AboAbonnieren

Bekannte im Rhein-Sieg-Kreis bangenMann steckt nach Erdbeben unter Trümmern

Lesezeit 5 Minuten
In einem Auto lebt diese 20-köpfige Familie seit dem Erdbeben bei Antakya in Syrien. Ihre Wohnung und Geschäfte sind zerstört. Es sind die Angehörigen einer Feundin von Hadil Ramis aus Alfter-Witterschlick, die in Bonn-Tannebusch lebt.

In einem Auto lebt diese 20-köpfige Familie seit dem Erdbeben bei Antakya in Syrien. Ihre Wohnung und Geschäfte sind zerstört. Es sind die Angehörigen einer Feundin von Hadil Ramis aus Alfter-Witterschlick, die in Bonn-Tannebusch lebt.

Im fernen Erdbebengebiet in der Türkei und in Syrien gibt es weitere Nachbeben und eiskalte Nächte. Aber die Angst um den Vater oder den Bekannten unter Trümmern reicht bis in den Rhein-Sieg-Kreis.

Angehörige in Bornheim-Walberberg

Es fällt der Geschäftsfrau aus Walberberg schwer, über die Nachrichten zu sprechen, die sie zurzeit stündlich aus ihrer Heimat erhält. Ein Verwandter sei bei dem schlimmen Erdbeben verschüttet und getötet worden. „Es ist kaum zu ertragen, nicht selbst vor Ort helfen zu können“, sagt sie. Zusammen mit ihrem Ehemann führt sie den „Alles Laden Topuz“.

Gerade hat sie wieder mit der Familie in der Türkei telefoniert. Nachbarn ihrer Angehörigen seien verschüttet. „Überall wackeln die Häuser. Die Erde kommt einfach nicht zur Ruhe“, berichtet sie. Über WhatsApp hat die Familie einen Hilfstransport organisiert, der warme Kleidung, Hygiene-Artikel und Decken befördern soll. „Es sollten neue beziehungsweise neuwertige Kleidungen sein“, erklärt die Geschäftsfrau. Auch Geld werde gesammelt.

Helfen zu können, sei ihr, ihrer Familie und ihren Freunden sehr wichtig. Sie ertrage es nicht, nur abzuwarten und nichts zu tun. „Der Hilfstransport wird am Samstag in Köln starten“, sagt sie. Bis dahin gibt es noch eine Menge zu tun. Ihr Schwiegersohn sei zurzeit in der Türkei – im Erdbebengebiet.

Es ist die Macht der Erde, die ganze Dörfer niedergerissen und einfach zerstört hat. Das könne jeden Augenblick überall auf der Welt passieren.
Frau Topuz aus Walberberg

Die Bekannten dort leben in der 13. Etage eines Mehrfamilienhauses – eigentlich. Zwar sei das Haus nicht eingestürzt, doch alle Bewohner seien aufgefordert worden, die Hochhäuser zu verlassen. „Es ist einfach zu gefährlich“, berichtet die Walberbergerin. Die Nachbeben seien heftig, und auch dabei könnten weitere Hochhäuser zusammenfallen. So habe ihr Schwiegersohn wie viele anderen Menschen im Krisengebiet die Nacht im Auto verbracht und versucht, darin ein bisschen zu schlafen. Jetzt gebe es kein Benzin mehr, und auch die Lebensmittel seien knapp. „Es ist einfach nur ganz schrecklich“, sagt sie.

Angehörige aus Alfter-Witterschlick

Auch Hadil Ramis (34) aus Syrien macht sich große Sorgen um ihre Familienangehörige und ihre Freunde. Seit 2005 lebt sie in Deutschland, ursprünglich in Bornheim, inzwischen in Witterschlick. Ihr Vater, aber auch viele ihrer Freunde leben in einem Vorort von Aleppo in Syrien. „Vater hat die vergangene Nacht mit seiner Frau im Auto verbracht“, erzählt sie. Sie hätten sich nicht in ihre Wohnung getraut. „Sie wohnen in einem hohen Haus“, erklärt sie. Alle hätten sehr große Angst vor weiteren Nachbeben. Viele Menschen seien ja einfach nur im Pyjama nach draußen gelaufen. Sie hätten jetzt nur noch das, was sie am Leib tragen. „Doch Vater lebt“, sagt sie erleichtert. Er sei in Ordnung.

