Tashina Michels aus Waldorf bietet „Mystery Boxen“ an. Unzustellbare Sendungen und Retouren werden so wiederverwertet.
Lauter WundertütenWas hinter den „Mystery Boxen“ aus Bornheim steckt
Kurz tasten, ein wenig schütteln, drehen und wenden. Vielleicht verstecken sich in den zahlreichen Päckchen ja tolle Schnäppchen oder Raritäten? Vielleicht aber auch nur billige Ware oder lästige „Stehrümchen“, mit denen niemand etwas anfangen kann. Sibilla Strasser ist guter Dinge und sehr gespannt an diesem Samstagmorgen. Schließlich ist sie extra aus Meckenheim nach Bornheim-Waldorf gefahren, um bei Tashina Michels einige der geheimnisvollen „Mystery Boxen“ zu kaufen. Was steckt dahinter?
Sibilla Strasser spricht von einem „ganz besonderen Reiz“, freut sich über den „Überraschungseffekt“ und ihr Mann Hermann ist fest davon überzeugt, dass sich die halbstündige Fahrt von der Voreifel ins Vorgebirge gelohnt hat: „Meine Frau geht immer sehr analytisch vor und trägt das Glücksgen in sich. Sie hat auch schon mal in der ein oder anderen Lotterie das große Los gezogen.“
Die moderne Wundertüte
Seit ein paar Wochen bietet Tashina Michels in Waldorf sogenannte „Mystery Boxen“ an. Im Prinzip funktioniert das System wie die herkömmliche Wundertüte oder wie es Tashina Michels ausdrückt: „Was ich verkaufe, das ist das Überraschungsei für Erwachsene.“ Unterstützt von ihrem Mann Dennis kauft die 32-Jährige bei Händlern palettenweise Retouren auf, die sie dann weiterverkauft.
Dies sind ungeöffnete Päckchen und Pakete mit Waren, die Kunden an Versandhändler zurückgegeben haben, oder auch Pakete, die von den Kunden nie abgeholt worden sind oder nicht zugestellt werden konnten und dann an den Absender zurückgegangen sind.
Oft lohne es sich für die Verkäufer nicht, diese Retouren zu verarbeiten und wieder in den Handel zu bringen. Sie würden ungeöffnet im Müllcontainer entsorgt. Es gibt allerdings Großhändler, die diese Retouren aufkaufen und dann weiterverkaufen. Und so landen die ungeöffneten Warensendungen bei den Michels in Waldorf. Für Tashina Michels ist das nicht nur eine clevere, sondern auch nachhaltige Geschäftsidee. Statt im Müll zu landen, bekommen so die retournierte Waren ein zweites Leben. Das Spannende: Auch sie weiß nicht, was in den Verpackungen steckt.
Keines der Päckchen werde vorher geöffnet, um sich möglicherweise selbst die wertvollsten Teile zu sichern, denn wer weiß? „Vielleicht ist da ja irgendwo ein Goldbarren oder eine teure Kette drin“, mutmaßt die zweifache Mutter augenzwinkernd. Die ursprünglichen Adressaten und Absender sind übrigens von den Händlern unkenntlich gemacht worden, damit deren Anonymität gewährt bleibt. Kleinere Pakete verkauft Tashina Michels für zehn Euro und größere für 15 Euro das Stück.
Ob Fortuna Sibilla Strasser an diesem Morgen hold war, erfahren wir nicht. Sie will ihre Pakete nämlich erst zu Hause auspacken. Andere Kunden wollen es sofort wissen, schildert Dennis Michels. Den bislang größten Fang, den ein Kunde aus den Retouren gezogen hatte, war eine Drohne: „Die hatte einen Wert von gut 400 Euro.“ Auch hochwertige Anzüge oder Kommunionkleidung sei schon dabei gewesen, aber auch preiswerte Damenslips.
Kunde packte einen Damenrock aus
Enttäuscht sei der Blick eines Kunden gewesen, als er einen Damenrock ausgepackt hatte. Umtauschen gilt natürlich nicht. Fast schon ein Großeinkauf wird es an diesem Morgen bei Leonie und ihrer Mutter Kerstin aus Weilerswist. Sie sollen nämlich nicht nur für sich, sondern auch noch für den Opa und Freunde „Mystery Boxen“ mitbringen. Mama Kerstin kauft schon zum zweiten Mal bei den Michels ein. Vor einigen Wochen kam sie durch Zufall dort vorbei und erwarb eine Box, in der ein hochwertiges blaues Herrenhemd gesteckt hatte: „Das habe ich dann meinem Zwillingsbruder geschenkt.“ Während ihre 19-jährige Tochter Leonie vor Ort keines ihrer Päckchen öffnete und sich lieber zu Hause überraschen lassen wollte, machte ihre Mutter für die Rundschau dann doch eines auf und zeigt stolz einen schwarzen und einen weißen Hoodie. Ihre Tochter freut's: „Das ist eher was für mich.“ Gelohnt hat sich dieser Fang auf jeden Fall: „Die sind in einem guten Zustand und neuwertig. Die bekommen Sie sonst nicht für 15 Euro“, meint Kerstin.
Wie kam Tashina Michels überhaupt auf die Idee, „Mystery Boxen“ zu verkaufen? „Wir waren im Allgäu im Urlaub und dort gab es überall Automaten für Getränke, Speisen und mehr. Warum sollte so etwas nicht auch bei uns klappen?“ Und dann zeigte sie, womit alles anfing. Ihre „Mystery Boxen“ verkauft sie nämlich hauptsächlich über einen Automaten. Nur einmal im Monat gibt es auch einen Direktverkauf im heimischen Garten. Eigentlich arbeitet Tashina Michels in einem Labor, doch wegen ihrer zwei kleinen Kinder sei dies gerade schwierig. Deswegen baute sie sich ein zweites Standbein auf. Noch halte der Hype an. In der Region seien sie weit und breit die einzigen, die „Mystery Boxen“ anböten. Ihre Kunden kommen daher aus Bonn, von der rechten Rheinseite oder aus dem Rhein-Erft-Kreis. Und es gibt bereits Stammkunden, die regelmäßig nach Waldorf in den Feldchenweg reisen, um sich diesen besonderen Kick zu holen.
Ein Selbsttest endete schließlich nicht so spektakulär. Im großen Karton steckte ein graues Abtropfgitter aus Kunststoff für gespültes Geschirr.