicht mehr für einen neuen Gang in die Stadt.


E-Rezept, was ist das?

Ein E-Rezept ist die digitale Variante des bisherigen Papierrezepts. Es wird dem Patienten nicht mehr mitgegeben, sondern in einer zentralen Datenbank bundesweit hinterlegt, so dass es mit einer Krankenversicherungskarte, die einen Chip hat, eingelöst werden kann. Dabei ist die Karte lediglich der Schlüssel für die Abholung. Mit dem neuen System können auch Kassenpatienten Arzneimittel aus einer Verschreibung aufsplitten und an verschiedenen Stellen besorgen.

Änderungen wegen der häufiger gewordenen Lieferengpässe, etwa der Austausch gegen ein anderes Präparat mit gleichen Wirkstoffen oder in anderer Menge, sind so leichter möglich.

Ein QR-Code, der in der Arztpraxis ausgedruckt werden kann, ermöglicht die Einlösung des Rezepts im Internet. Dies ist auch eine Alternative für Menschen, die noch keine Krankenversicherungskarte mit Chip haben.