Am Hexenweg in Bornheim möchte die Stadt Bornheim eine Notunterkunft in Modulbauweise für bis zu hundert Geflüchtete bauen.
Unmut über Pläne der StadtIn Bornheim soll eine Sammelunterkunft für Geflüchtete entstehen
In den vergangenen Tagen sorgte dieses Projekt zunehmend für Unmut und Diskussionen vor allem in den sozialen Netzwerken. Ein Grund war ein erneuter Dringlichkeitsbeschluss über die Vergabe des Bauauftrages der Sammelunterkunft, der am Donnerstagabend auf der Tagesordnung statt. Wie üblich bei solchen Prozessen im nicht-öffentlichen Teil.
Die Stadt erkannte einen „Informationsbedarf“ und beraumte einen Tag vor der Ratssitzung eine Aktuelle Stunde ein, um über die Entwicklungen zu informieren und, so Bürgermeister Christoph Becker (parteilos) „Fehlinformationen und Missverständnisse in den sozialen Medien“ aus dem Weg zu räumen. Rund 40 Bürger waren zu dieser Aktuellen Stunde gekommen.
Dabei hätte es nicht so weit kommen müssen, hätten Becker und die Verwaltung das Projekt klarer und transparenter kommuniziert, etwa durch eine Bürgerversammlung, wie sie eigentlich im Dezember beschlossen worden war. Überhaupt fanden bislang seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs im Februar 2022 keine größeren Bürgerversammlungen im Stadtgebiet zur Situation der Geflüchteten statt. Das sah unter Beckers Amtsvorgänger Wolfgang Henseler (SPD) noch anders aus. Neben regelmäßigen Presseterminen gab es während der sogenannten Flüchtlingswelle 2015/2016 regelmäßig öffentliche Versammlungen, um die zu informieren und mit ihnen zu diskutieren. Diesen Bedarf sah die Stadt im Fall der aktuellen Situation jedoch nicht, wie Becker erläuterte und wie folgt begründete: Anders als damals erfolge der Zustrom der Geflüchteten nicht gebündelt über Sammelzuweisungen und mit Bussen, sondern in einem kontinuierlichen Strom privat organisiert oder über Einzelzuweisungen. Deshalb sei die Wahrnehmung aktuell eine andere als 2015/16 obwohl die Zahlen vergleichbar seien. Becker verwies darauf, dass in den politischen Gremien kontinuierlich öffentlich über die aktuelle Lage berichtet wurde. Nun musste er einräumen, dass er die Situation falsch eingeschätzt habe: „Hier bin ich einem Irrtum unterlegen. Das bedauere ich. Es war zu keiner Zeit die Absicht der Verwaltung etwas unter dem Radar laufen zu lassen. Diese Kritik nehme ich auf mich und verbuche sie bei mir.“
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Becker kritisierte aber auch die bisweilen aus dem Ruder gelaufene Diskussion in einigen sozialen Netzwerken und zeigte sich empört, dass in den Kommentarspalten sowohl Mitarbeiter der Verwaltung als auch Geflüchtete allgemein als „Pack“ beschimpft wurden. „Dies entspricht weder unserer Willkommenskultur, zu der viele ehrenamtliche Helfer mit beitragen, noch der Bornheimer Erklärung von 2014.“
In der anschließenden Diskussion mit den Bürgern wurde klar, dass es nicht darum ging, Geflüchteten keinen Platz in Bornheim zu bieten, kritisiert wurde der Standort Hexenweg. Der künftige Bau befindet sich direkt gegenüber der Kita „Märchenwald“, der in Trägerschaft der Lebenshilfe Bonn ist und einigen Privathäusern. Auch die unübersichtle Einfahrt von der Königstraße zum Hexenweg, bereitet den Anwohnern Sorgen. So berichtete eine Mutter, die ihre Kinder jeden Morgen zur Kita bringt, über die gefährliche Situation, die durch die enge Zufahrt von der Königstraße zum Hexenweg bestehe: „Ich mache mir Sorgen, was passiert, wenn dort erst große Baufahrzeuge durchmüssen.