Der ehemalige „Spargel-König“ Claus Ritter und seine Familie gestanden zum Prozessauftakt Vermögensstraftaten.
Prozessauftakt vor dem Landgericht BonnEx-„Spargel-König“ macht reinen Tisch
Der ehemalige „Spargel-König“ Claus Ritter (63) machte am Montagvormittag zu Beginn seines Strafprozesses vor dem Landgericht Bonn reinen Tisch: Er räumte in einer Erklärung, die sein Anwalt Hans-Dieter Henkel verlas, die von der Anklage erhobenen Vorwürfe im Wesentlichen ein. Sie beziehen sich auf 66 Vermögensstraftaten, vom Bankrott, Unterschlagung, Vorenthalten von Lohn bis zu besonders schwerem Betrug und falsche Versicherung an Eides statt. Seine mitangeklagte Ehefrau (62) machte ebenso eine geständige Einlassung („Ich habe Schuld auf mich geladen“) wie die Tochter (35). „Stimmt das so?“, fragte die Vorsitzende Richterin der 11. Großen Strafkammer, Isabel Köhne, den Angeklagten nach dem Vortrag von Verteidiger Henkel. Ein knappes „Ja“ war die Antwort. Er übernehme für alles die Verantwortung.
Durchbruch um die Jahrtausendwende
Claus Ritter, geboren als Sohn von Gemüsebauern in Dransdorf, absolvierte zunächst eine Lehre als Kfz-Mechaniker, ging dann zur Post und arbeitete mit seiner Frau nebenher in der Landwirtschaft, baute vor allem Erdbeeren und Spargel an. 1998 kündigte er den Job als Briefträger und kümmerte sich nur noch um Gemüse und Obst. Der Durchbruch kam, als er um die Jahrtausendwende die Pflanzen unter Folien zog. 148,5 Hektar Land bewirtschaftete er zeitweise im Raum Bornheim, eigene Flächen oder gepachtete, wofür die Verträge, wie im Vorgebirge noch gelegentlich üblich, per Handschlag abgeschlossen wurden. Die Geschäfte liefen gut, so dass sich der Bauer ein kostspieliges Hobby leisten konnte: Er sammelte Oldtimer, kaufte zum Beispiel für über 300.000 Euro Porsche-Rennwagen der Baujahre 1964 und 1968. Mit den Autos habe Ritter handeln wollen, so Anwalt Henkel. Die Familie besaß ein Wohnhaus in Endenich und ein Wochenendhaus in Dernau – beide mittlerweile im Zuge der Privatinsolvenz verkauft.
Schlechte Ernten „schuld“ an wirtschaftlichem Ruin
Schuld für den wirtschaftlichen Ruin seien schlechte Ernten in den Jahren nach 2016 gewesen. Ritter hatte keine Rücklagen gebildet, um die Ebbe in der Kasse auszugleichen, da seien auch „Fehler gemacht worden“, räumte er ein. Nämlich zu glauben, die Erfolgsgeschichte seines Hofs gehe so weiter. Ging aber nicht.
Alles zum Thema Amts- und Landgericht Bonn
- Prozess Sprachzertifikate für Ausländer gefälscht – Bande aus Hennef vor Gericht
- Prozess in Bonn Sprachzertifikate für Ausländer gefälscht – Bande vor Gericht
- „Jetzt bringe ich Dich um“ Busfahrer schildert im Gerichtssaal brutale Attacke in Troisdorf
- Plädoyer Waldbröler soll wegen Missbrauchs seiner Töchter mehr als neun Jahre in Haft
- Schmerzensgeld Frauen scheitern mit Impfklagen gegen Biontech
- Schwere Verletzungen Ärztin verklagt Stadt Troisdorf wegen herabstürzenden Astes im Wald
- Prozess Bonner Richter mildern Urteil gegen Kleindealer aus Neunkirchen-Seelscheid ab
Als er Sozialabgaben für seine Mitarbeiter nicht mehr bezahlen konnte, beantragte die AOK Rheinland Hamburg im November 2019 ein Insolvenzverfahren, das vom Amtsgericht Bonn im Januar 2020 eröffnet wurde. Davor und danach haben Claus Ritter und seine Frau unter teilweiser Mithilfe der Tochter nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und nach ihrer gestrigen Einlassung Vermögenswerte von 1,7 Millionen Euro beiseitegeschafft. Indem sie 1,2 Millionen Euro aus der Kasse einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), die den Sonderkulturhof betrieb und deren Gesellschafter das Ehepaar war, entnahmen. Bezahlt wurden damit unter anderem Leasingraten für Sportwagen. Zwei Porsche, die nicht im Eigentum der GbR standen, wurden verpfändet, ein Landrover verkauft, Akten wurden geschreddert oder verbrannt. Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens verschwanden plötzlich landwirtschaftliche Fahrzeuge und Geräte im Wert von 246.000 Euro, über Nacht wurden 23 Tonnen abgeernteter Spargel weggeschafft. Von einem Freund ließ sich Ritter Kredite über 82.000 Euro geben, ohne sie zurückzuzahlen. Schließlich gab er zu, zwei fremdfinanzierte Porsche und Ferrari für 1,2 Millionen Euro veräußert zu haben, obwohl Raten noch offen waren. Für diesen Deal soll der Landwirt eine falsche eidesstattliche Versicherung abgegeben haben.
Weil das Ehepaar im Insolvenzverfahren seiner Aufklärungspflicht gegenüber dem Amtsgericht nicht nachgekommen war, kamen beide für Monate in Beugehaft. „Wie war das für Sie?“, fragte die Richterin. „Da habe ich gelernt, mit wenig Geld leben zu können. Dort ist eine Briefmarke ein Vermögen wert“, sagte Ritter. Seine Frau ist von der Zeit im Klingelpütz noch so traumatisiert, dass ihr bei der Erinnerung daran die Tränen kamen.
Der einstige „Spargel-König“ arbeitet und lebt heute als Angestellter eines Landwirts in Monheim und verdient 1300 Euro netto im Monat, eine Wohnung für ihn und seine kranke Frau auf dem Bauernhof inklusive.