Nach unendlichen Versuchen habe sie einen Kontakt zu ihm herstellen können. „Es gibt dort keinen Strom“, erklärt sie. Das Telefon funktioniere die meiste Zeit über nicht, nur zwischendurch gelegentlich. Um ihren Angehörigen zu helfen, habe sie mit ihrer Freundin schon Geld gesammelt. „Das schicken wir ihnen“, sagt die 34-Jährige. Die Menschen in der Erdbebenregion bräuchten jetzt schnell warme Kleidung. „Es ist dort noch sehr kalt“, erklärt sie.

Ein Bekannter kann nicht befreit werden

Auch die Lebensmittel würden im Krisengebiet knapp. Sie könne es kaum ertragen, ihre Landsleute so leiden zu sehen. Videos und Fotos, die sie über WhatsApp aus ihrer Heimat bekommen hat, lassen erahnen, wie schrecklich die Situation im Erdbebengebiet ist. „Ein Bekannter liegt immer noch unter den Trümmern, und bisher konnte ihm noch kein Mensch helfen, dort herauszukommen“, erklärt sie.

Hilfe formiert sich aus einer Mischung von Verzweiflung und Handeln wollen. Menschen organisieren Transporte (siehe Infos am Textende), die möglichst bald Hilfsgüter in die Erdbebengebiete bringen sollen, vornehmlich in die Türkei, aber auch nach Syrien. Helfen wollen auch die Ehrenamtler des Technischen Hilfswerks aus dem Ortsverband Bornheim. Sie warten aber auf den Auftrag. „Wir sind in Alarmbereitschaft – stehen quasi auf Standby“, erklärt auf Anfrage der Ortsbeauftragte Axel Lindner. Sollte seine Gruppe ins Erdbebengebiet gerufen werden, dann geht Lindner davon aus, dass die Sondereinsatzgruppen Bergung und Transport-Logistik angefordert werden könnten.


Aktuelle Aktionen aus dem Rhein-Sieg-Kreis

Im Rhein-Sieg-Kreis gibt es etliche Aufrufe zum Abgeben von Sachspenden für Betroffene der Erdbebenkatastrophe in der Türkei und in Syrien. Zumeist wollen Menschen, die eine Verbindung in die Türkei haben, das Sammeln für Hilfstransporte unterstützen. Auch Spendenkonten wurden eingerichtet.

In Alfter hat der Verein „Menschenfreude“ einen Hilfeaufruf unter den Teilnehmern seiner WhatsApp-Gruppe gestartet.

Aus Bornheim gehören viele Türken der Moschee-Gemeinde in Wesseling an. „Wir sammeln Geld, damit die Betroffenen überleben können“, erklärt der Vorsitzende der Moschee-Gemeinde, Temel Özer. Das Geld werde über die DITIB, die türkisch-islamischen Union mit Sitz in Köln, in die Türkei geschickt.

In Rheinbach hat eine Frau aus der Gutenbergstraße 12 dazu aufgerufen, Kissen, Decken, Zelte, Schlafsäcke und ähnliches zu spenden. Sie will den Weitertransport nach Köln zum Sammelort übernehmen. Dort im Stadtteil Westhoven formiert sich in der Claudiastraße 2c unter dem Namen „Erdbebenhilfe Köln“ ein Transport.

Auch der Inhaber von Hanedan Steakhouse am Haus Streng in der Martinstraße sammelt Hilfsgüter, die er Lastwagenfahrern in Koblenz und Köln mit auf den Weg in die Türkei geben will. „Rheinbach hilft“ will sich im März entscheiden.

In Meckenheim werden Hilfsgüter umgeschlagen. Der Verein „Meckenheim hilft“ ist zwar intensiv mit Hilfslieferungen in die Ukraine beschäftigt, stellt aber Logistikflächen für eine Aktion eines kurdischen Vereins zur Verfügung.

In Swisttal ruft Hasan Uzungelis, Inhaber des Bodrum Grill, zu Spenden auf. Er stammt aus Kahramanmaras und sammelt Geld, mit dem sich seine Verwandten Essen kaufen sollen. Der Infopoint des Bürgervereins Odendorf, Essiger Straße 9, nimmt Medikamente gegen Durchfall, Schmerzmittel, Wundsalben, Verbandsmaterial, Zelte, Isomatten und Schlafsäcke an, zudem Baby-Trocken-Nahrung und Pampers. (mfr)