“ Die Mutter wollte auch wissen, wie es um die Mittagsruhe der Kinder bestellt sei, wenn gebaut werde. Sorge bereitet einigen Eltern auch die Sicherheit ihrer Kinder, falls es zu Konflikten mit Geflüchteten komme. „Es wird zu Ruhestörungen kommen“, gab der Erste Beigeordneter Manfred Schier zu, „wir werden uns aber regelmäßig mit den Bauunternehmern abstimmen.“ Jugendamtsleiter Maruan Azrak sieht keine Sicherheitsbedenken und verwies auf den Standort Hersel, wo die Kita „Schatzkiste“ an der Allerstraße im Gewerbegebiet ebenfalls in der Nähe einer Sammelunterkunft stehe. Dort sei es zu keinen Konflikten gekommen: „Wir gehen also von keiner Gefährdung der Kinder aus.“ Die Leiterin des „Märchenwaldes“ ließ über Azrak ausrichten, dass sie und ihr Team sich über die neuen Nachbarn freuen und diese gerne willkommen heißen würden. Lothar Urfey, unmittelbarer Anwohner am Hexenweg, kritisierte die mangelhafte Kommunikation von Seiten der Verwaltung. So seien E-Mail-Anfragen nie beantwortet worden. Außerdem verwehrte er sich, dass er von einigen Politikern „in die rechte Ecke“ gerückt worden wäre, weil er sich kritisch zu der Unterkunft geäußert hätte: Ihm gehe es nicht darum eine solche Unterkunft zu verhindern, er kritisierte vielmehr den Standort und die fehlende Transparenz der Verwaltung.
Gefragt wurde auch nach möglichen Alternativstandorten. Die wurden laut Schier der Politik von der Verwaltung vorgelegt, am Ende hätten sie sich aber nicht geeignet. Mal waren sie zu klein oder nicht schnell verfügbar, weil sie nicht im städtischen Besitz waren oder es fehlte an Infrastruktur.
Dazu Maria Koch (Grüne): „Uns allen hat damals die Lage Bauchschmerzen bereitet. Aber es war unsere einzige Option. Wir haben aber auch beschlossen, andere Grundstücke rechtzeitig im Auge zu behalten, falls es erneut zu einer solchen Situation kommt.“ Die SPD-Co-Vorsitzende Anna Peters (SPD) erklärte per Pressemitteilung: „Wir tragen die Entscheidung für die Flüchtlingsunterkunft nach wie vor mit, bitten die Stadt aber um zwei Dinge: Mehr Kommunikation wagen, um Akzeptanz für die Maßnahmen zu schaffen und die Verkehrssituation am Hexenweg noch einmal wie von uns 2022 bereits gefordert unter die Lupe zu nehmen.“
Bornheims Ortsvorsteher Dominik Pinsdorf lobte das selbstkritische Vorgehen Beckers „für die bisherige mangelhafte Information“ und dessen Entschuldigung bei den Bürgern. „Wichtig ist aber auch, dass die formulierten Sorgen und Ängste der Bürger von Verwaltung und Politik ernstgenommen werden und diese Menschen nicht in irgendeine politische Ecke gestellt werden.“ Pinsdorf werde sich für eine zeitnahe Informationsveranstaltung für die Anwohner einsetzen.
1500 Geflüchtete aufgenommen
Laut Sozialamtsleiterin Cornelia Löwe leben derzeit rund 1500 geflohene Menschen im Stadtgebiet, drei Viertel davon in privaten Unterkünften. Die meisten Schutzsuchenden kommen aus der Ukraine, gefolgt von Syrien und Afghanistan. Aufgrund der gestiegenen Zuweisungen vor allem durch den Ukrainekrieg wurde die Turnhalle der Johann-Wallraf-Schule im vergangenen Jahr als Sammelunterkunft hergerichtet. Damals ging die Stadt davon aus, dass bis zu hundert Geflüchtete dort unterkommen werden, maximal waren es aber nur bis zu 50. Daher soll die Turnhalle nach den Herbstferien wieder für den Schul- und Vereinssport zur Verfügung stehen. Da weiterhin mit der Zuweisung von Schutzsuchenden zu rechnen sei, entschieden sich Verwaltung und Politik eine Notunterkunft zu errichten, um Turnhallen möglichst nicht mehr dafür belegen zu müssen. Am Hexenweg entsteht ein zweigeschossiges Modulgebäude für bis zu hundert Schutzsuchende, das im Juni 2024 fertig sein soll. Die Bauarbeiten sollen Ende des Jahres beginnen. Die Stadt investiert dafür rund 5.5 Millionen Euro (fes).